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Gerade im Netz gefunden . Hier der Originallink : alltagimrettungsdienst.wordpress/2013/03/25/mit-anderen-augen-gesehen/ Schuhe an und meinen beiden Kindern schon mal gute Nacht sagen. Mama muss zu einem Termin. Papa schmeißt den Laden auch gut alleine. „Mama schaut nachher nochmal rein, wenn sie wiederkommt. Ob ihr auch gut schlaft und zugedeckt seid.“ 16:42 Uhr Raus aus der Haustür und ab zum Auto. Kalt ist es. Aber zum Glück nicht glatt auf den Straßen, wie es scheint. 16:44 Uhr Ich starte den Motor und fahre über den Hof zur Bundesstraße. Noch ein, zwei Autos, dann kann ich auf die Straße rausziehen. 16:45 Uhr Vor mir ein silberner Lupo. Er fährt recht weit am Fahrbahnrand. Kurz vor der leichten Linkskurve berühren die Reifen den Grünstreifen, der Wagen rutscht auf dem matschigen Boden ein Stückchen weiter nach rechts. Die Fahrerin reißt das Lenkrad ruckartig und viel zu weit nach links. Oh nein, bitte bau jetzt keinen Unfall! Ich hab keine Zeit noch auf die Polizei zu warten, Zeugenaussage zu machen…. Sie reißt den Wagen wieder nach rechts in die Spur. Puh, das war knapp. Komm ich doch noch pünktlich zum Termin! In dem Moment reißt sie das Lenkrad wieder nach links, genau auf die Gegenfahrbahn. Es gab keinen Knall, keine Geräusche, die man erwarten sollte bei einem Frontalzusammenstoß zweier Fahrzeuge. Nur ein sanftes Knatschen und Knirschen. Fast wie ein Seufzen. Der Lupo schleudert herum und bleibt gegen die Fahrtrichtung stehen. Ich mache den Warnblinker an und fahre auf den Seitenstreifen. Ein Griff und mein Handy ist in meiner Hand, während ich aus dem Auto springe. Noch während ich zu dem Lupo eile, schaue ich auf mein Mobiltelefon. AUS ! … ich hatte es vergessen wieder anzuschalten, bevor ich losfuhr. Jetzt warten bis es gestartet ist und den Pin eingeben und auf Netz warten und… nein - Es verwindet wieder in der Jackentasche. Ich habe einen Tunnelblick, sehe nur noch das demolierte Fahrzeug vor mir. Ich habe keine Angst, bin nicht nervös, seltsam klar sehe und verstehe ich die Welt. Wie durch ein Rohr geschaut. Stück für Stück. Szene für Szene. Während ich mich nähere, schaue ich durch die zersplitterte Windschutzscheibe. Wo ist der Fahrer?? Da sitzt niemand! Die Fahrertür ist offen. So schnell kann doch niemand ausgestiegen sein? Ich bin doch sofort angehalten und ausgestiegen? Wie viel Zeit mag vergangen sein seit dem Aufprall? Vielleicht 30 Sekunden? Ein paar schnelle Schritte tragen mich rechter Hand am Fahrzeug vorbei. Einige Meter dahinter liegt ein lebloser Körper auf dem nassen Asphalt. Barfuß, ein einzelner Schuh daneben auf dem Grünstreifen. Auf dem Bauch liegend. Wie eine weggeworfene Puppe. Lange dunkle Haare verbergen das Gesicht. Das erste Glitzern von Blut erscheint unter dem Haar auf der Straße. Ich schaue hoch und sehe wie einige Menschen ein Stück entfernt stehen und herüber schauen. Menschen, die auf ihren Fahrzeugen gesprungen sind. Doch unschlüssig scheinen, was zu tun ist. „Ruft einen Notarzt! Sofort, sagt ihnen es gibt eine schwere Kopfverletzung!“, brülle ich hinüber, während ich die Haare der Frau beiseite schiebe und ihr Gesicht erblicke. Eine junge Frau, sehe ich, noch keine 20 Jahre alt, die Züge erschlafft, die Augen leicht geöffnet. Doch tot, gebrochen, keine Regung in ihrem Blick. Die Blutlache wird größer und breitet sich langsam weiter aus. Seltsam hell ist das Blut. Gar nicht wie man es in Filmen sieht, denke ich mir. Es wirkt „unecht“. Ich spüre, dass weiterhin Menschen um mich herum sind, aber nehme sie nicht wirklich wahr. Sehe nur 2-3 Meter vor mir zwei Männer, die entsetzt herschauen. „Was ist mit dem anderen Fahrzeug? Was ist mit den Leuten da drin? Los, gehen Sie da hin und kümmern sich um die!