Beyond - Two Souls wird von vielen als Meilenstein gefeiert. Der - TopicsExpress



          

Beyond - Two Souls wird von vielen als Meilenstein gefeiert. Der interaktive Hochglanz-Thriller um ein Mädchen mit übersinnlichen Kräften soll die Welt der Videospiele revolutionieren, aber ist das gelungen? Wir haben zwei Autoren um ihre Meinung gebeten. Einer ist enttäuscht - der andere begeistert. Warnung an Leser, die Beyond - Two Souls noch spielen wollen: Die folgenden Texte enthalten kleinere Spoiler. Pro: Wie von der Theaterbühne Nach Beyond - Two Souls wird die Welt der Videospiele eine andere sein. Endlich hat es jemand geschafft, etwas emotional Erschütterndes spielbar zu machen, mit einem Spiel Gefühle jenseits von Angst und Stress auszulösen. Das Spiel ist ein Meisterwerk. Von Thomas Lindemann Es ist so weit. Ab jetzt muss das Videospielen neu gedacht werden. An diesem Programm arbeitet der Pariser Entwickler David Cage mit seinem Team schon seit Jahren. Aber sein Fahrenheit, ein atmosphärischer Film Noir aus einem verschneiten New York, ließ sich schlecht steuern, und die Story war bizarr. Und Heavy Rain vor drei Jahren thematisierte in seiner Kriminalgeschichte zwar, ungewöhnlich genug, die Ängste eines Vaters - aber es war mehr ein Film als ein Game und vergaß ein wenig den Spielspaß. Nun erst haben die Franzosen es geschafft. Mit Beyond: Two Souls (für Playstation 3). Was für eine Überraschung, dass nicht Grand Theft Auto V (GTA V) das aufregendste Spiel dieses Herbstes ist! Dabei führt ein Vergleich der beiden gleich ins interessante Dilemma: GTA V ist perfekt als Spiel, zieht alle Register dessen, was in Games möglich ist. Beyond tut einfach das Gegenteil, es erfindet das Spielen neu. Eingefleischte Gamer werden sich ärgern, weil hier alles anders ist, als man es kennt, einfacher, ungewöhnlicher. Aber alle anderen werden es lieben. Denn unter anderem ist Beyond Two Souls das erste Videospiel, das Schauspieler wirklich mit allem Ausdruck, mit Seele und Mimik zeigt. Das war bis vor kurzem noch nicht so möglich, dass man sich der Illusion wie im Kino hingeben konnte. Nun geht es - und wie: Die 26-jährige Ellen Page (Juno) hat Schwerstarbeit geleistet. Bisher wurde in Games nur gesprochen, oft mit traurigem Resultat, unecht, unpassend zur Bewegung. Hier wurde gespielt: Page keucht, flüstert, weint, schreit - es ist nicht Kino, es ist Theater. Auch ihr Widerpart Willem Dafoe spielt, was er als grüner Goblin in Spider-Man schon so gut dargestellt hat: das Umkippen eines Charakters in den Wahnsinn. Esoterischer Budenzauber Die Hauptfigur des Spiels ist die junge Jodie, deren Leben wir durch die gesamte Jugend begleiten werden. Der Spieler springt in verschiedene Episoden einer Adoleszenz hinein und spielt mal einen Partyabend, mal eine Jodie als einsame Tramperin, mal eine Militärmission. Das alles ist höchst banal und doch höchst speziell, denn Jodie wurde mit einer übernatürlichen Fähigkeit geboren. Sie wird begleitet von einem Geist, der immer bei ihr ist, mit dem sie und nur sie reden kann. Dieses körperlose Wesen, das sie Aiden nennt, kann durch Wände gehen, um Ecken schweben, es kann Scheiben zersplittern und Kehlen würgen. Es kann Visionen erzeugen, die Jodie die Vergangenheit eines Ortes zeigen. Leider teilt sich der Zauber dieses Spiels angesichts einer Nacherzählung der Story überhaupt nicht mit. Denn das ist auch typisch für David Cage: Er ist besessen von esoterischem Budenzauber, die Serie Fringe sollte ihn bald mal um ein paar Drehbücher bitten. Emotional erschüttert Zum Glück ist das egal, man merkt es beim Spielen kaum. Die sonderbaren Phänomene sind nur das Vehikel für eine Geschichte über die Fremdheit des Teenagers und die Mühen des Erwachsenwerdens. Deswegen spielt man auch mal die 15-Jährige (mit viel Liebe zur Mode im Punk-Chic gekleidet), die Hausarrest hat in dem FBI-Institut, in dem sie inzwischen lebt, aber auf eine Party will. Und ein Mädchen, das ein Geistwesen neben sich hat, halten weder Kameras noch Nachtwächter auf. Und dann kann es in diesem Spiel plötzlich ernst werden, wenn wir als Nächstes eine Mission spielen, in der die CIA uns als Killer einsetzen will. Weil hier so viel Verschiedenes passiert, ist das Spiel auch eine Reise durch die Geschichte der Games. Eine kriegerische Mission in Afrika parodiert Call of Duty. In der schönsten und längsten Mission auf einer Farm in der Wüste, fernab der Zivilisation, ist es Red Dead Redemption. Auf der Militärbasis, auf der überhebliche Wissenschaftler zu weit gehen, ist es Halo oder Half-Life. Story-Games: Spiel mir eine Geschichte All das wird zusammengehalten von einer wundervollen Persönlichkeit im Zentrum - und von dem Willen des Spiels, genauso Melodram wie Action zu bieten. Dass ein gutes Spiel uns zum Weinen bringen müsse, wurde schon oft gesagt. Aber so oft? Hier verliert einer Frau und Kind und wird darüber verrückt, hier suchen wir unsere wahren Eltern und finden nur