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Doppelpass - Deutschsein auf Abruf Von Mira Gajevic Der Doppelpass sorgt für Streit. Foto: picture alliance / dpa Der Doppelpass sorgt für Streit bei den künftigen Koalitionären. Die SPD will die doppelte Staatsbürgerschaft dauerhaft ermöglichen und den geltenden Optionszwang abschaffen. Die Union lehnt das ab, vor allem Innenminister Friedrich ist ein erklärter Gegner des Doppelpasses. Drucken per Mail Dass der Mindestlohn schwierig werden würde, wussten Union und SPD schon vor den Koalitionsverhandlungen. Auch die Steuern, ganz heikel. Dass sich aber die doppelte Staatsbürgerschaft zum Knackpunkt in den schwarz-roten Gesprächen entwickeln würde, das war zumindest nach den Sondierungen nicht absehbar. Denn damals hatte ausgerechnet CSU-Chef Horst Seehofer ein Umdenken in der Flüchtlings- und Ausländerpolitik in Aussicht gestellt. Selbst beim Doppelpass sei man gesprächsbereit, versprach er und brüskierte damit seinen Parteifreund und Innenminister Hans-Peter Friedrich. Doch das ist Schnee von gestern. Ungläubig registrierten die Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen, dass von der anfänglichen Offenheit nicht viel übrig geblieben ist, vor allem nicht, wenn es um den leidenschaftlich umkämpften Doppelpass geht. Für die SPD ist die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für Nicht-EU-Bürger ein zentrales Thema, das Parteichef Sigmar Gabriel sogar zu einer Bedingung für ein Zustandekommen der großen Koalition gemacht hat. Friedrich befürchtet Veränderung der Identität Der Union ist es zwar keine Unterschriftenkampagne mehr wert wie 1999, als Roland Koch die hessische Landtagswahl mit einer Unterschriftensammlung gegen den Doppelpass gewann. Doch eine generelle Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit ist für viele Konservative noch immer des Teufels. Ihr Sprachrohr ist der CSU-Mann Friedrich, der durch einen Doppelpass eine „langfristige Veränderung der Identität der deutschen Gesellschaft“ fürchtet. Dass es ihm vor allem um türkischstämmige Migranten geht, verhehlt er nicht. „Wenn wir Millionen von Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft geben, die sie weitervererben, werden wir eine dauerhafte türkische Minderheit in Deutschland haben.“ Die Fronten sind inzwischen verhärtet. Nachdem die zuständige Arbeitsgruppe mit den Verhandlungsführern von SPD und Union, Thomas Oppermann und Friedrich, sich nicht einigen konnte, wird der Doppelpass nun womöglich erst Ende November in der Runde der drei Parteivorsitzenden abgeräumt werden müssen. Dass sich die SPD aber mit weniger als der Abschaffung des Optionszwangs für junge Deutsche mit Migrationshintergrund zufrieden geben wird, ist schwer vorstellbar. Zwei Pässe für EU-Bürger und Schweizer Seit der rot-grünen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts im Jahr 2000 werden hier geborene Zuwandererkinder zwar zu Deutschen und behalten zunächst die Staatsangehörigkeit der Eltern. Zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr müssen sie aber einen ihrer beiden Pässe aufgeben. Diesen Optionszwang hatte damals die Union über den Bundesrat nach dem Wahlsieg von Roland Koch durchgesetzt. Mehr dazu Es reicht nicht den Minister auszutauschen Das heißt nicht, dass es keine Doppelpässe gibt. Von den etwa 100 000 Menschen, die allein 2011 eingebürgert wurden und einen deutschen Pass erhielten, konnten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gut 50 Prozent auch ihren alten Pass behalten. Denn der Optionszwang gilt nur für einige Staaten wie die Türkei, Serbien oder Bosnien. Bürgern aus EU-Staaten und der Schweiz gesteht Deutschland grundsätzlich zwei Pässe zu. Irrsinn Optionspflicht Darüber hinaus können auch Bürger vieler anderer Länder neben ihren ursprünglichen Papieren ohne größere Umstände einen deutschen Ausweis bekommen. Denn einige Länder entlassen ihre Bürger prinzipiell nicht aus der Staatsangehörigkeit wie der Iran oder Marokko. „Das ist eigentlich eine Lex Türkei“, sagt Oppermann. Eine schwierige Entscheidung Keremcan Büyükbas hat zwei Heimaten. Er ist Deutscher und Türke. „Wenn ich in der Türkei bin, habe ich Heimweh nach Deutschland. Und wenn ich in Berlin bin, habe ich Heimweh nach Ankara“, sagt er. Keremcan Büyükbas hat zwei Heimaten, aber bald wird er in einer davon ein Ausländer sein. Der 22-Jährige muss in den nächsten sechs Monaten einen seiner beiden Pässe abgeben. Dann wird er 23 – und damit endet die Frist, innerhalb derer er sich für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden muss. « zurück 1 | 6 weiter » Weinpaket nur € 39,90! Jetzt versandkostenfrei bestellen: 6 Flaschen Rotwein plus 3 Wein-Gläser – 46% SPAREN! Jetzt kaufen! Anzeige