frommann-holzboog widmet der SKA im neuesten Verlagskatalog ein - TopicsExpress



          

frommann-holzboog widmet der SKA im neuesten Verlagskatalog ein Editorial Das Phänomen Rudolf Steiner Rudolf Joseph Lorenz Steiner (1861–1925) ist ohne Zweifel eine der schillerndsten und umstrittensten Gestalten innerhalb des modernen Geisteslebens. Von den einen als scharfsinniger Philosoph, hellsichtiger Visionär und geistiger Architekt einer künftigen Kulturstufe der Menschheit verstanden, wird Steiner auf der anderen Seite oft als dilettantischer Eklektiker und opportunistischer Scharlatan, gar als Rassist, Antisemit und Ewiggestriger charakterisiert, der sich und seinen unkritischen Anhängern den Übergang in die Moderne verstellt und in seiner Anthroposophie eine zweifelhafte Ersatzreligion geschaffen habe. Während aber die anthroposophische Weltanschauung, in der Steiner nach einer Synthese von mystisch-meditativer Erfahrung, wissenschaftlicher Erkenntnismethode und künstlerischem Ausdruck suchte, bis heute vielen suspekt, manchem gar gefährlich erscheint, haben die lebenspraktischen Früchte dieses Denkansatzes in Bereichen wie Pädagogik, Medizin, Ökologie und Kunst breite gesellschaftliche Akzeptanz erfahren und globale Wirkung entfaltet. Diese frappierende Diskrepanz lädt dazu ein, die grundlegenden Texte der anthroposophischen Weltanschauung neu anzuschauen und daraufhin zu überprüfen, ob hier wirklich eine reaktionäre und in sich widersprüchliche Weltanschauung derart fruchtbare gesellschaftliche Wirkungen zeitigen konnte, oder ob der bisherige akademische Diskurs vielleicht am Kern dessen vorbeigegangen ist, was in diesen Texten tatsächlich vorliegt. Die kritische Auseinandersetzung mit den anthroposophischen Texten wurde bisher dadurch erschwert, dass die vorhandenen Ausgaben in der Regel nur den Text der Ausgabe letzter Hand liefern und das steinersche Werk somit aus der notwendigerweise befangenen Perspektive des gereiften Steiner präsentieren, der die früheren Phasen seiner intellektuellen Entwicklung im Licht seines Spätwerkes auslegt. Dabei werden die mannigfachen Wandlungen, Metamorphosen und Widersprüche seiner Entwicklung, wie sie sich nicht nur in der Abfolge der einzelnen Schriften, sondern auch in zahlreichen Bearbeitungen und Neuauflagen seiner Grundlagentexte zeigen, geglättet oder gar völlig ausgeblendet. In der nunmehr bei frommann-holzboog in Kooperation mit dem Rudolf Steiner Verlag herauskommenden Kritischen Ausgabe (SKA) wird diese Textentwicklung der anthroposophischen Grundlagentexte zum ersten Mal in einem kritischen Apparat vollständig erfasst und kommentiert. Damit steht der Forschung ein geeignetes Instrument zur Verfügung, die intellektuelle Entwicklung Steiners vom Philosophen und Goetheforscher zum Theosophen und schließlich zum Anthroposophen in intimer Weise nachzuvollziehen und ihm bei der Ausarbeitung seiner Weltanschauung gewissermaßen über die Schulter zu schauen. Dem mittels der SKA möglichen genetisch-morphologischen Blick auf die intellektuelle Entwicklung Steiners eröffnen sich neue Sicht weisen auf klassische Streitpunkte innerhalb der Anthroposo phie debatte, etwa um die Wissenschaftlichkeit, die innere Einheit, die »Christlichkeit« oder die Originalität des steinerschen Denkens. Aber auch ganz neue Perspektiven und Fragen erschließen sich. So zeigt die textkritische Untersuchung der Schriften von 1901 und 1902 (um nur ein Beispiel aus dem im August erschienenen Band 5 zu nennen), dass Steiner in diesen Texten – nach der erkenntnistheoretischen Grundlegung seiner Weltanschauung in den Frühschriften – um die Jahrhundertwende eine zweite und mehr bewusstseinsphilosophisch angelegte Begründung anthroposophischen Denkens entwickelt hat, die in ihrer Eigenständigkeit und Bedeutung von der Anthroposophieforschung bisher kaum erkannt worden ist. So wird ein ganz neues Licht auf die Bedeutung des deutschen Idealismus für das steinersche Denken geworfen und die Frage nach seiner Relevanz für die Geistesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts neu gestellt. Eine erste Folge der SKA (Bände 1-8) wird alle zentralen Schriften Steiners bis 1910 enthalten und somit die Entwicklung der Anthroposophie von den Anfängen Steiners bis hin zur ersten systematischen Gesamtdarstellung anthroposophischer Geisteswissenschaft in der ›Geheimwissenschaft im Umriss‹ dokumentieren. Eine spätere Erweiterung zu einer vollständigen Ausgabe aller Monografien und eine zweite Abteilung mit einem erweiterten historisch-kritischen Kommentar sind vorgesehen.
Posted on: Fri, 06 Sep 2013 19:53:01 +0000

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