Ich teile die Einschätzung von Ralf Füks überhaupt - TopicsExpress



          

Ich teile die Einschätzung von Ralf Füks überhaupt nicht. 1. Die veröffentlichten Zahlen bezüglich der Wählerwanderung sind m.E. mit Vorsicht zu genießen, denn das ist zum größten Teil Kaffeesatzleserei. Mag sein, dass die Prognose der Wahlergebnisse aufgrund der Modelle immer genauer wird (wobei auch hier schon die Gefahr besteht, dass die Umfragen das tatsächliche Ergebnis beeinflussen und somit zu „self-fulfilling prophecies“ werden), bei den Analysen von Wählerwanderungen und deren Ursachen sind die Ergebnisse der Meinungsforscher sehr viel ungenauer: Bei der Prognose von Ergebnissen von ca. einem Dutzend Parteien reichen zwei - bis dreitausend Befragungen mit Hilfe von Erfahrungen aus der Vergangenheit und statistischen Verfahren für eine Prognose vielleicht aus, da sich auch viele Fehler gegenseitig aufheben. Bei einer Analyse von Wählerwanderungen und Motiven ist eine Matrix mit mindestens hundert möglichen Pfaden sowie Tausenden von möglichen Motiven zu berücksichtigen – da ist es sofort einsehbar, dass die Befragung von ein paar Tausend Personen zu gewaltigen statistischen Ungenauigkeiten führen muss. 2. Die Macht der Meinungsforschungsinstitute bei der Erstellung von Wahlprognosen ist ohnehin schon immens und gleichzeitig fragwürdig. Sie können allein durch ihre Prognose Parteien nach oben jubeln oder als chancenlos abqualifizieren. Durch die sogenannte „Analyse“ der Wählerwanderungen und Motive liefern sie auch noch die entsprechenden Erklärungen hinzu und beeinflussen massiv die politische Diskussion. Dass beim statistischen Durchmischen aller Motive irgendwie herauskommt, alles müsse sich auf einen sagenhaften Mittelpunkt der Meinungen zubewegen, ist dabei nicht verwunderlich und vielleicht noch nicht einmal böse Absicht, sondern einfach der fragwürdigen Systematik geschuldet. 3. Nehmen wir einmal an, dass die hier dargestellten Wählerwanderungen trotzdem ungefähr richtig seien, so ist es trotzdem falsch, daraus die Behauptung abzuleiten, Wahlen würden „in der Mitte“ gewonnen. Dass es 2009 eine Wählerwanderung zugunsten der kleineren Parteien gab, ist wohl unbestritten und dadurch begründet, dass es doch einige WählerInnen gab, die mit der großen Koalition unzufrieden waren (und das ist zugegebenermaßen noch nicht einmal ein Widerspruch dazu, dass dies nach Analyse der Meinungsforscher immer die beliebteste Koalition ist). Dass es 2013 dann wieder eine gewisse Bewegung zurück zu den großen Parteien gab, war ja im Grunde genommen nur eine Normalisierung. Insofern ist das grüne Wahlergebnis im Vergleich zu 2009 nicht einmal so dramatisch schlecht (eher im Vergleich zu dem zwischenzeitlichen Höhenflug in den Prognosen(!) – teilweise bedingt durch Ereignisse wie Fukushima, teilweise in den Prognosen auch etwas überzeichnet, um sie danach umso deutlicher „abstürzen“ zu lassen (?)). 4. Dass die FDP auch an die Grünen verloren hat, lag sicher maßgeblich am miserablen Erscheinungsbild der FDP. Nachdem es diese Bewegung trotz des angeblich viel zu „linken“ Wahlkampfs der Grünen gab, kann sie meines Erachtens gerade kein Argument dafür sein, die Grünen müssten noch mehr in diese sagenhafte „Mitte“ rücken - eher im Gegenteil! 5. Der größte Witz an der Geschichte ist ja, dass immer alle fordern, man müsse mehr in die „Mitte“ rücken (was immer das sei), und gleichzeitig alle den profillosen Einheitsbrei der Parteien beklagen! Mag sein, dass Merkel jetzt mit ihrem Kurs der Beliebigkeit Erfolg hatte, aber soll man das wirklich kopieren? Wenn alle um einen imaginären Mittelpunkt der Meinungen herumbuhlen, worin sollen sie sich dann noch unterscheiden? 6. Da werden immer klare Antworten und Aussagen gefordert, aber in der veröffentlichten Meinung gleichzeitig die abgestraft, die sich klar äußern (von Lafontaine über Steinbrück bis Trittin). Trotzdem ist das meines Erachtens für uns Grüne der einzige Weg: Positionen wie Tempolimit, der sparsame Umgang mit Ressourcen, nachhaltige (und damit etwas teurere) Erzeugung von Lebensmitteln, usw., usw. sind vermutlich nicht auf die Schnelle in der „Mitte“ der Gesellschaft populär. Trotzdem müssen wir sie immer wieder auf die Tagesordnung setzen. In einem Wahlkampf, bei dem in den Medien das Thema Umwelt dieses Mal komplett ausgeklammert wurde, kostet das halt auch mal Stimmen – das kann bei den nächsten deutlich sichtbaren Umweltproblemen schon wieder anders aussehen. 7. Ich halte es trotzdem für richtig und notwendig, dass wir keine Einthemapartei sind und uns immer nur auf das Thema Umwelt reduzieren lassen. Es war daher aus meiner Sicht völlig richtig, das Thema Steuern auch aus sozialer Sicht zu besetzen und eine maßvolle stärkere Belastung der oberen 10 Prozent zum Thema zu machen. Leider wurde es immer wieder verzerrt dargestellt. 8. Bevor hier immer das Personal (natürlich der „Linke“ Trittin) und die angeblich zu linken Themen für das relativ schlechte Ergebnis verantwortlich gemacht werden, warum kommt niemand auf die Idee, diesen dämlichen Slogan „Und Du?“ mal in Frage zu stellen? Wenn ich mir überlege, dass vermutlich irgendeine Werbeagentur für diese mehr als schlechte Kampagne einen Haufen unserer Mitgliedsbeiträge und Spenden eingestrichen hat, kommt mir das kalte Grauen!
Posted on: Tue, 24 Sep 2013 19:02:58 +0000

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