Psychotherapie und Spiritualität von Claus Kostka - TopicsExpress



          

Psychotherapie und Spiritualität von Claus Kostka tl_files/2012Q1/Artikelbilder/Art_14.png tl_files/2012Q1/Artikelbilder/Art_13.png Chartres Labyrinth Psychotherapie In den Ursprüngen der Psychotherapie war niemals die Rede von Spiritualität. Der Versuch wurde unternommen, die “Wissenschaft von der Psyche“ zu etablieren und alle anderen “nicht-wissenschaftlichen“ Einflüsse auszuschließen. Ähnlich ist es in großen Bereichen der heutigen, von den Kassen bezuschussten oder ganz bezahlten Therapien. Es zählt die Wissenschaftlichkeit, die Nachweisbarkeit, die Nachhaltigkeit. Ich bin kein Feind von Erhebungen zur Nachweisbarkeit des Nutzens von Therapie. Ich finde es nur fragwürdig, wenn ganze Therapierichtungen schlichtweg abgelehnt werden, da sie nicht “seriös“ wären weil keine Langzeitstudien vorliegen. Oftmals werden auch Heilungserfolge in nicht-etablierten Therapien in den Bereich der “Einbildung“ verwiesen, was nicht akzeptabel ist. Ein Bild von Dr. Henning v.d. Osten beschreibt das Dilemma der Psychotherapie sehr schön: Die herkömmliche Therapie beschäftigt sich mit den ziehenden Wolken des Himmels, nimmt sie sehr ernst und lässt nur sie gelten. Vergessen wird dabei jedoch, dass der Himmel dahinter ewig strahlend blau ist und sonnig. Es ist also so, als ob ein Teil unseres Wesens in der inneren Arbeit ausgeschlossen wird und nur der Sorgen/Wolken/Dunkelheit - Teil Existenz bekommt. Wenn ein Mensch zur Therapie kommt, ist das erst einmal ein zeitlich beschränkter “Vertrag“: ich habe etwas in meinem Leben, das nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, daran will ich arbeiten, so dass es sich verändert. Ich suche mir entsprechend meiner Informationen und Vorlieben eine entsprechende Methode aus, z.B. körperorientiert, tiefenpsychologisch, analytisch, systemisch, usw. Oft ist es auch so, dass ich den Therapeuten mag und deshalb seine Art zu arbeiten favorisiere. Da in der Therapie der Satz gilt “Beziehung heilt“, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Zuerst bauen die beiden, Therapeut und Klient ein Vertrauensverhältnis auf. Das ist wie das Fundament eines Hauses legen: Kann ich dem Therapeuten vertrauen? Ist er kompetent? Sieht er mich wirklich oder nur seine Ideen über mich? Kann er mich halten, wenn ich in die Tiefen meines Schmerzes, meiner Wut, meiner Angst hinabsteige und kann er mir dann helfen, wieder ins Licht zu finden? Wenn diese Basis gelegt ist geht es tiefer und tiefer, bis die Bereiche des persönlichen Seins erreicht sind, die der Heilung bedürfen. Nachdem die Heilung dort stattgefunden hat, lässt man in der Regel die Arbeit langsam ausklingen und verabschiedet sich in gegenseitiger Wertschätzung. Dieser Prozess kann zwischen einigen Monaten und Jahren dauern, je nachdem, wie tief die zu heilenden Wunden sind. In dieser Zeit lernt der Klient, sich tief auf eine zeitlich beschränkte Beziehung mit seinem Therapeuten einzulassen, ihm wird ein Schutzraum geboten, in dem er sich erleben kann in allen möglichen, vielleicht bis dahin nicht gewagten Gefühlen, er darf seine Verletzlichkeit spüren und u.U. zum ersten mal die Erfahrung machen, dass ihm wirklich zugehört und er angenommen wird. Es ist, als würde ich Stück für Stück “meine Seele freischaufeln“, freischaufeln von dem Zeugs, welches sich jahrzehntelang aufgehäuft hat und mir die Luft zum Atmen nimmt, mich nicht mehr vertrauen lässt auf mich selbst, mir ständig signalisiert, dass