“, kommandiere ich sie weg. Sie drehen sich um und eilen in die richtige Richtung, verschwinden außerhalb meines Sichtfeldes hinter dem zerstörten Fahrtzeug. Ich spreche die Frau an, tätschle ihre Wangen. „Hallo, hallo, hören Sie mich? Hallo?“ Als ich versuche, sie auf die Seite zu drehen, merke ich, wie schwer so ein schlaffer Körper ist. Der Arm ist im Weg, und ich will ihr ja nicht die Schulter auskugeln und ihr noch mehr Schmerzen bereiten! Ich schiebe ihren Arm so nah es geht an ihren Körper und ziehe sie zu mir, neben mir erscheint die Silhouette eines Mannes. „Packen Sie mit an! Ich schaff das nicht alleine!“, brülle ich ihn an. Er packt mit an und so lehnt sie dann an meinen Beinen. Woher kommt das Blut? Ich hoffe irgendeine Wunde zu finden, die ich abdrücken kann, um die Blutung zu reduzieren. Doch das Blut sprudelt ihr aus dem rechten Ohr. Es schäumt leicht im ersten Moment. Der Schaum wie ein leichter rosa Überzug, der sich aber schnell verflüchtigt. Die hellrote Fläche schlängelt sich langsam weiter in Richtung Mittellinie. Ich fühle den Puls an ihrem Hals. Schwach, doch ich meine ihn spüren zu können. Ob sie atmet? Ich weiß es nicht. Aber der Puls ist da. Das ist das wichtigste. Ich schaue auf. Neben mir steht eine ältere Frau und ein junges Mädchen. Selbst sicher nicht älter als die verunglückte. Sie hält einen Verbandkasten in den Armen, klammert sich an ihm fest wie ein Ertrunkener an einem Wrackstück. Als könne er sie vor dem was sie sieht beschützen. Ihr Blick ist wie erstarrt auf die Frau in meinen Armen gerichtet. Hinter mir ruft jemand nach einer Decke und kurz darauf legt jemand eine alte Wolldecke über die Beine der Frau. Ich fühle erneut den Puls. …. und nochmal… ich finde ihn nicht mehr! Fühle ich an der richtigen Stelle? Panik macht sich in mir breit. Erneut schaue ich zu den Menschen, die an ihren Fahrzeugen stehen. Bestimmt ein Dutzend mittlerweile. „Ist irgendein Arzt hier?“, brülle ich wie von Sinnen hinüber. Irgendjemand mit einer medizinischen Ausbildung? Krankenschwester, was auch immer??“ Eine Frau löst sich von den anderen ab und eilt zu mir. „Ja ich habe mal Krankenschwester gelernt“, sagt sie. „Aber ich bin schon einige Jahre raus aus dem Beruf“. „Egal!“, sage ich. Und bin etwas erleichtert, eine sicherlich fachkundigere Person als ich es bin, bei mir zu haben. „Fühlen Sie bitte den Puls! Finden Sie ihn?“ Ich mache ihr Platz, sie hockt sich neben die nun auf dem Rücken liegende Verletzte und sucht den Puls. Nach wenigen Sekunden schaut sie mich an und schüttelt den Kopf. „Nein ich finde da auch keinen Puls.“ „SCHEISSE“ rufe ich. Und bin froh eine Krankenschwester neben mir zu haben, die nun weiß, was zu tun ist. „Was machen wir denn jetzt?“, fragt mich die Krankenschwester!!!! Wut, Frust und Panik schlagen wie eine Welle über mir zusammen. Bilder aus dem Erste-Hilfe-Kurs gehen mir durch den Kopf, der gefühlte Lichtjahre zurückliegt. Die „Krankenschwester“ sitzt immer noch dämlich aus der Wäsche guckend neben der Verunfallten, als ich mich auf die andere Seite hinknie und den Pullover der jungen Frau hochschiebe. Aus dem Ohr kommt kein Blut mehr nach. Ich spüre, wie meine Knie nass werden, wie sich das Blut der Frau in den Stoff meiner Hose zieht. Lauwarm… klebrig. Wo setze ich an? Ah da. Ich lege den Handballen an die richtige Stelle und sehe meine blutigen Hände. „Hier sind Aidshandschuhe…“, höre ich ein leises Stimmchen von der Seite. Das junge Mädchen mit dem Verbandkasten hält mir ein Paar Einweghandschuhe vor die Nase. „So ein Quatsch! Jetzt ist das auch egal“, ranze ich sie an und beginne zu pumpen. Die Krankenschwester ist verschwunden. Wieder zurück zu ihrem Auto. Raus aus der Situation. Beim zweiten oder dritten Mal Pumpen spüre ich, wie es plötzlich leichter nachgibt unter meinen Händen. Begleitet von einem leisen Knacksen. Das Brustbein schien durch. Oder doch eine Rippe? Egal. Hauptsache pumpen. Ab dem Moment begann es zu blubbern. Mit jedem Druck spürte ich, wie es im Brustkorb blubberte. Ich bildete mir sogar ein, es zu hören. Ob es wirklich zu hören war? Ich weiß es nicht. Aber ICH hörte es. Ich konnte vor meinem geistigen Auge das Blut sehen, das sich in ihrem Körper gesammelt hatte. Und das mit jedem Druck von mir hin und her bewegt wurde. Sekundenlange Pause, Puls: nicht da. Weiter! „Soll ich mal übernehmen?