Auszeichnungen und Ehrungen • 1951 Literaturpreis der „Gruppe - TopicsExpress



          

Auszeichnungen und Ehrungen • 1951 Literaturpreis der „Gruppe 47“ für Die schwarzen Schafe • 1953 Deutscher Kritikerpreis • 1953 Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. • 1958 Eduard von der Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal • 1967 Georg-Büchner-Preis für das schriftstellerische Gesamtwerk • 1972 Nobelpreis für Literatur • 1974 Carl-von-Ossietzky-Medaille • 1982 Ehrenbürger der Stadt Köln[11] • Professorentitel des Landes Nordrhein-Westfalen • 2010 Ehrenbürger der Stadt Bornheim; postum verliehen anlässlich seines 25. Todestages[12] Urteile über Heinrich Böll • „Wenn mich künftig einer fragt, was denn die Deutschen heute an Büchern von wirklicher Kraft und Wahrhaftigkeit vorzuweisen hätten, werde ich den Böll nennen.“ Karl Korn, 1953, nach dem Erscheinen des Romans Und sagte kein einziges Wort (FAZ, Nr. 79, 4. April 1953) • „[…] nicht die dreißigjährigen Frühvollendeten, nicht die Bachmann, nicht Enzensberger und auch nicht Grass, sondern der bald fünfzigjährige Böll steht repräsentativ für die deutsche Nachkriegsliteratur. Er ist ihr Klassiker.“ Karl Heinz Bohrer, 1967, nach der Verleihung des Büchner-Preises an Heinrich Böll (FAZ, Nr. 246, 23. Oktober 1967) • „Am meisten bewundere ich die Einfachheit, Klarheit, Genauigkeit seiner Sprache. Er macht keine Sprüche und er versucht niemals zu bluffen.“ Carl Zuckmayer, 1968, im Blick vor allem auf das Irische Tagebuch • „[…] it is a Nobel Prize novel if ever I saw one.“ Michael Ratcliffe über Gruppenbild mit Dame (The Times, London, 3. Mai 1973) • „Heinrich Böll, der Schriftsteller, der in seinem Werk lediglich seine Zeit darstellen wollte und damit für alle Zeiten schrieb, wird nicht in Vergessenheit geraten.“ Siegfried Lenz, 1985 (Der Spiegel, Nr. 30, 22. Juli 1985) • „Der Böll war als Typ wirklich Klasse. / Da stimmten Gesinnung und Kasse. / Er wär’ überhaupt erste Sahne, / wären da nicht die Romane.“ Robert Gernhardt, 1994 • „Es ist wie bei Balzac, über den Böll sagt: ‚Groß ist bei ihm auch, was teilweise mißlungen erscheinen mag.‘ Und wie Balzac wird man ihn auch in Zukunft lesen als Spiegel einer verschwundenen Welt.“ Norbert Niemann im Essay Bölls Vermächtnis (Die Zeit, Nr. 2, 2. Januar 2003) • „Geliebt, ja, im Ausland verehrt, gab er vielen Lesern und Zuhörern Orientierung und einen Begriff von Freiheit, der sich nicht auf die Marktwirtschaft beschränkte. Vielleicht war er deshalb einer Meute von Politikern und deren Claqueuren verhaßt, bis zu seinem Todestag am 16.Juli 1985.“ Günter Grass im Essay Als Heinrich Böll beerdigt wurde (Die Zeit, Nr. 22, 20. Mai 2009) • „Er ist weitgehend vergessen, und ich habe auch eine Vermutung, woran das liegt. [...] er hatte eine Nase für Themen, die den Deutschen auf den Fingern brannten. Aber nun ist Böll 25 Jahre tot, heute sind ganz andere Themen aktuell, also wird der Abstand zu seinen Büchern und zu ihm unaufhaltsam immer größer.“ (Marcel Reich-Ranicki in einem Interview, welt-online, vom 15. Juli 2010) • „Bölls Themen konnten provozieren; ihre literarische Gestaltung war eher bieder. Heute können die Romane Bölls vor allem als Dokumente gelesen werden, da der Autor wohl immer mehr Gewicht auf die soziale und gesellschaftliche Seite von Literatur legte als auf ästhetische Aspekte.