ich “es nicht kann“, mich sabotiert. Im Gegenzug wird es möglich, herauszufinden, was ich eigentlich will in diesem Leben, was meine Vision ist und wie ich sie erreichen kann, was meine Ressourcen sind und meine Kraft; ich spüre und erlerne Mitgefühl, darf beginnen zu blühen, darf so sein, “wie Gott mich gemeint hat“ (Dostojewski). Wenn dann mein Ziel oder meine Ziele erreicht sind, lebe ich weiter bis ich evtl. wieder an einen Punkt komme, an dem ich Unterstützung brauche auf meinem Weg. Ich möchte das klar verstanden wissen: daran ist nichts Schlimmes, nichts Ehrenrühriges. Es ist eine komische Idee, dass wir in unserem Leben schon irgendwie alleine klarkommen sollten und dass es als ein Zeichen von Schwäche gilt, sich Unterstützung und Hilfe zu holen (nach dem Motto “Oh jeh, ich brauche einen Psycho, sonst komm ich nicht klar...“). Wir sind zutiefst soziale Wesen (siehe dazu auch die Publikationen von Joachim Bauer) und als solche finden wir Erfüllung in der Unterstützung des Du und im Bekenntnis der Bedürftigkeit. Dass das immer weniger “populär“ ist trägt sicherlich viel dazu bei, dass es in unserer Welt immer mehr Vereinzelung und Einsamkeit gibt (und: Vereinzelte und Einsame sind leichter zu lenken als gesunde, verbundene Organismen aus vielen Teilen). Spiritualität In der spirituellen Arbeit geht es um anderes. Es geht nicht notwendigerweise darum, das persönliche Leiden zu lindern oder gar abzuschaffen, es geht darum, es zu transzendieren. Was das bedeutet? Nun ich verstehe das so, dass ich meinem Leiden niemals wirklich entgehen kann (Buddha: Alles Leben ist Leiden), aber dass ich lernen kann, meinen Fokus auf anderes, wichtigeres zu richten. Ich benutze also meine Energie nicht dazu, mich in erster Linie zu heilen, sondern dazu, anderen zu helfen und für sie da zu sein (und bitte vorsichtig hier: Ich spreche nicht über “Märtyrer“, über Menschen die alles Mögliche für alle möglichen anderen tun und sich dabei vergessen und desillusioniert und gramgebeugt durchs Leben schleichen). Es handelt sich um einen völlig anderen Kontext, aus dem heraus wir leben können. Es ist weniger der Kontext, “alles ist möglich!“, es ist eher der Kontext “was ist möglich?“, weniger “mein Wille geschehe!“ als “dein Wille geschehe!“, weniger “was kann ich für mich haben?“ sondern eher “was kann ich zur Heilung der Welt beitragen?“ Tiefe Spiritualität wird immer pflegen, erhalten und aufbauen und nie zerstören oder zerstückeln, sie wird immer als alles verbindende Kraft die Liebe sehen und nicht den persönlichen Vorteil und sie wird dich bewegen, alles was zu dir kommt als Lernschritt, als Herausforderung zu sehen und nicht als Verdammnis oder das Ende aller Tage. Einer der es wissen muss, sagte mir einmal: “Bevor du beginnst spirituelle Arbeit zu tun, bist du nur für dich persönlich verantwortlich. Wenn du jedoch auf diesen Zug aufsteigst, wirst du schnell merken, dass du für alles verantwortlich bist, was auf der Welt geschieht, sogar wenn es tausende von Kilometern weit weg geschieht“. Das war eine Information, von der ich damals nicht so genau wusste, ob ich sie haben wollte... Gurdjieff, ein spiritueller Lehrer in den 30 Jahren des letzten Jahrhunderts hatte die interessante Idee, dass Menschen mit einer vergleichsweise kleinen Seele geboren werden und erst im Laufe ihres Lebens durch das, was sie tun (oder auch nicht tun) ihre Seele zum Wachsen und Blühen bringen so dass, wenn sie dann eines Tages wieder die Erde verlassen, etwas Größeres und Schöneres bleibt als