Was die Union mit der Loyalität zu einem Land begründet, ist allerdings auch für Experten ein bürokratischer Irrsinn, der zudem verfassungsrechtlich fraglich ist. Der Aufwand ist enorm und entspricht einem vollständigen Einbürgerungsverfahren. Bis 2017 stehen bundesweit jährlich zwischen 3000 und 7000 junge Frauen und Männer vor der schwierigen Wahl, sich zu entscheiden. Doppel-Pass? Junge Menschen aus Rhein-Main berichten Das sind meine Wurzeln: Roberto Canciglia Ich bin Deutsch-Italiener und werde im Mai 21 Jahre alt. Dann muss ich bei den deutschen Behörden den Antrag stellen, dass ich die italienische Staatsbürgerschaft behalten will. Sonst verliere ich sie mit 23 Jahren. Weil Italien zur EU gehört, kann ich beide Pässe behalten. Ich verstehe nicht, warum ich dafür erst den Antrag stellen muss. Ich bin in Frankfurt geboren, mein Vater ist Italiener, meine Mutter Malaysierin. Im Moment mache ich in Dreieich mein Abitur. Wenn ich reise, nehme ich den deutschen Pass mit. Ich fühle mich schon eher als Deutscher denn als Italiener. Es ist für mich nicht zwingend notwendig, dass ich beide Staatsangehörigkeiten behalten kann. Es hat auch keine praktischen Vorteile. Aber ich finde es schön, dass ich den italienischen Pass behalten kann. Das sind ja auch meine Wurzeln. Einmal habe ich erlebt, was bei den Behörden passieren kann. Sie haben mir mal die malaysische Staatsbürgerschaft angedichtet, obwohl ich die gar nicht besitze. Da hätte ich dann den Nachweis führen müssen, dass ich sie verloren habe, um Deutscher bleiben zu können. Ich habe dann zurückgeschrieben, dass ich die malaysische Staatsbürgerschaft nie hatte. Dann haben die das gelöscht. In beiden Ländern zu Hause: Marina Jovic Ich bin 25 Jahre alt und mache an der Uni Frankfurt gerade meine Magister-Prüfungen in Germanistik, Soziologie und Politikwissenschaft. Ich bin in Offenbach geboren. Meine Eltern kommen aus Serbien. Wir würden gerne die doppelte Staatsbürgerschaft haben, weil wir in beiden Ländern verwurzelt sind. Ich singe im serbischen Kirchenchor, ich fühle mich der serbischen Kultur verbunden, aber ich bin in Offenbach zu Hause. Ich bin sowohl Serbin als auch Deutsche. Warum müssen sich die Leute entscheiden? Im Moment habe ich nur die serbische Staatsbürgerschaft. Wenn das Arbeitsamt Jobs hat, bekommen die zuerst Deutsche, dann Leute aus anderen EU-Ländern und erst zum Schluss Nicht-EU-Bürger wie ich. Dabei habe ich doch genau die gleiche Schulbildung wie die Deutschen, und ich habe genau so wie sie studiert. Das finde ich ungerecht. Wir haben schon vor Jahren mal die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, aber der Antrag ist verfallen, weil es für uns finanziell unmöglich war, die serbische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Das hätte damals 2000 Mark oder so gekostet. Da haben wir uns dann nicht weiter drum gekümmert. Jetzt ist es billiger geworden, aber für mich ist das im Moment kein Thema. Hier Türke, dort Deutscher: Taskin Kilincat Ich bin in Eberbach bei Heidelberg geboren. Meine Eltern haben gar nicht in Erwägung gezogen, dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft für mich beantragen könnten. Sie konnten früher nicht gut genug Deutsch und wussten gar nichts von der Möglichkeit. Heute bin ich 22 Jahre alt und studiere Mechatronik in Darmstadt. Ich bin hier aufgewachsen. Aber ich glaube, wenn ich jetzt drei Monate außerhalb der EU sein würde, dürfte ich nicht mehr einreisen, weil ich nur den türkischen Pass habe. Ich bin weder ganz Türke noch kann ich ganz Deutscher sein. Wenn wir in die Türkei gehen, sind wir die Deutschen. Hier sagen sie: Wir sind die Türken. Man kann das nicht trennen. Ich finde, man sollte eine Person, die sich in zwei Kulturen aufhält, nicht dazu zwingen, sich zu entscheiden. Ob ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantrage, habe ich noch nicht entschieden. In der Türkei gibt es Gebiete, wo ein Ausländer weder kaufen noch erben kann. Ich mache jetzt erst mal den Bachelor fertig, dann überlege ich, wie es weitergeht. Bildergalerie (7 Bilder) Ab 2018 werden dagegen jährlich rund 40 000 junge Erwachsene bundesweit optionspflichtig – sie sind Deutsche auf Abruf, klagen Migrationsverbände. Für Oppermann passt das nicht in eine Zeit, in der man um Zuwanderer werben muss. „Wir wollen Einbürgerungen, nicht Ausbürgerungen.“ Die Sozialdemokraten hätten denn auch eine ganz einfache Antwort auf eine Frage, die Seehofer noch vor zwei Wochen im Spiegel aufgeworfen hatte: „Ich frage mich, ob es noch Sinn macht, die jungen Leute zwischen 18 und 23 Jahren durch diese Zerreißprobe zu jagen.“ Nein.
Posted on: Wed, 13 Nov 2013 22:49:59 +0000

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