“ (Ulla Hahn, Juli 2010, FAZ-Umfrage) Günter Grass Günter Grass, 2006 Günter Grass (* 16. Oktober 1927 in Danzig-Langfuhr, Freie Stadt Danzig) ist ein deutscher Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker. Grass war Mitglied der Gruppe 47 und gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Im Jahr 1999 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Inhaltsverzeichnis [Verbergen] • 1 Lebenslauf o 1.1 Herkunft und Familie o 1.2 Kindheit und Jugend o 1.3 Ausbildung und Beziehungen o 1.4 Schaffenszeit und politische Aktivitäten • 2 Werk und Wirken o 2.1 Schreiben gegen das Vergessen o 2.2 Erzählende Werke o 2.3 Lyrische Werke o 2.4 Grass als politisch aktiver Intellektueller o 2.5 Zugehörigkeit zur Waffen-SS o 2.6 Beobachtung durch die Stasi o 2.7 Verhältnis zum Springer-Konzern o 2.8 Kontroverse über das israelkritische Prosagedicht Was gesagt werden muss o 2.9 Kritik an Oskar Lafontaine o 2.10 Rezeption • 3 Auszeichnungen • 4 Werke o 4.1 Romane, Novellen und Erzählungen o 4.2 Dramen o 4.3 Lyrik o 4.4 Grafik, Skulpturen, Plastiken o 4.5 Sonstiges o 4.6 Hörbücher • 5 Verfilmungen • 6 Siehe auch • 7 Literatur • 8 Dokumentarfilme • 9 Weblinks • 10 Einzelnachweise Lebenslauf Herkunft und Familie Günter Grass (zur Zeit seiner Geburt „Graß“ geschrieben) ist der Sohn eines protestantischen Lebensmittelhändlers und einerKatholikin kaschubischer Abstammung und verbrachte seine Kindheit in Danzig in einfachen Verhältnissen. Die Eltern betrieben ein Kolonialwarengeschäft im Danziger Stadtteil Langfuhr (heute: Wrzeszcz). Die kleine Zweizimmerwohnung hatte kein eigenes Bad. Durch seine katholische Mutter geprägt, wurde Günter Grass Messdiener. Später geriet er unter den Einfluss der NS-Ideologie, obwohl er nach eigenen Angaben von der Hitlerjugend nicht begeistert war.[1] Kindheit und Jugend Ein Teil von Günter Grass’ Kriegsgefangenenakte Im Zweiten Weltkrieg meldete er sich mit 15 Jahren – nach eigenen Angaben, um aus der familiären Enge zu entkommen – freiwillig zur Wehrmacht.[2][3] Nach dem Einsatz alsLuftwaffenhelfer und der Ableistung des Reichsarbeitsdienstes wurde er am 10. November 1944 im Alter von 17 Jahren zur 10. SS-Panzer-Division „Frundsberg“ der Waffen-SSeinberufen.[4] Nach einer Verwundung am 20. April 1945 bei Spremberg wurde Grass am 8. Mai 1945 bei Marienbad gefangen genommen und war bis zum 24. April 1946 in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Es ist umstritten, ob er als Gefangener in Bad Aibling mit Joseph Ratzinger zusammengetroffen ist.[5][6][7][8] Grass gab sich bei seiner Gefangennahme den Amerikanern gegenüber als Angehöriger der Waffen-SS zu erkennen. In den bis 2006 veröffentlichten Biografien des Schriftstellers hieß es stets, er sei 1944 Flakhelfer geworden und danach als Soldat in die Wehrmacht einberufen worden. In seinem autobiografischen Werk Beim Häuten der Zwiebel aus dem Jahr 2006 gab Grass bekannt, dass er sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet und daraufhin im Alter von 17 Jahren zur Waffen-SS eingezogen worden sei.[9][10] Ausbildung und Beziehungen In den Jahren 1947/1948 absolvierte er ein Praktikum bei einem Steinmetz in Düsseldorf. Danach studierte er von 1948 bis 1952 an der Kunstakademie Düsseldorf Grafik und Bildhauerei. Seinen Lebensunterhalt verdiente er zusammen mit dem später bekannt gewordenen Maler Herbert Zangs als Türsteher im Lokal Csikos auf der Andreasstraße in der Düsseldorfer Altstadt. Später verewigte er Herbert Zangs, der wie Grass im Krieg Soldat war, als eigenwilligen Maler Lankes in der Blechtrommel. Das Studium setzte er von 1953 bis 1956 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin als Schüler des Bildhauers Karl Hartung fort. Danach lebte er bis 1959 in Paris. 1960 zog er erneut nach Berlin-Friedenau, wo er bis 1972 wohnte. Von 1972 bis 1987 lebte er in Wewelsfleth in Schleswig-Holstein. 1954 heiratete Grass die Schweizer Ballettstudentin Anna Schwarz, aus der Ehe gehen vier Kinder hervor. Die Zeit von Anfang 1956 bis Anfang 1960 verbrachte er mit Anna Schwarz in Paris, wo auch das Manuskript für Die Blechtrommel entstand. 