Die Zwölf Stämme - Begegnung mit einer Sekte Als ich 12 Jahre - TopicsExpress



          

Die Zwölf Stämme - Begegnung mit einer Sekte Als ich 12 Jahre alt war, habe ich ein Buch darüber gelesen. Mit 15 wurde ich im Religionsunterricht davor gewarnt. Mit 18 habe ich einen erschreckenden Spielfilm mit Anna-Maria Mühe gesehen und noch mit 20 war ich überzeugt: "Darauf fällste nie rein!". Nun war ich 21 Jahre alt und keinesfalls naiv und erst recht kein Draufgänger. Und doch hat uns die Freundlichkeit der "12 Stämme" eingewickelt in eine Geborgenheit, die wir nötig hatten. Doch unser Kopf täuschte uns. Im Jahr 2009 reisten die Schwester einer Freundin und ich ahnungslos und ohne der Sprache mächtig zu sein, durch Spanien. Wwoofen hieß unsere Deviese, was soviel bedeutet wie "Willing-workers-on-oecological-farms". Oder kurzum: Work and Travel für Alternative. Wir waren jung. Wir waren neugierig. Wir waren offen. Wir wollten weg. Nachdem wir 1 1/2 Monaten unterwegs waren, blieben uns schlechte Erfahrungen nicht erspart. Bei einer egozentrischen Engländerin, die uns halb verhungern ließ und unsere Grundbedürfnisse missachtete, entschieden wir uns Hals über Kopf die "Zwölf Stämme" zu kontaktieren. In jenem Moment hatten wir einen hohen Grad an behüteter Nächstenliebe nötig. Uns ging es schlecht und wir erhofften uns, bei der Gemeinschaft für eine Weile gut aufgehoben zu sein. Die Idee einer Kommune passte zu unserem alternativ angehauchten Lebens- und Denkstil. Und als wir in einem Prospekt, welches wir bei einem Festival in Deutschland bekamen, lasen, dass ein christlicher Glaube in jener Community bestehehe, schürte dies unser Interesse. Am Telefon wurde uns fröhlich erklärt, dass wir liebend gern vorbei kommen können, um sie zu besuchen. Jedermann sei willkommen. Das hörte sich vielversprechend an. Unsere Entscheidung fiel: Wir packten unsere Sachen und türmten nach drei schlimmen Tagen vor der bitterbösen Engländerin. Unsere 4-stündige Busreise brachte uns schließlich zu der Gemeinschaft der Zwölf Stämme. Wir bekamen zunächst das, was wir brauchten. Ein schwerfälliger Mann mit langem Bart holte uns ab und brachte uns zu ihrer Behausung am Rande der Stadt. Wir wurden herzlich empfangen, obwohl es schon spät war und zudem sehr spontan. Eine kleine quasselnde spanische Frau wuselte hin und her und drückte uns sogleich eine Tasse mit Wasser in die Hand. Alle beteuerten immer wieder, wie schön es sei, dass wir da sind. Keine Spur von Egoismus, Kälte und Einsamkeit. Hier herrschte die Liebe, so wie Gott sie schuf. Und Essen gab es genug. Auf meinen bereits vollen Magen, folgte nun noch ein Salat, selbstgebackenes Vollkornbrot und eine Suppe. Das war zu viel. Eindeutig! Unsere Betten standen in einem Caravan und am Abend schliefen wir ein, unter den Bananenbäumen, die im Wind leise quietschten. Von der Terasse des Hauses sah man das Meer glizern. Wir waren glücklich und fühlten uns wohl. Der Morgen begann zwischen 6 und 7 Uhr mit einem Lied auf der Gitarre und simultan krähte der Hahn. Ein wenig altbacken sah es dort aus. Das Inventar des Hauses, so wie die Kleidung. Die Frauen kleideten sich im "Schlabberloock" aus Röcken oder Pumphosen. Aber, Letzteres war sogar modern. Doch alles was eine Frau schön macht, musste hier vertuscht werden, damit der Mann nicht abgelenkt wird von sämtlichen Reizen. Und damit jeder Mensch einen gleichen Standard besitzt. Hier zählten die inneren Werte. Jedoch kein Intellekt. Und keine Schönheit. Jetzt hätte ich gesagt: "Gut. Okay. Ja. Zieht euch so an. Mir ist das nicht so wichtig. Ihr seid gute Menschen und nur das zählt...." Aber wie es die Ironie des Schicksals so will, wurde uns am zweiten Tag ein Haufen aus grässlich bunter Kleidung in unseren Caravan gebracht mit den Worten: "Es wäre schön, wenn wir euch etwas aussuchen würdet". Und das, wo wir uns doch so gern chick machten. Es fiel mir schwer, mich daran zu gewöhnen und das erste Fünkchen Misstrauen flammte auf. Die Philosophie der wahren Freundschaft und Nächstenliebe ist oberflächlich gesehen durchaus gut und erstrebenswert! Doch passte ich von Vornherein in vielen Dingen nicht hinein. Die markanteste Sache war mein Drang nach Emanzipation. Hier hieß es, der Mann ist Gott untergeordnet und die Frau dem Mann. Rollenverteilung stand