Sangpauleh Ich gehe hinter der alten Gegengerade des - TopicsExpress



          

Sangpauleh Ich gehe hinter der alten Gegengerade des Millerntorstadions auf und ab. Wie ein unruhiges, viel zu hungriges Raubtier. Es ist April 2012. Diese urige, alte, kultige, ursprüngliche Gegengerade mit dem Rücken zum Heiliggeistfeld lebt und bebt jetzt gerade ihre letzten Tage, bevor sie in der Saisonpause gegen eine zwar größere aber schnöde Fertigbauteiltribüne vom MSV Hellmich ausgewechselt wird.… Und ich bin dabei. Während des vorletzten Heimspiels des FC St. Pauli in dieser Saison. Diesmal gegen deren Nr.1 Hassgegner: Hansa! Aus Rostock. Pauli gegen Hansa, Sondereinsätze der Bullen. Extrem aggressive Stimmung. Schließlich ist das nicht nur ein Lokalderby, mit den regionaltypischen Auswüchsen, sondern hier geht es auch um verschiedenste gesellschaftspolitische Ideale. Es ist ausverkauft, wie fast immer, ich habe regulär natürlich keine Karte mehr bekommen. Aber ein guter Kumpel, den ich hier schnell auf’m Kiez kennen gelernt habe, Joe ein echter Paulianer, Mitglied, mit festem Stammstehplatz auf der Gegengerade, hat mir dann doch eine Karte besorgt, für Omme. Na ja, hat sich so nebenbei damit in mein Schalker Herz katapultiert. Sein Verein sowieso schon vorher. Nun, ich wollte als Schalker ja sowieso „nur“ mal so gucken hier auf Sangpauleh… Extrem angespannte hektische Stimmung. Hansa! Kein wirklich toller und berauschender Verein. Ich mag Hansa auch nicht. Wir Schalker mögen sie nicht. Haben sie doch mal unseren Asa mit Affenlaute beleidigt. Genau der Asa, der meine Paulianer Freunde, Ihnen letzte Saison mit seinem Auswärtstor gegen den anderen komischen Verein aus Hamburg, na ja dem HSV, ihnen einen unvergesslichen Auswärtssieg, bei deren ihrem Lokalrivalen beschert hat. Viele, viele, kleine, versteckte, gehässige und pure 0:1 Graffitis in Hamburg zeugen davon. Dank Asa. St.Pauli ist am Ende dennoch abgestiegen. Ich wohne erst seit ein paar Wochen in Hamburg, bin freiwillig hier her gezogen, auch beruflich hatte es gepasst. Ob ich das mal bereuen werde? Im Moment nicht. Später schon. Im Moment bekomme ich Gänsehaut. Nicht zum ersten Mal schwirre ich bei einem Pflichtspiel der Braunweißen um deren Stadion herum. Aber diesmal hat mir Joe eine Karte besorgt, diesmal komme ich auch rein! Geile Stimmung überall. Geile Typen überall. Wirklich interessante Typen hier rund ums Stadion, sehr angenehme Fußballjunkies. Mich überkommt es irgendwie. Mein Fußballjunkieherz pocht laut in meiner königsblauen Brust. Ich! Ein Schalker! Was mache ich hier? Und wieso diese Hühnerfellemotionen auf meiner Schalker Haut? Bei einem gewöhnlichen Zweitligaspiel mit gerade mal 20.000 Zuschauer! Welchem Fußballgeist bist du nun wieder auf der Spur, Volker? frage ich mich. Dann der Einlauf der Mannschaft. Riesengeile Stimmung. Die spielen immer irgendeinen Scheiß von AC/DC wennse einlaufen. Wir spielen immer irgendeinen Scheiß von Stätuss Kwo wennwa einlaufen. Mir geht einer ab. Was ist mit mir los? Bin ich nicht Härteres gewohnt? Bin ich nicht mehr Masse gewohnt? Bin ich nicht mehr Leidenschaft gewohnt? Bin ich nicht mehr Dreck gewohnt? Als Sangpauleh? Okay, meinen Schalker Segen habt ihr! Okay, ihr seid geil. Okay, auch Kult. Aber tut bitte nicht so, als wenn ihr gerne verliert. Von wegen ganz unten ist ganz oben. Den Scheiß könnt ihr einem Schalker nicht erzählen! Bewegt eure versifften, pickeligen Reeperbahnärsche endlich in die erste Klasse des Fußballs hierzulande, da wo ihr hingehört. Das Spiel endet mit einem glatten und hochverdienten 3:0 für Pauli. Das Wochenende ist gerettet. Der FC St. Pauli steigt am Ende der Saison nicht auf und nicht ab und verbleibt in der Zweiten Bundesliga! Volker Netzer 2012-2013
Posted on: Thu, 04 Jul 2013 09:50:12 +0000

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