1957 wurden dort die Zwillinge Franz und Raoul geboren. 1961, nach der Rückkehr nach Berlin, folgte die Tochter Laura, 1965 wurde der Sohn Bruno geboren. 1972 trennen sich Günter Grass und Anna Schwarz. Die spätere Schauspielerin Helene Grass, geboren 1974, ist die gemeinsame Tochter mit der Architektin und Malerin Veronika Schröter, mit der Grass in den 1970er-Jahren eine mehrjährige Beziehung hatte. 1979 wurde Nele Krüger, Grass’ Tochter mit der Lektorin Ingrid Krüger geboren. Im selben Jahr heiratete er in zweiter Ehe die Organistin Ute Grunert, die selbst zwei Söhne in die Ehe mitbrachte. In dem autobiographischen Roman Die Box lässt Grass seine sechs leiblichen Kinder und die Söhne von Ute Grunert als „seine acht Kinder“ auftreten.[11][12] Von August 1986 bis Januar 1987 lebte Günter Grass zusammen mit Ute Grunert in Indien, meist in Kalkutta. Schaffenszeit und politische Aktivitäten In den Jahren 1956/57 begann Grass neben ersten Ausstellungen von Plastiken und Graphiken in Stuttgart und Berlin schriftstellerisch tätig zu werden. 1956 debütierte er als Lyriker, 1957 als Dramatiker und Librettist von Balletten.[13] Bis 1958 entstanden vor allem Kurzprosa, Gedichte und Theaterstücke, die Grass dem poetischen oder absurden Theater zuordnet. Mit seinem ersten Roman Die Blechtrommel gelang 1959 dem damals 31-jährigen der literarische Durchbruch. Der Entwicklungsroman, der später auch von Regisseur Volker Schlöndorff erfolgreich verfilmt wurde, repräsentiert ein Stück deutscher Zeitgeschichte: er umspannt die fünf Jahrzehnte von 1899 bis in die Anfänge der Bundesrepublik. In seinem Werk thematisiert er auch die kollektive Verdrängung der Zeit während des Dritten Reiches durch die deutsche Bevölkerung. Grass ging es dabei auch um eine Kritik an der mangelnden Aufarbeitung dieser Zeit.[14] Im November 1971 nahm Grass an einer Woche der Deutschen Kultur in Tel Aviv teil und wurde von der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir zu einem Gespräch empfangen.[17] Grass im Gespräch mit Bundeskanzler Willy Brandt, 1970 Grass unterstützte oft die SPD in den Wahlkämpfen und wurde 1982 deren Mitglied. 1965 veröffentlichte er das Taschenbuch dich singe ich demokratie - loblied auf willy;[ Willy Brandt hatte er 1961 kennengelernt. Dann rief er mit anderen das „Wahlkontor deutscher Schriftsteller“ ins Leben.[19] Er war enttäuscht, als Willy Brandt ihn nach seinem Wahlsieg nicht mit einer Aufgabe betraute.[20] Mit seinen Ansichten eckte er unter anderem innerhalb der SPD oftmals an. So sprach er sich im Februar 1990 gegen die Wiedervereinigung und für eine Konföderation der beiden deutschen Staaten aus, um dem Osten die Möglichkeit zu geben, „sich wirtschaftlich und demokratisch [zu] festigen“.[21]1992 kündigte Grass aus Protest gegen den Asylkompromiss[22] seine SPD-Mitgliedschaft wieder auf. Gleichwohl war er auch danach politisch tätig und setzte sich für die Ideen der Sozialdemokraten ein: 2005 unterstützte er die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis in ihrem Wahlkampf und warb für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer für Besserverdienende. Als Mitgründer des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS), heute in ver.di, gehörte Grass zu den Kritikern der Verbandspolitik, die seiner Meinung nach unter Vorsitz von Bernt Engelmann gegen osteuropäische Diktaturen oft allzu duldsam war. Auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg (24. bis 26. September 1987) ließ er sich in den Bundesvorstand wählen, trat aber auf dem Kongress in Stuttgart 1988 mit dem gesamten Vorstand zurück, weil eine Diskussion über Alternativen zum Beitritt des Verbandes in die IG Medien – Grass hatte eine eigene Autorengewerkschaft unter dem Dach des DGB vorgeschlagen – ausblieb. Mit ihm verließen die VS-Bundesvorsitzende Anna Jonas und rund 50 weitere Autorinnen und Autoren den Verband.