SWR2 extra: Deutschlandreise | Sprachkurs Wunderbar Von - TopicsExpress



          

SWR2 extra: Deutschlandreise | Sprachkurs Wunderbar Von Suleman Taufiq Mein allererstes deutsches Wort war wunderbar. Ich hatte es in der Altstadt von Damaskus gehört, wo ich aufwuchs. Ich kann mich daran erinnern, es war im April, als ich neben einem jungen deutschen Touristenpaar an einem Imbiss stand, das frisch gepressten Granatapfelsaft trank. Ich hörte, wie der Mann sagte: Wunderbar, ja wunderbar. Das Wort klang angenehm in meinen Ohren, von irgendwoher kannte ich es, aber ich wusste noch nicht, dass es ein deutsches Wort war. Unser Nachbar Salim hörte nur europäische Chansons. Es gab eine Platte, die er oft auflegte. Am Anfang singt eine Frau Wunderbar, wunderbar! und dieses Wort wiederholte sich im Laufe des Lieds immer wieder. Das Lied war auf Englisch, und ich dachte Wunderbar sei der Name einer Bar. Das Wort klang weich und elegant und ließ sich leicht behalten. In meinem Innern klang es nach, und oft sang ich die Strophe so vor mich hin, ohne zu wissen, was sie bedeutete. Es war mir ein Vergnügen, dieses Wort zu singen. Wunderbar, wunderbar. Ich ließ mir von den beiden Touristen auf Englisch das Wort erklären. Ich konnte etwa so viel verstehen, dass es nett, sehr gut, herrlich bedeutete. Erst viel später erfuhr ich, dass die wunderbare Zarah Leander den Klang dieses Wortes in ihren berühmten Liedern eingesetzt hatte. Als ich später nach Deutschland kam, ging ich zum Goethe-Institut in Berlin, um Deutsch zu lernen. Das Wort wunderbar war für mich ein Sinnbild für Deutschland. Ich wollte die neue Sprache natürlich gründlich lernen, allerdings stellten sich die Nomen mit ihren Artikeln - der, die, das - als echtes Problem dar. Da waren mir die Adjektive und vor allem die Adverbien doch lieber. Und so kam meine Liebe zu meinem magischen wunderbar wieder zu Ehren und entschädigte mich mit seiner simplen unkomplizierten Schönheit. Eine junge Referentin bearbeitete damals meine Papiere. Sie war sehr freundlich und hilfsbereit und besorgte mir ein Zimmer im Studentenwohnheim. Ich wollte ihr auf Deutsch etwas Schönes sagen. Das einzige Wort, was mir zur Verfügung stand, war wunderbar. Zum Schluss sagte ich zu ihr: Du wunderbar! Plötzlich war sie still, schaute mich irritiert und mit rotem Gesicht an. Ich war verwirrt und schämte mich ein wenig. Was hatte ich nur gemacht? Dann lachte sie laut und wandte sich dem nächsten Studenten zu. Ich nahm meine Papiere und ging. Später wen ich ihr im Flur begegnete, lächelte sie mich freundlich an und sagte: Alles wunderbar? Ich lachte und sagte: Sie sind wunderbar.
Posted on: Sun, 10 Nov 2013 17:52:44 +0000

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