Ikhtilaf und Tafriqa Auf Grund der Tatsache, dass in der Ummah - TopicsExpress



          

Ikhtilaf und Tafriqa Auf Grund der Tatsache, dass in der Ummah des Propheten Muhammad (s.a.s.) viele unterschiedliche Gruppierungen, Parteien und Madhahib (Mehrzahl von Madhab, Rechtsschule) vorhanden sind, führen manche Muslime innerislamische Debatten und Diskussionen, die überflüssig sind und nur zu Disharmonie und Feindschaft in der islamischen Gemeinschaft führen. Diesbezüglich beklagen sich einige Muslime über die Zerspaltung der Ummah und fordern eine absolut konvergente, homogene Struktur. Sie negieren jede Form von Meinungsunterschied in egal welcher islamischen Angelegenheit. Folglich müsse man sämtliche Rituale, wie z. B. das Gebet, identisch vollziehen und ein einheitliches Erscheinungsbild vorweisen, z. B. durch das Tragen eines Bartes oder einer Kleidung, die bis über den Fußknöchel reicht. Ihre Ansichten bekräftigen sie oftmals mit folgender Aya: Und haltet insgesamt an Allahs Seil fest und zerfallet nicht und gedenkt der Gnade Allahs gegen euch, da ihr Feinde waret und Er eure Herzen so zusammenschloss, dass ihr durch Seine Gnade Brüder wurdet; und da ihr am Rande einer Feuergrube waret und Er euch ihr entriss. So macht Allah euch Seine Zeichen klar, auf dass ihr würdet euch rechtleiten lassen (Surah Ali Imraan, Aya 103) Inwiefern gestattet der Islam Meinungsunterschiede? Sind Gruppen, Parteien und die Mitgliedschaft in einer Vereinigung islamrechtlich verboten? Zerstört der Meinungsunterschied nicht die islamische Einheit? Die korrekte Beantwortung dieser Fragen bedarf zunächst der Klärung von erforderlichen Definitionen. Denn häufig basiert das falsche Verständnis auf einem fehlerhaften Verständnis von Begrifflichkeiten. Zu diesem Zweck müssen wir die Begriffe Ikhtilaf und Tafriqa unter die Lupe nehmen: 1. Ikhtilaf (إختلاف) Linguistisch bedeutet Ikhtilaf Uneinigkeit, Ungleichheit, Unterschied und wird oftmals als das Befolgen einer Meinung in Wort und Tat bezeichnet, welche sich von einer anderen Meinung unterscheidet. Anders ausgedrückt ist Ikhtilaf der Meinungsunterschied zwischen Personen bezüglich desselben Themas. Im Qur‘an treten der Begriff Ikhtilaf und seine Ableitungen an vielen Stellen auf. Zumeist wird es im negativen Kontext benutzt, da es sich um Ikhtilaf in den Aqida-Angelegenheiten bzw. Überzeugungsfragen handelt: Und die Juden sagen: "Die Christen stützen sich auf nichts", und die Christen sagen: "Die Juden stützen sich auf nichts", wobei sie doch das Buch lesen. Genau so, wie sie reden, redeten diejenigen, die kein Wissen besitzen. Allah wird dann am Tag der Auferstehung zwischen ihnen über das richten, worüber sie gestritten haben (يَخۡتَلِفُونَ) (Sura Al-Baqarah, Aya 113) Den Begriff Ikhtilaf entdecken wir im Qur‘an auch in einem ganz anderen Kontext: Wahrlich, im Erschaffen der Himmel und der Erde und im Wechsel von Nacht und Tag (ٱلَّيۡلِ وَٱلنَّهَارِ وَٱخۡتِلَـٰفِ) und in den Schiffen, die im Meer fahren mit dem, was den Menschen nützt, und in dem, was Allah vom Himmel an Wasser herniedersandte und Er gab der Erde damit Leben, nachdem sie tot war und ließ auf ihr allerlei Getier sich ausbreiten - und im Wechsel der Winde und den dienstbaren Wolken zwischen Himmel und Erde, (in all dem) sind Zeichen für Leute, die begreifen (Sura Al-Baqarah, Aya 164) Allah (s.w.t.) verwendet an dieser Stelle den Begriff Ikhtilaf in Bezug auf die Schöpfung und die wechselseitigen Prozesse in der Natur (im Wechsel von Nacht und Tag). Allerdings wird in der islamischen Terminologie der Begriff Ikhtilaf fast ausschließlich für die Meinungsunterschiede in der islamischen Rechtswissenschaft benutzt. Der Ikhtilaf tritt erst dann auf, wenn unterschiedliche Rechtsgelehrte hinsichtlich einer identischen Fragestellung zu verschiedenen Schlüssen kommen. Jedoch ist vorauszusetzen, dass die Rechtsgelehrten ihren Meinungsunterschied in Anbetracht der islamischen Quellen begründen. Mit dem Tode des Propheten (s.a.s.) öffneten sich die Tore der Gesetzesableitungen (Idjtihad) in den Angelegenheiten, in denen die Quelltexte mehrere Schlussfolgerungen zulassen. Die Sahaba waren die Ersten, die Gesetze abgeleitet haben und somit zu Meinungsunterschieden in bestimmten islamischen Fragestellungen kamen. Den Meinungsunterschied zwischen den Sahaba begründet Sheikh Taqiuddin al-Nabhani in seinem Buch „Shakhsiyyat-ul-Islamiyyah Teil 1“ auf Seite 270 wie folgt: „Diese Meinungsunterschiede unter den Sahaba in den Zweigfragen gehen auf zwei Ursachen zurück: Erstens: Die meisten Texte aus Koran und Sunna sind in ihrer Bedeutung nicht definitiv, sondern präsumtiv. Sie können auf eine Bedeutung hinweisen und gleichzeitig auf eine andere, weil sich im Text ein multivalenter Begriff befinden kann, der zwei oder mehr Bedeutungen aufweist, oder ein allgemeingültiger Begriff, der eine Einschränkung zulässt. Jeder Mudjtahid unter ihnen verstand den Text so, wie es nach begleitenden Indizien bei ihm überwog. Zweitens: Die Sunna war damals noch nicht schriftlich festgehalten. Sie war noch nicht in Einheiten gesammelt und unter den Muslimen verbreitet worden, sodass sie für sie alle als Bezugsquelle fungieren könnte. Vielmehr wurde sie durch Tradition und Auswendiglernen übermittelt. Vielleicht erfuhr ein Mudjtahid in Ägypten etwas, das ein Mudjtahid in Damaskus nicht wusste. Oft geschah es, dass einer der Mudjtahidun unter den Sahaba von seiner Fatwa zurücktrat, wenn er von einem anderen eine Sunna erfuhr, die er vorher nicht kannte. Dies führte zu einer Meinungsunterschiedlichkeit in den Zweigfragen, die Rechtsbelege selbst und die Rechtsgrundlagen blieben davon aber unberührt. Somit war die Idjtihad-Methode der Sahaba bei allen dieselbe.“ Der Ijtihad dauerte auch nach der Epoche der Sahaba an, da sich immer neue Angelegenheiten ergaben, deren Regelung nicht explizit den Textaussagen entnommen werden konnte. Es liegt nun mal in der Realität des Lebens, dass sich ständig neue Situationen sowohl in individuellen als auch in gesellschaftlichen Belangen ergeben. Somit ist die Notwendigkeit des Idjtihad stets gegeben. Folglich wird es in der islamischen Rechtswissenschaft auch immer zu Ikhtilaf kommen, da der Idjtihad eines präsumtiven Themas von mehreren Mudjtahidun in der Regel zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Auch wenn es eine Vielfalt an Ergebnissen gibt, sind diese unterschiedlichen Resultate islamrechtlich zugelassen - selbst wenn sie in Wirklichkeit falsch sein sollten. Was nämlich zählt, ist die korrekte Art und Weise der Gesetzesableitung, also der korrekte Vollzug von Ijtihad. So berichten Al-Buhariy und Muslim von Amr Ibn Al As, dass er den Gesandten Allahs (s.a.s.) hörte, wie er sprach: „Wenn der Richter richtet, Idjtihad vollzieht und das Richtige trifft, so erhält er zwei Löhne. Wenn er richtet, Idjtihad vollzieht und das Falsche trifft, so erhält er einen Lohn.