Das SPD-Mitgliedervotum zur Großen Koalition ist vielleicht feige - TopicsExpress



          

Das SPD-Mitgliedervotum zur Großen Koalition ist vielleicht feige und zeugt von mangelnder Führungsstärke. Doch verfassungswidrig ist es nicht. Zurecht spricht Parteichef Gabriel von „Quatsch“ und verbittet sich das Verhör durch die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka. Verfassungsrechtliche Gründe gegen die Befragung der rund 450.000 SPD-Mitglieder, die nun eingewandt werden, erscheint juristisch schon einigermaßen merkwürdig und vor allem politisch völlig weltfremd. Der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart etwa hält den Mitgliederentscheid der SPD „für verfassungsrechtlich nicht legitim“. Im Gespräch mit Handelsblatt Online verwies dieser auf den Artikel 38 des Grundgesetzes und auf das freie Mandat. Die Abgeordneten des Bundestages „sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen, heißt es dort. Und die Vorstellung, so Degenhart, „Abgeordnete müssten sich vor einer Abstimmung die Zustimmung der Basis holen, ist dem Grundgesetz fremd.“ „Elemente eines imperativen Mandats“ dürfe es nach dem Grundgesetz nicht geben. Die rechtlichen Einlassungen des Professors aus Leipzig haben mittlerweile eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka sich auf Degenhart berief, als sie am Donnerstagabend den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel interviewte und ihm vorhielt, gegen das Mitgliedervotum gebe es verfassungsrechtliche Bedenken. In dem Interview macht Marietta Slomka, gelinde gesagt, keine gute Figur. Peinlich, peinlich. Völlig zurecht sprach Gabriel von „Blödsinn“ und von „Quatsch“. Denkt man Degenhart/Slomka konsequent zu Ende, dann ließen sich eine ganze Reihe von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Parteiendemokratie vorbringen. Warum handeln eigentlich die Parteien den Koalitionsvertrag aus? Warum trägt das 185-Seiten-Werk die Unterschrift der Parteivorsitzenden? Warum eigentlich ist es weniger imperativ, wenn statt der Basis der Parteivorstand dem Koalitionsvertrag seinen Segen gibt? Warum ist eigentlich nicht das Verfassungsgericht eingeschritten, als ein grüner Sonderparteitag im Jahr 1999 in Bielefeld über die Zustimmung der Grünen zum Kosovo-Krieg abstimmte? Wer hat eigentlich die vielen Sonderparteitage der SPD zu Schröders Agenda 2010 gezählt? Und warum haben Degenhart und Slomka ihre Stimme nicht gegen den Mitgliederentscheid der FDP zur Eurorettung erhoben? So kann nur argumentieren, wer in Leipzig oder in Mainz in seinem Elfenbeintürmchen sitzt, entweder den politischen Alltag nicht kennt oder der Sozialdemokraten zwischen die Beine treten will. Zumal politische Absprachen in der Politik zum Alltag gehören und ohne eine gewisse Fraktionsdisziplin sich der parlamentarische Alltag kaum bewältigen lässt. Wer sich an dieser Stelle nach einem freien Parlament frei gewählter Abgeordneter sehnt, ohne Parteien und ohne Fraktionen, dem sei gesagt, dass dies mitnichten demokratischer wäre. Aber die Parteien gibt es nun mal. Bei aller Kritik im Detail haben sie sich als Institutionen der Demokratie bewährt. Und deshalb genießen sie neben dem freien Abgeordneten den Schutz der Verfassung. Im Artikel 21 des Grundgesetzes heißt es dazu, „die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Dort steht auch: „Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ Es mag sein, dass die SPD gerade einen politischen Fehler macht. Nur, dass die Mitgliederbefragung der SPD zum Koalitionsvertrag nicht demokratischen Grundsätzen folgt, hat nun wirklich noch niemand behauptet. Nicht einmal Herr Degenhart oder Frau Slomka. Christoph Seils, CICERO
Posted on: Sun, 01 Dec 2013 19:45:19 +0000

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