“ höre ich die Stimme eines Mannes. Ich mache im Platz und er führt die Herzdruckmassage von der anderen Seite weiter. Aber drückt er nicht zu weit unten? Drückt er tief genug rein? Nach wenigen Handgriffen schiebe ich ihn beiseite und mache selbst weiter. Meine Panik ist verschwunden. Die Welt besteht nur noch aus dem Eindrücken des Brustkorbes dieser Frau. Und dem Blubbern…. und dem Blut unter und an meinen Beinen, das langsam erkaltet. Komm schon, bitte, mach kein Scheiß. Bitte Mädchen komm, komm, höre ich mich selbst leise vor mich hinsprechen. Wieder fühle ich den Puls. Nichts. Ich schaue hoch und sehe in die fragenden und recht gefassten Augen der älteren Frau. Ich schüttele den Kopf. „Das hat alles keinen Zweck“, sage ich ihr. „Da ist alles voller Blut im Brustkorb“, das spüre ich. Aber ich mache weiter. „Wo bleibt der Notarzt?“ Aus den Augenwinkeln sehe ich aus der Ferne blaue Lichter näher kommen. Ich pumpe weiter. Endlos lange erscheint mir die Zeit, bis die Lichter endlich nah genug sind und Menschen aus dem Fahrzeug auf mich zueilen. Ich pumpe weiter. Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Eine Frau vom Rettungsteam. „Ich übernehme jetzt“, sagt sie, und wie ein eingespieltes Team übergebe ich an die Fachfrau, die unverzüglich die Herzdruckmassage weiterführt. Ich trete ein paar Schritte zurück. Wieder spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. „Hast du gut gemacht!“, sagt eine Männerstimme. „WIE WOLLEN SIE DAS WISSEN? Sind sie etwa Arzt?“, motze ich ihn lautstark an. „Nein“, sagt er. „Aber ich bin Feuerwehrmann. Ich hätte es nicht besser machen können. Ich war dabei, seit du mit der Herzmassage begonnen hast“. „Warum haben Sie das dann nicht gemacht?“, rufe ich verzweifelt. „Du musstest etwas tun. Du wolltest etwas tun. Und wenn du etwas falsch gemacht hättest oder keine Kraft mehr zum Pumpen gehabt hättest, hätte ich übernommen!“ Und recht hatte er. Ich hätte nicht einfach daneben stehen können. Mein Blick schweift über die Unfallstelle. Und ich sehe zum ersten Mal die Ausmaße der Zerstörung. Der Lupo ist nicht mehr als solcher zu erkennen. Der Unterboden aufgerissen wie eine Konservendose. Die Front so vollständig zerstört, dass selbst der Motor nur noch zu erahnen ist. Rund um das Auto liegen Scherben, Autoteile, eine Sonnenbrille, der zweite Schuh. Etwas Kleingeld. Ein kleines Plüschtier mit Herzchen im Arm. Dann fällt mein Blick ins Wageninnere. Der Gurt des Fahrersitzes hängt ordentlich an der Seite hinter der Türzarge. Griffbereit zum Anschnallen. Die Tür durch den Aufschlag des Körpers verbogen. Ich hocke mich auf den Seitenstreifen, rauche eine Zigarette, die mir in die Hand gedrückt wird und beobachte mit einigen Metern Abstand, wie die Rettungskräfte versuchen, das Leben in die junge Frau zurückzubringen. Die ältere Frau, die ich schon vorher bei der Verunfallten sah, ist bei mir und nimmt mich in den Arm. Ich kenne sie nicht. Aber es tut gut und wirkt ehrlich. Irgendwann legen die Rettungskräfte die junge Frau auf eine Trage und bringen sie in den Rettungswagen. Immer noch beatmend, immer noch die Hoffnung nicht aufgebend. Einige Zeit später spüre ich abermals eine Hand auf meiner Schulter. Ein Feuerwehrmann steht neben mir. Er trägt ein Schild auf der Brust auf dem das Wort „Notfallseelsorger“ steht. „Sie hat es nicht geschafft“, höre ich ihn sagen. „Ich weiß“, sage ich. Denn sie war