ganz oben. R. und ich standen nun also in der Küche statt im Garten. Mit wwoofen hatte dies kaum noch etwas zu tun, obwohl wir dort als offizielle Wwoofer arbeiteten! Auf meinem Nachttisch lagen Alice Schwarzer und Simone de Beauvoire und meine Haare waren Lausbubenkurz---aua da passte was nicht. Aber ich bin ein erfahrungsfreudiger Mensch und zwängte mich deshalb für geplante drei Wochen in unbequeme Kleidung mit dem Versuch zu wachsen-innerlich versteht sich. Am Morgen vor dem Frühstück, sowie abends, fand stets ein "Gettering" statt, das bedeutet soetwas wie eine Morgenandacht. Die Lieder die sie sangen waren auf spanisch und englisch und klangen schön. Sie kamen aus dem Herzen- so glaubte man. Beim Beten nahmen wir uns an den Händen und wir kochten den ganzen Tag und Mate Tee gab es in Hülle und Fülle. Am zweiten Tag kamen jedoch Zweifel in mir auf und ich fragte R., ob es möglicherweise nicht doch eine Sekte sei. Sie beruhigte mich und ich verdrängte jenen Gedanken. Freitags feierten wir in den Shabbat hinein. Den ganzen Tag über wurde geputzt und gekocht [wie eigentlich immer!] Jedermann fegte durch die Gegend, damit um 19 Uhr der Shabbat zelebriert werden konnte. Es gab Pizza aus dem Pizzaofen, Brot mit Sesam, Salat und süßes arabisches Gebäck. Es wurde gesungen und getanzt- jeder Freitag war ein Fest. Am Shabbat hatte man frei. R. und ich gingen an den Strand in der ersten Woche. Mit unserer "Faschingskleidung" pilgerten wir zum Plaja- so konnten wir garantiert niemanden aufreißen. Die Freiheit lag nah, aber wir waren so eingespannt in die Gemeinschaft, dass für andere Dinge keine Zeit blieb. Und sie lebten sehr nach Zeit: Es gab eine Zeit zum Aufstehen, zum Essen, zur Andacht, zum Ausruhen, zum Saubermachen,...Für einen jahrelang Uhrlosen Menschen wie mich war es zunächst eine wirklich gemeine Umstellung. R. und ich waren uns schnell einig, dass uns dieses Leben in gewisser Weise zu prüde und diszipliniert ist. Je länger wir uns dort aufhielten, desto eindringlicher redeten sie auf uns ein, um uns von iher Idee und der Glaubensform zu überzeugen. Doch sie schienen gute Menschen zu sein und glücklich mit diesem Leben Und wir spielten mit - im Kopf emanzipiert. Bad Religion In der dritten Woche bekam R eine Bänderzerrung am rechten Fuß, wodurch wir unseren Aufenthalt um eine Woche verlängern mussten. Die Member sprachen bereits von einem Zeichen. Doch der wahre Grund für dieses Stückchen Schicksal wurde uns erst später bewusst. Die letzte Woche führte uns zu der bereits vermuteten Wahrheit: Die"12 Stämme" sind, mögen sie noch so gute Grundgedanken haben, doch eine Sekte! In den letzten Wochen nahmen die eindringlichen Gespräche, die am Ende nur noch Monologe waren, zu. Bereits ab der zweiten Woche fühlte ich manchmal den Wunsch abzureisen. Nach jedem weiteren, meist einstündigem "Monolog" sowie nach dem morgend-und abendlichen Teaching kam es nicht selten vor, dass wir uns ausgebrannt fühlten. Die Worte schlugen auf unsere Psyche und es bedurfte je eine lange Nachbereitungszeit, in der R. und ich über das Gesagte diskutierten und uns gegenseitig beruhigen mussten, dass diese Menschen in vielen Punkten nicht recht hatten. Wenn nach etwa zwei Tagen unser Kopf regeneriert war und wir erneut begannen uns gehen zu lassen und unbeschwert in den Tag hinein zu leben, so wie man es nun einmal tut wenn man jung ist und noch dazu am Leben, dauerte es nicht lange, bis die nächste ewige Unterredung auf uns zukam. Am Anfang erkannte ich es als "Gehirnwäsche". Doch R. beruhigte mich. Und ich ließ mich beruhigen. Ich konnte mich nie wirklich gehen lassen, da beinahe jeder Smalltalk einen fliessenden Übergang zu weiteren Ideologien der "12 Stämme" fand. Als R. aufgrund ihres Fußes eine Woche lang den Caravan hütete, fühlte ich mich fremd in der Comunity. Ich hatte meine Meinung schnell gebildet und stand den Worten kritisch gegenüber. R. diskutierte stets und stellte Fragen. Ich bemerkte, dass deren Denken so starr, so einfältig ist und andere Meinungen und Gedanken durch den fanatischen Blick der Member einfach nicht hindurchdringen konnten. So dachte ich mir meinen Teil und empfand jede Art von Diskussion als sinnlos. So kam es, dass ich als ein hoffnungsloser Fall betrachtet wurde- verschlossen und voller Probleme, wie ich