DIE WELT 19. Okt. 2013, 14:00 Tebartz-van Elst Ich bin Bischof, - TopicsExpress



          

DIE WELT 19. Okt. 2013, 14:00 Tebartz-van Elst Ich bin Bischof, Herr, hol mich hier raus! Versuch einer Zwischenbilanz der unchristlichen Hatz auf den Limburger Bischof: Was die öffentliche Hinrichtung des Franz-Peter Tebartz-van Elst zeigt – das Drama eines schüchternen Menschen. Von Ulf Poschardt Foto: picture alliance / dpa Als Sündenbock allzu wohlfeil zu haben: Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst beim Kreuzfest in Königstein/Taunus Die Rollen in der säkularen Meinungsbildung sind klar verteilt. Der Protestantismus, der sich in seiner Ausrichtung an der allgemeinen Meinungsbildung orientiert, wird umarmt und damit die eigene Sprechposition. Der Katholizismus, der in unverstellter Weise auf seiner Differenz zu allem Weltlichen besteht, wird problematisiert, wenn nicht sogar schroff abgelehnt. Dabei nutzt der neue, marktgängige antiklerikale Ton alle Facetten einer Dämonisierung, die eigentlich eine Erfindung des Katholizismus war. Der Limburger Bischof ist von den Medien, aber auch den angedockten Stammtischen und Social-Media-Poeten für vogelfrei erklärt worden. Der Grund: Der Kirchenmann kann schlecht mit Geld umgehen. Er hat möglicherweise gelogen, er hat den Fehler gemacht, seine Residenz allzu liebevoll zu dekorieren. Die eigentliche Provokation jedoch ist nicht der Bau, sondern der Bauherr. Protestantische Kargheitsdogmatiker machen mobil Die Frisur des Bischofs, seine athletische Erscheinung und jene stets etwas zu dunkelroten Lippen erregen die Gemüter jener protestantischen Kargheitsdogmatiker, die im Glauben und der Kirche vor allem Leibfeindlichkeit und Hass auf Sinnliches wie Freudespendendes identifizieren. So wie die roten Prada-Schuhe von Papst Benedikt jene dem Kirchenfürsten und noch viel mehr dem Stellvertreter Gottes angedichtete Demutsverpflichtung unterliefen. Der Blick auf die katholische Kirche hat nach dem Tod Gottes im 19. Jahrhunderts und dem Binsenstatus des Nihilismus im 20. Jahrhundert jede Rückanbindung an das historische Prunkfundament der Kirche verloren. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Ernüchterung dogmatisch ratifiziert. Dank Luther haben sich die Protestanten früh von dieser weltlichen Eleganz emanzipiert, um eine noch viel weltlichere, minimalistische Hypereleganz zu entwerfen. Franz-Peter Tebartz-van Elst hat seine Interpretation dieser Kargheitsästhetik mit den tradierten Mitteln der Repräsentation versucht. Herausgekommen ist eine Art klaustrophobische Kerkerboutique, die sich in das mittelalterliche Klein-Klein der Limburger Altstadt wundersam einfügt. Das Bethaus von Darth Vader an der Lahn Der Bau ist die Panzerung eines verunsicherten Kirchenfürsten, der sich längst nicht mehr als solcher fühlt, sondern als Alien auf einem Planeten, dessen Bewohner auf den Glauben, der sie einst beseelte, irritiert und mitunter angewidert zurückblicken. Die schwarze Kapelle sieht aus wie das Bethaus von Darth Vader und wirkt in der weiß-ocker-gelben Altstadt in Luftaufnahmen wie ein Pfeil in den Himmel oder ein Raumschiff, das aufbricht, um in jene Höhe aufzusteigen, wo sein Lenker seinem Schöpfer in Liebe nahekommt. Für den protestantischen Theologen und Philosphen Jochen Wagner ist dieser Bau ein Monument der Einsamkeit und ein Symptom der Sehnsucht, in einer Art direttissima zum Absoluten vordringen zu können – eine imaginäre Vertikale, mit der transzendentaler Narzissmus seinen asozialen Charakter in der gesellschaftlichen Horizontalen meditativ kompensiert. Für Wagner ist der Prunk auch Schorf auf eine seelische Wunde. Vielleicht ist es diese Einsamkeit des Bischofs, seine undurchsichtige Persona, die nicht weiß, ob sie ein Leben in Askese und Demut oder in Pomp und Gloria aufführen soll. Dass dieser Bischof mit dem romanhaften Namen bei Oldtimerrallyes auch kostbare BMW-Cabrios segnet, rächt sich jetzt bei jenen Medien, die nach Bildern seiner Vanitas fahnden. Auch auf diesen vermeintlichen Beweisfotos einer absurden Anklage erblickt man eine Figur, die derart uneigentlich durch ihre Existenz geistert, dass wohl gerade diese Ratlosigkeit gegen sich selbst bei Identitätssuchenden