[23][24] Seit 1968 ist Grass Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, dessen Ehrenpräsident er seit 2009 ist. Eine Zusammenarbeit mit dem Jazzmusiker Günter Sommer ab 1985 brachte mehrere Tonträger hervor, auf denen der Schriftsteller zuPerkussionsmusik von Sommer aus seinen Werken liest. Tadeusz Różewicz und Grass, 2006 Günter Grass ist offizieller Unterstützer der Aktion 1:1. des LSVD, die sich für gleiche Rechte und Pflichten bei einer Lebenspartnerschaft einsetzt.[25] 1997 gründete Grass die Otto-Pankok-Stiftung zu Ehren seines ehemaligen Lehrers und als Engagement zu Gunsten der Sinti und Roma. Grass war 1996 Mitunterzeichner der Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform. Auch in neueren Werken verwendet Grass weiterhin die traditionelle Rechtschreibung. 1999 erhielt Günter Grass im Alter von 72 Jahren den Nobelpreis für Literatur für sein Lebenswerk. 2005 gründete er den Autorenzirkel Lübeck 05. Grass engagiert sich weiterhin gegen Atomkraft, z. B. bei einer Lesung vor dem Kernkraftwerk Krümmel im April 2011.[26] Günter Grass lebt heute in der Nähe von Lübeck. In Lübeck befindet sich das Günter-Grass-Haus mit dem überwiegenden Teil seiner literarischen und künstlerischen Originalwerke. Werk und Wirken Schreiben gegen das Vergessen Als Intention der Werke Grass’ ist das „Schreiben gegen das Vergessen“ auszumachen. Seine Werke thematisieren Nationalsozialismus bzw. handeln vor dessen Hintergrund. Auch die Werke Grass’, die in der Nachkriegszeit spielen (beispielsweise Im Krebsgang, 2002), behandeln die Thematik des Vergessens und die der Schuld. Laut Begründungsschrift des Komitees für seinen Nobelpreis wurde er dafür geehrt, dass er „in munterschwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet hat.“[27] Erzählende Werke Der Roman Die Blechtrommel (1959) ist in einer sehr bildlichen Sprache geschrieben. Er handelt von dem infantilen Sonderling Oskar Matzerath, der von seiner „Kinderperspektive“ aus die Erwachsenenwelt beschreibt und dank seiner Blechtrommel auch über Ereignisse berichten kann, an denen er nicht unmittelbar beteiligt war, wie zum Beispiel die Geburt seiner Mutter. Mit der Blechtrommel, in der Grass erstmals historische Ereignisse mit seiner surreal-grotesken Bildersprache konfrontierte, hatte er seinen Stil gefunden. Als einer der ersten deutschsprachigen Schriftsteller stellte er sich den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und entschied sich bewusst für die gegenständliche Beschreibung des historischen Zusammenhangs. Auch die Kaschubei fand durch dieses Werk Aufnahme in die Weltliteratur. Für den Roman erhielt Grass, nach Lesung aus dem noch unveröffentlichten Manuskript, 1958 den Preis der Gruppe 47, deren Mitglied er seit 1957 war. 1960 wollte die Jury des Bremer Literaturpreises Grass für die Blechtrommel prämieren, was aber vom Bremer Senat verhindert wurde. In diesem und dem folgenden Jahr wurde der Preis nicht verliehen. Die Blechtrommel wurde 1979 von Volker Schlöndorff verfilmt. Sein ebenfalls im Danzig des Zweiten Weltkrieges spielendes zweites Buch Katz und Maus, in dem er die Geschichte des Jungen Joachim Mahlke erzählt, wurde dagegen zunächst Anlass eines Skandals. Hauptsächlich wegen einer „Onanierszene“ beantragte der hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen 1961 bei der Bundesprüfstelle, die Novelle wegen unsittlichen Inhalts zu