Es ist das Herz, das einen trägt „Identität ist die Antwort - TopicsExpress



          

Es ist das Herz, das einen trägt „Identität ist die Antwort auf die Frage, wer einer ist. Und wer einer ist, erfährt man durch seine Geschichte.“ (Odo Marquard, deutscher Philosoph) G ünter Preuß wusste schon früh, wie man auch unter widrigsten Umständen zurechtkommen kann, er hatte es auf der Straße gelernt, dem lehrreichsten aller Pflaster. Zwölf Jahre war er alt, als er drei Jahre nach dem Krieg zum ersten Mal im Dress der Zebras auflief, rekrutiert hatte man ihn direkt aus Meiderich und vom Gerhardplatz weg, auf welchem er nach der Schule mit seinen Freunden gegen ein paar zusammengeflickte Stoffbälle kickte, während die einsamen Mütter und die wenigen Väter, die es noch gab, das Erbe aus Schutt und Asche wegräumten, welches ihnen der Krieg hinterließ. Der Bolzplatz, auf dem er spielte, liegt heute noch mitten in Meiderich, immer noch tummeln sich Kinder auf den Gerüsten. Wenn man ihn darum bittet, ein wenig von damals zu berichten, dann kann Günter Preuß die Geschichte erzählen, wie in den Straßen rund um den Gerhardplatz mindestens neun Meidericher Jungs den Fußball auf zertrümmerten Kopfsteinpflastern und lehmroter Erde erlernten. Er kann erzählen, wie diese Jungs über verschiedene Wege in der Jugend des Meidericher Spielvereins auftauchten, wie sie langsam die Jugendklassen hinaufkletterten und wie sie schlussendlich gemeinsam ein eigenes Kapitel Fußballgeschichte schrieben. Dass er dies alles bis ins kleinste Detail nachzeichnen kann, ist kein Wunder. Er war einer von ihnen. Vielleicht entdeckte der Ur-Meidericher in dieser Zeit des Entbehrens und des Wiederaufbaus, das Aufgeben nicht sein Geschäft ist, bevor er sich anschließend in die Geschichte des MSV Duisburg eingrub wie kaum ein anderer vor oder nach ihm. Sicher ist, dass er sich von da an durch nichts mehr abschütteln oder einschüchtern ließ, schon gar nicht von seinem Verein. Der Weg, den er als Spieler, Sportdirektor und Trainer bestritt, führte von den Gipfeln bis tief in die Schluchten, von ausverkauft bis 1000 Zuschauer, von der Vizemeisterschaft und Pokal-Endspielen schnurstracks hinunter in Liga drei. Die Achterbahnfahrt war rasant, keine Frage, aber die Bilanz, die sich währenddessen in seinem Rücken anhäufte, beeindruckt. Bis heute. Günter Preuß war Kapitän der „Meidericher Jungs“, jener Zebra-Elf, welche die berühmt-berüchtigte Oberliga-West aufmischte. Er führte jenes Team an, welches 1962/63 den Aufstieg in die neugegründete Bundesliga klar machte und er stand auf dem Feld, als „Pitter“ Danzberg seine entscheidenden Tore gegen Hamborn 07 und Viktoria Köln schoss. Ein Jahr später, als man zum Start der ersten Bundesligasaison und als Abstiegskandidat Nummer eins die Mannschaft des Karlsruher SC mir nichts dir nichts mit 4:1 aus ihrem eigenen Stadion fegte, war er ebenfalls mit von der Partie. Acht Minuten benötigten die Zebras damals, um schon in der ersten Halbzeit durch Krämer, Cichy und Rahn 3:0 in Führung zu gehen, sie lieferten ihr erstes Feuerwerk ab und als sie sich nach dem Halbzeitpfiff Richtung Kabine aufmachten, erhob sich das gesamte Stadion, um den Nobodies aus dem Ruhrgebiet zu applaudieren und Respekt für ihre Leistung zu zollen. Das Endergebnis lautete 4:1, die Meidericher Jungs überrannten den Wildpark und schrien am 24. August 1963 ihr lautes „Wir sind jetzt da!“ Richtung Liga, anschließend rasten sie einfach weiter, getragen vom Trotz und vom Stolz. Neun Spieltage später beantworteten sie Uwe Seelers berühmte Frage, wo denn dieses Meiderich liegt, mit vier trockenen Toren, fünfzehn Minuten Wahnsinn und die Torschützen Nolden, Sabath und Walenciak genügten, um 36 000 Zuschauer und gleichzeitig ganz Fußballdeutschland mit sich zu reißen. Als der letzte Pfiff der ersten Bundesliga-Spielzeit ertönte, konnten die Kritiker mit gesenktem Haupt dem Abstiegskandidaten Nummer eins zur Vizemeisterschaft gratulieren, die Wedau stand Kopf und eskalierte, feiernde Massen und Helmut Rahn inklusive. Es dauerte keine zwei Jahre, bis die Meidericher das nächste Highlight abliefern sollten, und diesmal war es der DFB-Pokal, dem sie ihren Stempel aufdrücken konnten. Im Jahr 1966 führte Günter Preuß die Zebras von Runde zu Runde, den Erzfeind aus Schalke schossen sie im Achtelfinale mit 6:0 nach Gelsenkirchen zurück. Im Endspiel gegen die Bayern musste er verletzt vom Spielfeldrand aus verfolgen wie sich Michael Bella, „Eia“ Krämer und die anderen Recken mit aller Macht gegen die drohende 2 Niederlage stemmten. Er