zuvor. Das ist eine Idee, die mich sehr anspricht. Sie betont die Notwendigkeit, etwas zu tun und an sich zu arbeiten während wir hier sind anstatt sich einfach treiben zu lassen und rein nach dem Lustprinzip zu verfahren. Spirituelle Arbeit ist eine lebenslange, freiwillige Verpflichtung für mein persönliches Wachstum und das Wachstum aller Menschen oder sogar aller fühlenden Wesen. Es ist die Akzeptanz des Widerspruchs gleichzeitig einzigartig und dennoch bedeutungslos zu sein wie ein Tropfen im Ozean. Es ist die Erkenntnis, dass der beste Weg, Gott zum Lachen zu bringen darin besteht, ihm deine Pläne zu erzählen, und es ist vor allem auch Verantwortung. Berührungspunkte Und hier genau ist ein wesentlicher Berührungspunkt zwischen Psychotherapie und Spiritualität: Wer sich in eine gute Psychotherapie begibt, beginnt für sich Verantwortung zu übernehmen. Und er wird im Laufe seiner Therapie auch lernen, dass er nur so frei und geliebt sein kann, wie er Freiheit und Liebe nach außen setzt. Er wird verstehen, dass es Dinge gibt in seinem Leben, die er nicht ändern kann. Er kann nur lernen, mit ihnen so umzugehen, dass er sie in sein Leben freundlich und gewährend einbaut und sie akzeptiert. Auf dem spirituellen Weg, der für manche auch die Hingabe an eine bestimmte Tradition oder an einen bestimmten Meister beinhaltet, kann Psychotherapie sehr hilfreich sein, da sie zur persönlichen Klärung beiträgt und hilft viele der Hindernisse beiseite zu schaffen, die sonst der spirituellen Arbeit im Weg stehen. Eine “ganz normale Spiritualität“, eine die nicht ausschließt oder herabsieht auf andere, “weniger entwickelte Seelen“, eine die den Kontext gibt für persönliche Entwicklung, kann nur eine Spiritualität sein, die der Maxime folgt, dass “Gott nicht im Himmel wohnt“. Solange wir noch (un-)bewusst einen Menschen ausschließen in Bezug auf unsere Liebe, unsere Freundlichkeit, Großzügigkeit und unser Mitgefühl - es ist einfacher seine Freunde freundlich, seine Kinder großzügig und einen schmerzgeplagten Partner/in mitfühlend zu behandeln als einen Obdachlosen oder einen Menschen, den man unangenehm findet - ist noch einiges zu tun, um diese Welt zu einem Platz zu machen, der für jeden funktioniert, ohne jemanden auszulassen. Spiritualität kann dann Eingang in die Therapie finden, wenn der Therapeut selbst entweder eine spirituelle Praxis hat (und sich sehr hütet, das in irgend einer Weise indoktrinierend einfließen zu lassen) oder wenn der Therapeut durch die Erfahrungen seines eigenen Lebensweges eine tiefe Liebeskraft und eine echte Weisheit des Herzens entwickelt hat, die ihm erlaubt, den Weg des Klienten wertschätzend und unterstützend zu begleiten und ihn am richtigen Punkt gehen zu lassen. Der Therapeut mit dem entsprechenden Hintergrund wird immer verstehen, dass er sein Bestes geben kann (und muss) und trotzdem das Schicksal und der Lebensweg des Klienten nicht “in seiner Hand“ liegt, sondern “in größeren Händen“. Und deshalb sollte eine gute Psychotherapie immer einen spirituellen Kontext haben. Zuletzt noch eine kleine Geschichte: Ein Rabbi hält einen kleinen Jungen auf der Strasse auf und sagt zu ihm “Wenn Du mir sagst, wo Gott lebt, gebe ich Dir einen Groschen“. Der Junge überlegt ein Weilchen und antwortet dann “Und ich gebe ich Dir zwei Groschen, wenn Du mir sagst, wo er nicht lebt.“ lavida-magazin.de/index.php/archiv/articles/artikel-psychotherapie.html
Posted on: Sat, 31 Aug 2013 20:20:00 +0000

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