indizieren. Auf Protest der Öffentlichkeit und anderer Schriftsteller wurde der Antrag allerdings wieder zurückgezogen. Zwei Jahre später erschien Hundejahre, das letzte Werk der Danziger Trilogie. Mit Die Plebejer proben den Aufstand erschien 1966 ein weiteres Drama von Grass, das sein bekanntestes Theaterstück wurde. Es thematisiert den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR und die Rolle der marxistischen Intellektuellen. Die Hauptfigur des „Chefs“ ist mit zahlreichen Zügen von Bertolt Brecht ausgestattet. Gegen eine Deutung, die das Drama auf ein Anti-Brecht-Stück reduziert, hat sich Grass jedoch stets verwahrt. 1968 veröffentlichte Grass das Buch Briefe über die Grenze, ein Dialog zwischen dem tschechischen Schriftsteller Pavel Kohout und Grass zum Thema „Prager Frühling“. 1969 erschien Grass’ Roman Örtlich betäubt. Hierin verteilte der Autor seine eigene (anarchistische und sozialdemokratische) politische Einstellung auf verschiedene Personen, im Mittelpunkt ein Zahnarzt, die sich mit aktuellen Problemen auseinandersetzen. Es war das erste Mal, dass Grass über ein aktuelles Thema schrieb (Studentenbewegung), andere Bücher hatten immer einen starken Vergangenheitsbezug. In den USA wurde das Buch euphorisch aufgenommen, während sich in Deutschland die Kritiker eher zurückhielten. Nach dem Erscheinen der Erzählung Aus dem Tagebuch einer Schnecke (1972), welche den Bundestagswahlkampf 1969 beschreibt, zog Grass sich vorübergehend aus dem politischen Leben zurück. 1977 wurde Grass’ Roman Der Butt veröffentlicht, der seinen internationalen Ruf als Epiker unterstreicht. Zwei Jahre später brachte Grass das nächste Buch heraus, die Erzählung Das Treffen in Telgte. Einige Poeten der Barockzeit treffen sich dort im Jahr 1647 während der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden. Das Treffen verläuft weitgehend nach den Gepflogenheiten der 300 Jahre später von Hans Werner Richter ins Leben gerufenen Gruppe 47. Die Erzählung ist Richter gewidmet. Der erste Satz von Der Butt(„Ilsebill salzte nach.“) wurde 2007 von einer Prominenten-Jury zum schönsten ersten Satz der deutschsprachigen Literatur gewählt. Eine Asienreise inspirierte Grass 1980 zu Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus, einem weiteren erzählenden Werk, welches unter anderem damalige politische Ereignisse behandelt. Acht Jahre später folgte das Prosawerk Die Rättin, das 1997 verfilmt wurde und ein apokalyptisches Feature über den Selbstmord der Menschheit zeichnet. 1992 erschien die Erzählung Unkenrufe, die Grass’ Bemühen um die Versöhnung der Deutschen mit sich und den östlichen Nachbarn zeigt. Sein bisher letzter Roman, Ein weites Feld, erschien 1995. Er spielt in Berlin zwischen Mauerbau und Wiedervereinigung und ist ein Panorama deutscher Geschichte von der Revolution von 1848 bis zur Gegenwart. Eine bis heute nicht nachlassende Langzeitwirkung entfaltete der Roman durch den zum geflügelten Wort gewordenen Satz über die DDR: „Wir lebten in einer kommoden Diktatur“. Für dieses heftig umstrittene, politisch orientierte Buch erhielt Grass den Hans-Fallada-Preis. Der Protagonist des Romans, Fonty, ist an das Alter Ego von Theodor Fontane angelehnt und schlägt so den Bogen vom 19. Jahrhundert bis heute. Das Buch wurde in der Öffentlichkeit stark diskutiert, was unter anderem dazu führte, dass bereits nach acht Wochen die fünfte Auflage in Druck ging. 2002 erschien die Novelle Im Krebsgang, die den Untergang des mit Flüchtlingen besetzten Schiffs Wilhelm Gustloff am Ende des Zweiten Weltkrieges behandelt. Ein Jahr später erschien Letzte Tänze, eine Sammlung vorwiegend erotisch geprägter Gedichte und Zeichnungen. Beim Häuten der Zwiebel, ein autobiografisch geprägtes Buch ohne explizite Gattungsbezeichnung, erschien im August 2006. In diesem Erinnerungsbuch „häutete“ sich der Autor, indem er Schichten seiner Jugenderinnerungen freilegte. Beim Freilegen einer dieser „Häute“ sorgte Grass damit für Aufsehen, dass er nach über 60 Jahren bekannt gab, im Herbst 1944 als 17-jähriger zur Waffen-SSeingezogen worden zu sein.