erst sehr viel spätter über R. herausfinden durfte. ["Ich glaube, wir müssen sie aufgeben", sagte ein Mitglied zu R. über mich.] *** Einen Monat und drei Tage weilten wir in der Comunity. In den letzten vier Tagen gesellte sich X. als ein neuer Gast hinzu. Es stellte sich heraus, dass er ein ehemaliger Priester sei und aus Deutschland zu Fuss kam. Mit seiner großen Klappe und seiner gewalttätigen Vergangenheit, kam es "bedauerlicherweise" zu keiner Busenfreundschaft. Doch was uns verband, war die kritische Betrachtungsweise jener Ideologie. Da R. nun nach vier ganzen Wochen noch immer eifrig diskutierte und ich die Geheimnisvolle spielte, wurden die "12 Stämme" ganz langsam und schleichend ungeduldig. Am vorletzten Tag kam es dann schließlich zur "Explosion". Ausgerechnet am Tag des heiligen St. Nicolauses, sollten uns die Augen ein für alle Mal geöffnet werden. Da R. und ich tradiotionsfreudige Menschen sind, holten wir uns den 2. Advent in unseren eisigen Caravan. Wir zündeten ein Räucherkerzchen an, sangen "Leise rieselt der Schnee" und aßen Schokolade bei Honigkerzenschein. Es tat so gut. Alles hätte so schön sein können. Der Tag begann perfekt. Doch dadurch kamen wir fuenf[!] Minuten zu spät zum morgendlichen Teaching. Uns entgingen nicht die verärgerten Blicke der Anderen. Zur Strafe bekamen wir keinen Tee und unser gemütliches Frühstück wurde durchbrochen von N., der sich [viel zu nah] an unsere Seite setzte, um uns erneut zu bearbeiten. Ich glaube er sprach diesmal sogar länger als eine Stunde in seinem verwaschenem Englisch und einer dröhnend tiefen Stimme, die mir Kopfweh bereitete. Da wir uns noch immer nicht völlig überzeugen ließen, waren wir den gesamten Tag allein für das Essen verantwortlich, während sich die "Erwachsenen" murmelnd zum Gespräch zurückzogen-vermutlich waren wir Thema der Besprechung. Plötzlich geschah etwas Sonderbares: Die Liebe, von der sie stets voller Stolz sprachen wurde nun so winzig klein und verwandelte sich in eine spührbar unterkühlte Kürze. Es herrschte eine angespannte Stimmung. Wir fühlten uns auf einmal wie Feinde. Am Abend besprachen wir unsere Gefühle mit X. Er dachte wie wir und war froh darüber, dass wir das Gespräch mit ihm suchten. Irgendwann wurde er von N. nach draußen geholt und wir verabredeten uns heimlich im Caravan für eine Fortsetzung. Dort erzählte X. uns schließlich geduckt und flüsternd, dass er sich von uns fern halten solle, da wir angeblich "nicht glauben wollen". Und, dass Z. in dem Zusammenhang den Vergleich "Moses hat auch einen Ägypter mit dem Stein erschlagen" anbrachte. Als X. unseren Caravan verließ, wurde er bereits draußen von N. erwartet. Ich verrigelte die Tür. Unsere Herzen rasten. Als dieser dann plötzlich vor unserem Fenster stand, und uns fragte, was dieser Mann bei uns zu suchen hatte und dass er ein Lügner sei, genau wie wir, stellte er uns frei, mit X. mitzugehen, da er nun abreisen würde [es war Nacht!!!]. Wir entschieden uns, erst am nächsten Morgen abzureisen-drei Tage früher als geplant. Ich schlief bei R. im Bett und zitterte die ganze Nacht. Vor Kälte und Angst. **** So schnell verändert sich das scheinbar Gute in eine dunkle Gestalt. Noch einen Tag zuvor, sprachen sie davon und bemerkten vor lauter Stolz nicht einmal, dass sie eigentlich von sich selbst sprachen. In Frieden wollten wir gehen. R. schaffte es. Ich schaffte es nicht. N. begann am nächsten Morgen erneut seine dröhnenden Reden zu schwingen, draußen in der müden Kälte. Er bahauptete ich verstünde weniger als R., woraufhin ch wütend meine Sachen krallte und mit den Worten "Bin ich dumm oder was" die scheiß Palmenblaetter zur Seite fetzte, um aus dem "Gespräch" für immer zu entschwinden. Ohne Goodbye. Ohne einen Blick zurück. Vorbei am Fenster der Küche. Schnaufend ein Blatt zerpflückend. R. kam irgendwann hinterher und wir entschwanden erneut in neue Abenteuer. Doch keines benötigt so viel Verarbeitungszeit, wie jenes bei den "12 Stämmen", die nun tatsächlich eine Sekte sind! P.S. An die Tür des Caravans hefteten wir zum Abschied einen Zettel mit den Worten: "Where the Spirit of God is, there is FREEDOM! P.S. See you in Eternity!" Ich wüsste zu gern, wer die Tür schloss.
Posted on: Tue, 09 Jul 2013 14:23:17 +0000

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