etwas Schreckliches, hier töten wir und laden Schuld auf uns, um beinahe daran zu zerbrechen. Einmal, am Tiefpunkt, wohnt Jodie unter einer Brücke bei Obdachlosen. Sie versteckt sich vor Militär und CIA, sie hat allen Lebensmut verloren. Da erzählt uns das Spiel die traurigen und bitteren Geschichten der drei anderen unter dieser Brücke. Geschichten voller Einsamkeit und Verzweiflung. Gegen die auch kein Geistwesen hilft. Man muss sich in Ellen Page verlieben, dafür, dass sie diese kleine, starke Frau so überzeugend gespielt hat. Und ihre großen, traurigen Augen klagen auch das Genre Videospiel als solches an: Wie konnte man bisher Spiele ernst nehmen, die nicht so tief emotional erschüttern! Diesen Aufbruch haben wir Beyond zu verdanken. Contra: Ein Schritt zurück Beyond - Two Souls hätte so viel sein können - doch letztlich scheitert Spielmacher David Cage an seinem eigenen Anspruch. Seine Geschichte ist verworren, die meisten Figuren lassen einen emotional kalt. Das größte Problem aber ist: Er nimmt den Spielern die Kontrolle über die Figuren ab. Von Carsten Görig Meine Daumen schmerzen. Beim Endspurt muss ich Hunderte Male die X-Taste gedrückt haben, genauso oft die Kreistaste und diverse andere, die mir am Bildschirm angezeigt wurden. Ein schier endloser Reaktionstest, über eindrucksvolle Bilder gelegt. Diese überlagernd, verdeckend. Wie so oft in diesem Spiel. Ich drücke nur Knöpfchen und will eigentlich eine Geschichte erzählt bekommen. Beyond Two Souls: Hochglanz und Budenzauber Beyond - Two Souls will doch gerade das machen. Das Erzählen in Videospielen sogar neu erfinden, wenn man seinem Regisseur David Cage glauben will. Der hat mit Fahrenheit und Heavy Rain bereits zwei beeindruckende Versuche dieses neuen Erzählens gemacht. Bei Beyond - Two Souls aber scheitert er. Realistisch nervtötend Beyond ist Cages ambitioniertestes Projekt. Das Spiel erzählt die Geschichte von Jodie Holmes, einem Mädchen, das mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattet ist. Das seinen Körper mit einem Geist teilt, mit diesem kommuniziert und zusammenarbeitet. Die etwas hanebüchene Hintergrundgeschichte wird in wild durcheinandergewürfelten Szenen erzählt: der erste Kuss, fröhliches Kinderspiel, fiese Teenagerpartys, Ausbildung bei der CIA, Einsatz in Somalia, das Leben mit Obdachlosen oder auf einer Farm in der Wüste, eine Geburt, schlimme Eltern. Vielen Szenen sieht man die Mühe an, die in sie gesteckt wurde, das Auge für die Kleinigkeiten, die Figuren lebendig machen. Wenn Jodie als Kind mit den Armen schlenkernd umherläuft, spürt man die Sorglosigkeit, das Vertrauen ins Leben. Die bockige Teenagerin ist realistisch nervtötend, und beim ersten Date mit der großen Liebe fühlt man Peinlichkeit und die Hoffnung auf mehr. Erste Küsse und Feuergefechte Doch keine dieser Szenen hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Zu willkürlich springt Cage zwischen den Zeitsträngen, führt Spieler in die Wüste, in den russischen Winter, nach Mogadischu. Mischt Poltergeist mit Alien und Familiendrama. Schneidet Action ins Spiel, Feuergefechte mit Militär und Geheimdiensten. Toll inszeniert und doch farblos. Weil der Fokus fehlt. Weil sich Cage nicht entscheiden konnte, ob er die komplexe Vater-Tochter-Geschichte zwischen Dafoe und Page in den Mittelpunkt stellen will, die Entwicklung vom Mädchen zur Frau oder doch einfach nur einen Actionkracher mit besinnlichen Momenten. Weil Schlüsselmomente der Geschichte zu spät oder zu beiläufig erzählt werden. Und weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er einen Film oder ein Spiel machen wollte. Es wirkt, als sei er zu verliebt in seine Geschichte, um Spielern Freiheit zu geben. Ihren Aktionen wirkliche Konsequenzen folgen zu lassen. So darf Jodie nicht sterben. Weshalb man sich zwar abmühen kann, Gegnern auszuweichen. Aber auch einfach abwarten, bis Poltergeist Aiden zur Hilfe schreitet oder das Spiel die Kampfszene auf andere Weise beendet. Cage nimmt dem Spieler die Kontrolle über seinen Protagonisten ab. Verdammt ihn dazu, Knöpfchen zu drücken. Mit dem Wissen, dass kaum eine Aktion mehr ändert als die Anzahl der Blutflecken auf Jodies Kleidung. Selten einmal kann eine Nebenfigur sterben. Die meisten von ihnen aber bleiben zu blass, als dass man wirklich um sie trauern würde. Und das ist der Unterschied zu Vorgängern wie Heavy Rain oder auch Fahrenheit. Trotz aller Fehler und Unstimmigkeiten waren das Spiele, in denen man die Protagonisten kontrollieren konnte. In denen die recht komplizierte Steuerung tatsächlich Emotionen abbildete, man vorsichtig Tasten drückend Angstzustände nachempfinden konnte, Hilflosigkeit und Wut greifbar wurden. Wo die beiden Vorgänger tatsächlich eine Vision umsetzen konnten, sie in eine Zukunft für Videospiele abseits von Action zeigten, ist Beyond - Two Souls ein Schritt zurück.
Posted on: Sat, 26 Oct 2013 21:22:21 +0000

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