“ Letztendlich ist der Ikhtilaf in den nicht definitiven Bereichen des Islam legitim. Den Ikhtilaf in den definitiven Bereichen des Islam nennt man Tafriqa. Und diesen Begriff möchten wir als nächstes erläutern. 2. Tafriqa (تفرق) Tafriqa ist das fundamentale Trennen und Zerspalten von Dingen. In der islamischen Terminologie spricht man meistens dann von Tafriqa, wenn es zu einem Meinungsunterschied in den besiegelten Themen des Islam kommt. Aus diesem Meinungsunterschied resultiert die fundamentale Zerspaltung des Islam. Jener Muslim, welcher die fundamentalen Elemente des Islam gezielt antastet und diese aufgrund falscher Ansichten zerstört, löst sich von der islamischen Lebensordnung. Dahingehend darf ein Muslim beispielsweise keinen Meinungsunterschied bezüglich der Existenz von Al-Jannah, Al-Jahannam, der Engel oder Allah (s.w.t.) haben. Der Islam lässt den Meinungsunterschied bzw. die Interpretation in den eindeutig definierten Themen nicht zu. Im Qur‘an finden wir den Begriff Tafriqa und seine Abwandlungen an mehreren Stellen wieder, wo er auf das Verbot des Ikhtilafs bezüglich der Themen im Bereich des Definitiven hinweist. So sagt Allah (s.w.t.): Und seid nicht wie jene, die gespalten (تَفَرَّقُو) und uneins sind, nachdem die deutlichen Zeichen zu ihnen kamen; und jene erwartet eine schmerzliche Strafe (Sura Ali Imraan, Aya 105) Ferner wird die Trennung zwischen dem Glauben an Allah und dem Glauben an die Propheten als Tafriqa bezeichnet. So sagt Allah (s.w.t.): Wahrlich, diejenigen, die nicht an Allah und Seine Gesandten glauben und eine Trennung ( يُفَرِّقُو) zwischen Allah und Seinen Gesandten machen und sagen: "Wir glauben an die einen und verwerfen die anderen" und einen Zwischenweg einschlagen möchten, diese sind die Ungläubigen im wahren Sinne, und bereitet haben Wir den Ungläubigen eine schmähliche Strafe (Sura An-Nisaa´, Ayat 150-151) Die Juden haben an ihren Propheten geglaubt, jedoch verleugneten sie Isa (a.s.) und Muhammad (s.a.s.). Die Christen vergötterten Isa (a.s.) und verleugneten Muhammad (s.a.s.). Sie erkannten manche Propheten an während sie andere leugneten und wurden so aufgrund ihrer falschen Meinungen in fundamentalen Angelegenheiten des Din zu Kuffar. Die Muslime sind eine Gemeinschaft und die Kuffar sind eine Gemeinschaft. Einen Weg dazwischen gibt es nicht. Die Ideen eines Menschen bestimmen über seine Zugehörigkeit zu einer der beiden Gemeinschaften. Allah (s.w.t.) warnt uns vor Tafriqa und fordert das Befolgen seines geraden Weges: Und dies ist Mein gerader Weg. So folgt ihm; und folgt nicht den (verschiedenen) Wegen, damit sie euch nicht weitab von Seinem Weg führen (فَتَفَرَّقَ). Das ist es, was Er euch gebietet, auf dass ihr gottesfürchtig sein möget.