Aggressionen auslöst. Nichts hassen Schwache mehr als noch Schwächere. Die Häme gegen den Bischof ist subtiler Selbsthass Die Häme gegen Franz-Peter Tebartz-van Elst artikuliert einen subtilen Selbsthass. Die unglückliche Beziehung des Bischofs zu seinem neuen Chef, dem Papst, macht ihn zu einem Leidensgenossen, den man nicht haben will. War sein alter Chef noch ein Verfechter jener absoluten Wahrheit, die eine Institution ausstrahlen musste, die es so seit 2000 Jahren gab (und die sich nicht um etwas Läppisches wie ein paar Millionen Euro scheren musste), so ist der neue Chef ein binnenkatholischer Revolutionär. Der Spiegel, das Sturmgeschütz der säkularen Demokratie, ließ es sich nicht nehmen, auf den bourgeoisen BMW mit linkisch grinsendem Bischof ein Foto des Jesuiten mit weißem, angeranzten Renault R4 zu zeigen. Die Message war klar: Der neue Papst ist ein moderner Mann der Reformen, der mit den lebensweltlichen Wucherungen der alten Kirche und ihrem Pomp bricht, während der Prunk-Prediger, so Boulevarddichter, ein schamloser Vertreter des Ancien Régime sein muss. Der Schüchterne, so schreibt der Soziologe Urs Stäheli im neuen Merkur, ist ein verlorener Sohn des modernen Gemeinschaftslebens: Er zieht sich zurück, meidet soziale Kontakte und versucht, bei geselligen Anlässen möglichst unsichtbar im Hintergrund zu verschwinden. Letzteres ist dem Bischof aufgrund seines Amtes nicht vergönnt, aber seine Schüchternheit ist auf den Fotos und in den Fernsehaufnahmen mit Händen zu greifen. Tebartz-van Elst ist ein Asylant in seiner Kirche Er fühlt sich in seiner realen, fleischlichen Existenz derart unwohl, dass man die Erlösung durch ein Transzendenz-Denken stets nachvollziehen kann. Tebartz-van Elst flüchtete in die Kirche. Er hat dort sein Asyl gefunden. Da er aber kein Lampedusa-Flüchtling ist, sondern Bischof, löst er keinerlei Beschützerinstinkt aus. Die katholische Kirche und ihre Mächtigen werden wie die USA behandelt: als Supermacht unter Generalverdacht. Der Bischof ist ein Skandal, weil er in seiner Einsamkeit von jener Stärke berichtet, die einem ein fester Glaube geben kann. Wie Papst Benedikt ist dieser Kirchenmann ein radikales Individuum, das seine Gemeinschaft eher im Klerus der Vergangenheit und der Tradition findet als in den Konsensmeuten der Gegenwart. Sein unbeholfenes Vorstadt-Dandytum raubt der städtebaulichen Intervention ein brillantes Finish. Die Dicke der Mauer dieser Residenz, die Enge des Atriums und die mönchische Düsterkeit der Kapelle illustrieren die Schutzbedürftigkeit des in diesem Tresorfach lebenden Würdenträgers. Ein verschrecktes Lamm in seiner Residenz Der Bischof legt großen Wert darauf, dass es sich gar nicht um ein Haus für ihn, sondern um ein Zentrum der Begegnung handle. Aber einladend an diesem Bau wirkt wenig. Das Etui des Bischofs ist nicht das eines Hirten und Dieners, sondern eines verschreckten Lammes, dessen Ehrgeiz und Intelligenz ihn an diese herausragende Position gebracht haben. Er ist ein Karrierist, der für sein Streben büßt. Als Sündenbock eignet sich dieser Mensch gut, weil es stets ein Leichtes war für den Terror der Mehrheit, aus der Angst in den Augen einer bedrohten Minderheit etwas Böses zu machen, was mit Skepsis und Furcht auf das Treiben der Mehrheit blickt. Niemand scheint sich die Mühe zu machen, das Gnadenlose und Unchristliche jener Hatz zu kritisieren. Auch die Vertreter der katholischen Laien, die Brüder im Geiste, sie wollen das Opfer sehen. Der Bischof hat jenes Look-and-feel besudelt, mit dem der neue Papst den vermeintlich antiquierten Sound des Traditionsontologen Ratzinger ersetzen wollte. Die hymnischen Texte über den bescheidenen Franziskus sagen vor allem eines: Endlich werden die katholische Kirche und der Papst so wie wir. Endlich ist diese Differenz zum Stellvertreter Christi auf Erden einkassiert. Es ist der Triumph einer Moral und Logik, die am Ende nur sich selbst versteht und mag. Es ist der Sieg einer Tugend, die ohne transzendentalen Halt sich selbst vergöttert. Es ist ein schaler, seltsam trostloser Triumph. © Axel Springer AG 2013. Alle Rechte vorbehalten
Posted on: Sat, 19 Oct 2013 12:19:18 +0000

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