sah dabei zu, wie sie trotz großen Kampfes verloren und er war dabei, als sie in der Heimat von zigtausend Fans für eben jenen Kampf mit Applaus begrüßt wurden. Günter Preuß, den ein Journalist einmal aufgrund seines bedachten Lebenswandels einen „Mönch“ nannte, prägte die Erfolge dieser Jahre maßgeblich, aber die Zeit machte auch vor dieser Ära nicht halt und die Erde drehte ohne Rücksicht auf Verluste weiterhin Runde um Runde. Wenn man heutzutage durchs Stadion geht, willkürlich auf die Schulter eines Vordermanns tippt und anschließend einem entgeisterten Gesicht die Preisfrage stellt, wer Günter Preuß ist, wird man aller Wahrscheinlichkeit nach in mindestens 60% der Fälle keinerlei Regung erkennen. Es liegt nicht an ihm, dass dem so ist. Das ihm gegenüber gezeigte Verhalten steht nur symptomatisch für den Umgang mit all jenen, deren Erfolge und Geschichten der MSV Duisburg eine lange Zeit geflissentlich ignorierte, und der Preis, den der Verein dafür zu zahlen hatte, war hoch. In seinen schlimmsten Momenten war er nur noch ein identitäts- und gesichtsloser Haufen, der zwar immerzu betonte, wie wichtig ihm Tradition sei, der aber regelmäßig all jene vertrieb, welche hätten tatsächlich Zeugnis abliefern können. Die Helden wurden verjagt und mit ihnen ihre Geschichten. Man mag dies bedauern, manchmal sogar bejammern, aber „Aufgeben gilt nicht“ und hat nie gegolten. Das Credo aller Kreis- bis Bundesligatrainer hatte sich Günter Preuß von frühester Jugend an zu eigen gemacht, und während es hier schon genug Hunde gab, die lauthals herumbellten, wie sehr sie sich mit Stadt und Verein identifizierten und die vor lauter Bellen zumeist vergaßen, um wen und worum es hier eigentlich ging, gehörte Preuß zu der Fraktion „Ein Mann, ein Wort“ und bewies sein Herz lieber durch Taten. Als er 1985 mittendrin stand in einem Orkan, der schon damals „Insolvenz“ und somit „Rien ne va plus“ hieß, setzte er sich mit einigen alten Recken in Ludwig Noldens Kneipe und skizzierte den „Hit 85“, ein Benefizspiel, zu welchem von Beckenbauer bis Seeler alles an Fußballprominenz anreiste, was sich nicht rechtzeitig wegducken konnte. Dass alle satt wurden, dafür sorgten Christel und Gerd Hülsen, welche das Buffet zu diesem Event gestalteten und sponsorten. Über 230 000 DM spülte der Kick in 3 die Kasse, derweil seine Frau Ursel Lunchpakete für die Rückfahrten machte, damit die Spieler überhaupt noch etwas zum Mittag bekamen. Ein Familienleben für die Zebras und Vollgas für all die Geschichten und Freunde, „Alle für einen Verein!“ war das Credo und Familie Preuß mittendrin und vorneweg in erster Reihe. „Eine Selbstverständlichkeit...“, wie beide auch heute noch immer wieder betonen, auf ein „Danke“ der Gegenseite warten sie dennoch bis heute. Wenn man ihn danach fragt, wie er diese Nummer trotz der Undankbarkeit und des Mangels an Unterstützung durchziehen konnte, sagt er: „Wir konnten den Verein ja nicht einfach so kaputtgehen lassen“, und zuckt mit den Schultern. Er antwortet so ruhig und selbstverständlich wie nur ein Liebender antworten kann, für den Ignoranz und Ablehnung keinerlei Rolle mehr spielen. „Ein Mensch mit einer Überzeugung ist stärker als 99 Menschen mit Interessen“, hatte der britische Philosoph John Stuart Mill einstmals behauptet, und Günter Preuß lieferte den Beweis, dass es das Herz ist, das einen trägt und welches sich in seinen besten Momenten durch nichts und niemanden aufhalten lässt. Aber so sehr Günter Preuß auch im Zentrum des Geschehens stand, als die Fußballgeschichte mit großen Schritten durch Meiderich zog, so wenig war er es alleine, der dafür sorgte, dass Fußballdeutschland seinen erstaunten Blick gen Westen richten sollte. Günter Preuß war Teil einer magischen Mannschaft, deren Einzigartigkeit ihr damaliger Trainer Rudi Gutendorf bis heute betont: „Da standen neun Spieler auf dem Feld, die auf Meidericher Straßen groß geworden sind und gemeinsam auf Bolzplätzen des Stadtteils aufwuchsen. So einen Zusammenhalt habe ich nie wieder erlebt, das war einmalig auf der Welt“. Gutendorf hat nicht wenige Fußballmannschaften in seinem Leben gesehen, und umso beeindruckender wirkt das Lob eines Weltenbummlers, der von Afrika bis Asien fußballerisch so ziemlich alles mitgemacht hatte. Die Verdienste dieser Elf zu würdigen, war die Aufgabe, der sich Günter Preuß widmete, als er 2002 sein Werk „Der Kapitän der Zebras“ veröffentlichte und ttps://dropbox/s/8jfxiopznj...%20Herz....pdf 4
Posted on: Fri, 28 Jun 2013 17:02:46 +0000

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