“ (Sura Al-An’aam, Aya 153) Tafriqa ist im Islam definitiv verboten, da es zur Zerstörung der islamischen Einheit führt. So ist beispielsweise die falsche und in sich widersprüchliche Idee des „islamischen Nationalstaates“ das Ergebnis der Tafriqa. Auf Grund dieser fatalen Irrvorstellungen haben sich die Muslime in Nationen gespalten. Sie identifizieren sich nicht mehr in erster Linie mit dem Islam sondern mit der jeweiligen Nation, in die sie hineingeboren wurden bzw. deren Sprache sie sprechen. Deshalb besteht zwischen ihnen keine ideologische sondern lediglich eine nationalistische Bindung. Somit widerspricht ein Nationalstaat oder eine nationalistische Organisation der Natur des Islam. So sagt Allah (s.w.t.): Jene aber, die in ihren Glauben Spaltung trugen (فَرَّقُواْ) und Sektierer wurden, mit ihnen hast du nichts zu schaffen. Ihr Fall wird sicherlich vor Allah kommen, dann wird Er ihnen verkünden, was sie getan haben (Sura Al-An’aam, Aya 160) Sektiererei ist das Endprodukt der Tafriqa. Die Sekte ist eine Gemeinschaft, welche sich vom ursprünglichen Glauben grundlegend abgespalten hat. Jene Gruppen, die sich aber im Rahmen des Islam aufhalten, werden nicht zu den Sekten gezählt. Letztendlich wird klar, dass der Meinungsunterschied in den nicht definitiven Bereichen des Islam legitim und in den definitiven Bereichen des Islam verboten ist. Allah (s.w.t.) verlangt von den Muslimen keine Gemeinschaft, die in sämtlichen Bereichen des Lebens Homogenität aufweist. Er (s.w.t.) hat die Menschen mit unterschiedlichsten Attributen erschaffen, was zur Folge hat, dass die präsumtiven Texte des Islam auf unterschiedliche Art und Weise gedeutet werden und auch gedeutet werden dürfen, solange die Deutung nach den anerkannten Regeln der islamischen Rechtswissenschaften erfolgt. Um den Ikhtilaf vollkommen zu beseitigen, müsste der Mensch an sich vernichtet werden, denn solange es Menschen auf der Welt gibt, wird es auch Ikhtilaf unter ihnen geben. Somit ist die Vorstellung von einer einheitlichen Menschenmasse illusorisch. Die absolutistische Haltung, eine homogene Masse schaffen zu wollen, führt zu innerislamischen Konflikten, welche die Kuffar nur all zu gern ausnutzen. Das Vorhandensein von Gruppen, Parteien oder anderer Zusammenschlüsse ist erlaubt, solange sie der islamischen Ideologie nicht widersprechen. Die korrekte Vorgehensweise der Gruppen zerspaltet keinesfalls die islamische Einheit, da sie durch die islamische Aqida miteinander vernetzt sind. Darüber hinaus ist die Existenz mindestens einer islamischen Gruppe verpflichtend: Und aus euch soll eine Gemeinde werden, die zum Guten aufruft, das Rechte gebietet und das Unrecht verbietet; und diese sind die Erfolgreichen (Sura Ali Imraan, Aya 104) Jedoch untersagt der Islam jede Vereinigung, welche der islamischen Ideologie widerspricht. Demnach sind nationalistische, patriarchalische, kapitalistische oder kommunistische Vereinigungen unzulässig. Auch untersagt der Islam Zusammenschlüsse, die unter dem Deckmantel des Islam außerislamische Ideen vertreten. Derartige Gruppierungen spalten sich von der islamischen Einheit ab und werden nicht zu den islamischen Vereinigungen gezählt. Nun wird auch die oben aufgeführte Aya in einem ganz anderen Lichte deutlich, auf die sich die Absolutisten beziehen: Und haltet insgesamt an Allahs Seil fest und zerfallet nicht (تَفَرَّقُو) … Hier geht es nicht um die innerislamische Gruppenbildung, sondern um die außerislamische Zersplitterung (Tafriqa). Die Gläubigen sind ja Brüder. So stiftet Frieden zwischen euren Brüdern und fürchtet Allah, auf dass euch Barmherzigkeit erwiesen werde (Sura Al-Hujuraat, Aya 10)
Posted on: Mon, 16 Sep 2013 05:29:46 +0000

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