[28] Dieser Umstand wurde der Öffentlichkeit jedoch schon kurz vor Erscheinen des Buches durch ein Interview bekannt, das Grass der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab.[29][2] Lyrische Werke Neben seinen Romanen schrieb Grass auch einige Gedichtbände, die er mit eigenen Bildern und Zeichnungen ergänzte. Später erklärte er, am meisten liege ihm die Lyrik, von der er eigentlich komme. Sie erschien ihm als die Form des Schreibens, die am klarsten und deutlichsten sei und mit der er sich selber am besten in Frage stellen und ausmessen könne. Sein literarischer Werdegang begann im Frühjahr 1955, als er Gedichte an einen Lyrikwettbewerb des Süddeutschen Rundfunks schickte und dort auf Anhieb den dritten Preis gewann. Von der Preisverleihung zurückgekehrt, fand er ein Telegramm von Hans Werner Richter vor, mit dem er zur Tagung derGruppe 47 in Berlin eingeladen wurde. Seine Lesung weckte das Interesse Walter Höllerers. In der Folge veröffentlichte der Luchterhand-Verlag 1956 sein erstes Buch.[30] Die Vorzüge der Windhühner verkaufte sich in den ersten Jahren zwar nur 700 mal, doch beurteilten Kritiker das Buch recht positiv als einen „Weg zur realistischen Darstellung des Alltags“. Im 1960 erschienenen Gleisdreieck geht er auf die damals gerade erschienene Blechtrommel ein. Neben große und düstere Kohlezeichnungen gesellen sich 55 Gedichte, die sehr stark die Wirklichkeit einbeziehen oder Gegenstände beschreiben. Er erzählt von Berlin und vermengt teilweise unsinnige Passus mit Bösartigkeit und Sadismus. Im nächsten Lyrikband, Ausgefragt von 1967, bezieht sich Grass besonders auf zwei Dinge: Biographisches und Politisches. Er dichtet über persönliche Erfahrungen und verarbeitet den 1965er Wahlkampf, in dem er für die SPD und Willy Brandt eintrat. Neben einigen weniger eminenten Werken (zum Beispiel Liebe geprüft) und einigen Sammelbänden, erschien 1983 Ach Butt, dein Märchen geht böse aus. In diesem Werk wurden überwiegend die Gedichte aus den Romanen Der Butt und Die Rättinzusammengetragen. Inhaltlich beschreiben sie zum Teil detailliert Nahrungsmittel oder den Kot (als menschliches Endprodukt). Grass’ Gedichte sind realistisch geprägt, aber oft mit typisch scharfer Ironie gewürzt, wie auch sein kürzestes Gedicht Glück: Ein leerer Autobus stürzt durch die ausgesternte Nacht. Vielleicht singt sein Chauffeur und ist glücklich dabei. (Ironisches Schlüsselwort des Gedichtes ist das Wort Vielleicht. In dem Verbinden eines sinnlosen Geschehens mit einem Glücksgefühl des an diesem Geschehen Beteiligten verweist es auf religiöse, metaphysische Spekulationen, bei welchen trotz eines sinnlosen Erdendaseins auf ein jenseitiges Glück spekuliert wird.[31]) Im Jahr 2012 veröffentlichte Grass in verschiedenen Tageszeitungen die politischen Gedichte Was gesagt werden muss und Europas Schande.