Apropos leitbild_kultur.bl... Die erste Resonanz zur Publikation - TopicsExpress



          

Apropos leitbild_kultur.bl... Die erste Resonanz zur Publikation des leitbild_kultur.bl ist sehr unterschiedlich ausgefallen, sowohl in den Medien als auch in Zuschriften aller Art. Es macht Sinn, die Debatte sukzessive loszueisen oder weiterzuführen, auch wenn gewisse Kreise die Ansicht vertreten, die Publikation auf den 20.6.2013 sei wissentlich wenn nicht gar vorsätzlich so terminiert worden, damit eine Debatte verhindert werden kann... Kommentar überflüssig! Fortsetzung folgt. Zu Wort kommt heute Joachim Lux - Intendant des Thalia Theaters in Hamburg und Mitglied der aktuellen Findungskommission für die Direktion des Theaters Basel - mit einem mehr als passenden aber auch pointierten kulturpolitischen Votum. Sein hier minimal gekürzt abgedruckter Text ist im Umfeld einer kulturpolitischen Standortbestimmung in Hamburg erschienen (2011). Vieles mag auf die örtlichen und norddeutschen Verhältnisse in Hamburg hin formuliert sein. Vieles hat aber auch für das Baselbiet und diese Region ihre Richtigkeit und durchaus erstaunliche Aktualität. Manches mag streitbar sein. Warum nicht? "Kultur ist überflüssig!" von Joachim Lux Schon wieder soll man sich über den Stellenwert der Kultur in Hamburg äußern. Als Kulturschaffender. Das ist – nach all den Debatten, die eine profunde Müdigkeit in den Knochen hinterlassen – so, als fordere man die Politiker auf, in knappen Statements etwas zum Stellenwert der Politik zu sagen. Was soll dabei schon herauskommen? (...) Ähnlich ist es mit der Kultur: Sie bedarf – im Ernst – gar keiner Begründung. Wer sie stets und ständig einfordert, hat nur ein Ziel, nämlich sie in die Defensive zu treiben. In der Defensive aber sind in Wahrheit die anderen, diejenigen nämlich, die sie permanent infrage stellen. Kultur hat eine anthropologische Qualität von Anfang an, seit Jahrtausenden, gehört zum Menschen dazu. FERTIG.ENDE.AUS. Man muss nicht begründen, dass man aus einem Stück Holz Töne lockt, dass Menschen in Höhlen ihre Wirklichkeit malen, dass sie im Spiel ihre Erfahrungen nachbilden, dass sie Skulpturen schaffen. Man muss auch nicht begründen, dass man zum Essen eine weiße Tischdecke auflegt anstatt am Boden mit den Fingern zu essen. Denn all dies ist der Luxus, der den Menschen erst zum Menschen macht. Wir müssen aus dieser Logik der Defensive raus, uns ihr verweigern. (...) Ich mag nicht mehr sagen, dass Kultur eine hohe Umwegrentabilität hat, dass sie zum sozialen Frieden beiträgt, dass sie eine Agora der Stadt ist, dass sie die Schulung der Wahrnehmung fördert, dass der Besuch einer „Faust“-Aufführung aus einem mittelmäßigen Computerfachmann einen besseren macht, dass das Diskursive von Kultur ein Beitrag zur Zukunft unseres Landes ist, dass wir alle an einer zunehmend interkulturellen Gesellschaft arbeiten müssen, dass ein ästhetischer Schock ein ungeheurer Bewusstseinsschub sein kann, dass eine Komplexität von ästhetischen Erzeugnissen in der Stadt einen Standortvorteil für die Eliten bildet, dass der Künstler als Störenfried seit Jahrtausenden eine unglaublich wichtige Funktion hat, dass die Bühnensprache nahezu grundsätzlich Widerstand gegen die Verrohung von Sprache und Bewusstsein ist, dass letztendlich Kultur nichts anderes ist als der Protest gegen die Sterblichkeit, weil der Mensch das einzige Lebewesen ist, das weiß, dass es stirbt und dagegen mit Musik, Geschichten, Mythen, Bildern kämpft – das alles und vieles mehr mag man einfach nicht mehr sagen, denn es ist nur „stating the obvious“, aber darum nicht falsch. Wir müssen die Logik der Politik bzw. einer nur an Funktionen orientierten Denkweise unterbrechen und umdrehen. Denn hier geht es nur um eins: um die Folterinstrumente der Ökonomie und um sonst gar nichts. Der Mensch wird da Mensch, wo er sich vom „homo faber“ zum „homo ludens“ entwickelt, wo er nicht allen Zwecken und Funktionen unterordnet. Das ist ein Gedanke, der in einer protestantischen Stadt durchaus Sprengkraft haben könnte. Natürlich können wir alles curricularisieren, auch den Stadtpark als Rekreationsort für den arbeitenden Menschen, als sozialen Wert, als Lunge der Stadt gegen den CO2-Austausch, das Gleiche gilt für die Kultur – und doch ist dieses Denken letztlich erbärmlich und der wahre Protest besteht darin, diese Logik zu verweigern. Kultur ist vollkommen überflüssig – ebenso wie weiße Tischdecken, Stadtparks oder Gitarrenkurse - und deswegen absolut unabdingbar. Nicht nur unabdingbar, sondern Pflichtfach der Politik, mit hohem Förderungsbedarf. Es ist schlicht und ergreifend peinlich, wenn man Brahms, Hölderlin, Gerhard Richter, Shakespeare, Picasso oder Mozart extra begründen muss – mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Bei den Klassikern stimmen vermutlich noch die meisten zu, aber den kleinen gedanklichen Schritt, dass die Kunst der Gegenwart – und zu ihr gehören die jungen Theaterregisseure genauso wie die Subkultur oder die Avantgarde in allen Sparten – der Beitrag der Gegenwart für die Zukunft ist, die auf unsere Gegenwart als hier und da klassisch gewordene Vergangenheit zurückblickt, ist offenbar zuviel verlangt. Und noch etwas: Es ist durchaus möglich, dass eine Ausstellung, ein Konzert, eine Theateraufführung nicht ankommt, ein Flop ist, keine Einnahmen generiert und trotzdem von großer Bedeutung ist, Wesentliches hervorbringt – man denke an Schubert oder Van Gogh und viele, viele andere. Die Gesetze der Ökonomie und der Quote bestimmen nicht immer, was gut ist und was nicht. (Das bedeutet freilich nicht, dass alles, was leer ist, gut ist.) Und zum Schluss: Natürlich stimmen alle dem hier Formulierten zu, auch die Politik, sie würde sehr gern fördern, aber die Staatskasse ist leer. Nein, nein, nein – in Wahrheit werden die Entscheidungen qualitativ entschieden, zugunsten von und zuungunsten von. Hier ist Haltung unterwegs und nicht Kollege Sachzwang. (...) Beitrag für das Buch zur Veranstaltung: Stadt ist Kultur, November 2011
Posted on: Fri, 28 Jun 2013 08:23:08 +0000

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