in meinen Armen gestorben. Noch über eine Stunde verbrachte ich an der Unfallstelle. Nicht weit entfernt sah ich die Lichter meines Hauses. Jeden Tag würde ich nun mehrmals an dieser Stelle vorbeifahren. Ich holte mein Handy heraus, schaltete es ein, 3 Anrufe in Abwesenheit. Von zuhause. Ich rief meinen Mann und schilderte kurz und knapp, wo ich bin und was geschehen ist. Er hatte sich schon große Sorgen gemacht, als er kurz nachdem ich gefahren bin, vom Fenster aus Blaulicht sah. In meinem Auftrag rief er bei der Firma an, bei der ich einen Termin hatte, um abzusagen und um mich zu entschuldigen. Den Rest der Zeit verbrachte ich bei Kaffee und Zigarette in der Gesellschaft einer Frau der Freiwilligen Feuerwehr in einem Mannschaftsbulli. Dabei redeten wir über Familie, Privates und alles Mögliche. Nur nicht über den Unfall. Das hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gekonnt und gewollt. Auch wenn es etwas befremdlich war, direkt am Unfallort über belanglose Dinge zu reden. Ich war noch nicht bereit über den Unfall zu sprechen, und das spürte auch die Frau von der Feuerwehr. Der Kaffee wurde vom nahegelegenen Restaurant herübergebracht. Immer noch habe ich vom Blut verschmierte Hände und eine blutdurchweichte Hose. Aber seltsamerweise empfinde ich keinen Ekel. Nur eine seltsame Leere in mir. Schließlich begebe ich mich auf den Heimweg. Den Wagen lasse ich stehen. Es sind nur wenige hundert Meter und dank der Abschleppwagen ist eh kein Durchkommen in dem Moment. Die nette Frau, die mich nach dem Unfall umarmt hat, begleitet mich bis zur Haustür. Als ich nach Hause komme, sitzen meine drei Männer beim Abendbrot. Ich ziehe meine Hose aus, wasche mich und ziehe trockene Kleidung an. Als mein Mann mich in den Arm nimmt, wehre ich ihn ab. Nein, nicht jetzt!! Ich will nicht vor den Kindern weinen! Ich könnte es ihnen nicht erklären. Also reiße ich mich zusammen bis die Kinder im Bett sind. Erst dann berichte ich meinem Mann die Geschehnisse und weine. Ich weine um eine fremde Frau. Einen Menschen, mit dem ich nie gesprochen habe. In den Nächten darauf schlafe ich seltsamerweise völlig traumlos. Doch tagsüber kommen mir immer wieder die Bilder hoch. Wenn ich eine Sirene höre, zieht es sich in mir zusammen. Und bei jedem Fahrzeug vor mir, das ein Überholmanöver startet oder etwas zu schnell unterwegs ist, bekomme ich Panik. Nach 2 Tagen gebe ich dem Druck meines Mannes nach, mich mit dem Seelsorger der Feuerwehr zu treffen. Wozu? Denke ich mir? Ich habe doch schon drüber geredet! Mehrmals! Was soll das, das Ganze noch mal zu erzählen? Als der Seelsorger noch am gleichen Abend vor der Tür steht, erkenne ich ihn als den wieder, der mir die Nachricht vom Tod der Frau überbrachte. Über 2 Stunden redeten wir. Und es tat wider Erwarten gut! Ich musste nicht darüber nachdenken WIE ich es ausdrücke, oder ob ich meinen Gegenüber durch zu direkte Wortwahl erschrecken würde. Danach fühle ich mich deutlich besser. 3 Monate sind seitdem vergangen. Die Bilder wurden nach und nach weniger. Dann schrieb ich alles noch mal auf und fühlte mich danach wie kurz nach dem Unfall. Aber schon am nächsten Morgen fühlte ich mich nochmals besser. Vergessen werde ich diesen Abend wohl nie. Und jeden Tag fahre ich mindestens 2 mal an der Unfallstelle vorbei. Manchmal halte ich an und zünde die Grabkerze am Kreuz neu an, wenn sie erloschen ist. Es war etwas, das ich nicht noch mal erleben möchte. Doch ich würde immer wieder so handeln. Und bin dankbar dafür, wie ich an der Unfallstelle von den Rettungskräften aufgefangen wurde. Doch das beklemmende Gefühl bei unvorsichtigen Fahrmanövern anderer und das mehrfache Kontrollieren des Anschnallgurtes aller Insassen vor Fahrtantritt wird wohl bleiben.
Posted on: Fri, 28 Jun 2013 06:24:03 +0000

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