[32] [33] Grass als politisch aktiver Intellektueller Günter Grass mit Willy Brandt, 1972, Pressekonferenz mit Schülerzeitungsredakteuren in Bonn Auch außerhalb seines literarischen Schaffens war Grass politisch aktiv. Er kommentierte häufig das politische und gesellschaftliche Tagesgeschehen. Grass nutzte seine Popularität als Schriftsteller von Weltrang, um für die SPD zu werben. Er selber wurde besonders beeinflusst von Kurt Schumachers Reden von 1947 bis 1950. Sein politischer Standpunkt istirgendwo links von der Mitte. Er begrüßte die rot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder. Nach eigener Aussage war er schon immer politisch, was man auch in der Danziger Trilogieerkennen könne. Im 1961er-Wahlkampf unterstützte er Willy Brandt (SPD), indem er dessen Reden redigierte. Beim nächsten Wahlkampf (1965) sprach Grass zum Thema „Es steht zur Wahl“ in 50 Städten. Seine politischen Ziele waren in viele kleine Forderungen untergliedert (zum Beispiel die Abschaffung der 5%-Klausel). Nachdem die CDU ein weiteres Mal die Mehrheit bekam, wurde der Autor Grass immer mehr zum Politiker. Im Dezember 1966 äußerte er sich kritisch zur Wahl von Kurt Georg Kiesinger zum Bundeskanzler: „Wie sollen wir der gefolterten und ermordeten Widerstandskämpfer, wie sollen wir der Toten von Auschwitz und Treblinka gedenken, wenn Sie, der Mitläufer von damals, es wagten, heute hier die Richtlinien der Politik zu bestimmen?“[34] Grass verarbeitete seine Kritik später in Örtlich betäubt. Im Bundestagswahlkampf des Jahres 1969 reiste er 31.000 Kilometer durch Deutschland und hielt an verschiedenen Orten insgesamt 94 Reden zugunsten des im selben Jahr zum Bundeskanzler gewählten SPD-Politikers Brandt.[3] Im Buch Tagebuch einer Schneckeberichtete Grass biografisch von Wahlkämpfen und Politik. Als Brandt wegen seiner Spionageaffäre zurücktreten musste, äußerte sich Grass enttäuscht und zornig über seinen politischen Lehrer. Grass wurde erst 1982 Mitglied der SPD, verließ sie aber wegen derAsylpolitik nach zehn Jahren wieder. 1985 machte Grass seine Ablehnung gegen den Besuch eines Bitburger Soldatenfriedhofs durch den damaligen Bundeskanzler Kohl(CDU) und den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan deutlich. Er warf Helmut Kohl „Geschichtsklitterung“ vor und wendete sich gegen das Ausstellen von „Unschuldszeugnissen“. Seiner Meinung nach spricht Unwissenheit nicht frei. „Sie ist selbst verschuldet, zumal die besagte Mehrheit wohl wußte, daß es Konzentrationslager gab […] Kein selbstgefälliger Freispruch hebt dieses Wissen auf. Alle wußten, konnten wissen, hätten wissen müssen.“[35] Auf dem Soldatenfriedhof liegen deutsche und amerikanische Soldaten, aber auch 49 Männer der Waffen-SS begraben. 32 der dokumentierten Waffen-SS-Gefallenen waren unter 25 Jahre alt.[35] (Siehe zu Grass’ persönlichem Dilemma das folgende Kapitel). Grass äußerte sich 2006 zur Reaktion von Muslimen auf Mohammed-Karikaturen dänischer und französischer Zeitungen mit den Worten „Woher nimmt der Westen diese Arroganz, vorzugeben, was gemacht werden muss und was nicht?“[36] und wurde daraufhin kritisiert. In der Monopolisierung des Zeitungsmarktes sieht Grass einen „tagtäglich am Kiosk“ vollzogenen Verfassungsbruch, da die den Zeitungsmarkt beherrschenden Konzerne keine Meinungsvielfalt mehr zuließen.[37] Im April 2010 forderte Grass bei einer Rede in Tarabya eine Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch die Republik Türkei und vertrat die Auffassung, es sei „von höchster Stelle der Türkei eine Entschuldigung bei den Armeniern fällig.“ In türkischen Medien wie der Tageszeitung Hürriyet wurde die Stellungnahme positiv kommentiert. Hürriyet kommentierte, Grass habe seine Erfahrungen darüber offenbart, wie „die Menschheit in Frieden leben könne.“ Grass gehörte im Dezember 2010 zu den Künstlern, die sich – erfolglos – bei der israelischen Regierung dafür einsetzten, dass Mordechai Vanunu ausreisen dürfe, um die Carl-von-Ossietzky-Medaille von der Internationalen Liga für Menschenrechteentgegenzunehmen.
Posted on: Wed, 13 Nov 2013 20:40:47 +0000

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