Durch andere beschämt zu werden, bedeutet, in seinem Wesen - TopicsExpress



          

Durch andere beschämt zu werden, bedeutet, in seinem Wesen abgelehnt zu werden. Ein bedeutender Bereich der Ablehnung kann der eigene Körper sein. Über den Körper wird man sichtbar und alles, was von der Normalität abweicht, kann für andere Grund sein, sich darüber lustig zu machen oder einen dafür abzuwerten. Zu dick, zu dünn, merkwürdig geformt, Narben - die Möglichkeiten sind vielfältig, Lieblosigkeiten anderer zu ernten. Und dann kommt auch noch die Bewegung hinzu: Die Art, wie ich mich bewege, kann auch wieder Anstoß für Mobbing sein. Die Angst aufzufallen führt dann zu körperlicher Anspannung und bewusst kontrollierter Bewegung, die hölzern wirkt. Somit verschlimmert sich die Situation noch. Viele von sozialen Ängsten Betroffene tragen ihre Verletzungen mit sich rum, auf körperlicher Ebene beschämt worden zu sein. Und weil Schamgefühle so schwer auszuhalten sind und stark das Selbstwertgefühl untergraben, ist die Abwehr auch groß, die um solche Verwundungen gewachsen ist. Ebenso die Vermeidung. Man will nie wieder solch unangenehme Situationen erleben. Sich mit diesen Schamgefühlen auf körperlicher Ebene auseinanderzusetzen, kann eine große Chance sein, seine körperliche Freiheit zurückzugewinnen. Und das kann ganz viel positive Wirkungen haben. Man kann vielleicht wieder Dinge tun, die einen erfreuen und wonach man eigentlich eine große Sehnsucht hat. Beispiel: Tim ging seit vielen Jahren nicht mehr ins Schwimmbad, weil er eine körperliche Auffälligkeit hatte, für die er sich stark schämte. Er hatte große Angst, wieder dafür belächelt zu werden. Er hatte Angst vor den Angriffen anderer Menschen. Ein weiteres Beispiel: Susanne tanzte eigentlich ganz gerne. Alleine zu Hause. Aber sie konnte sich nie vorstellen, mal irgendwo öffentlich zu tanzen. In ihrer Jugend hatten sich Mitschülerinnen über ihre steife Art der Bewegung lustig gemacht. Dies war eine tiefe Verwundung und sie wollte nie wieder in so eine Situation kommen, wo andere über seine Art der Bewegung urteilen. Und noch ein letztes Beispiel: Julia hatte arge Probleme, mit anderen zu essen. Sie kontrollierte stark jede Bewegung, wie sie die Gabel zum Mund führte, wie sie trank, wie sie kaute und schluckte. Auf all das zu achten, war total anstrengend und dann noch der Kampf gegen das Zittern. Hat meine Hand jetzt doch gezittert und andere könnten sich jetzt darüber lustig machen? Das Problem wurde so massiv, dass sie alle Essens-Situationen vermied. Und wenn es sich nicht vermeiden lies, drehten sich schon Tage vorher ihre Gedanken um diese Sache und nachts konnte sie nicht mehr schlafen. Warum das alles mittlerweile so schwierig war und woher das alles kommt, das war ihr erstmal nicht bewusst. Wenn man sich mit diesen Verwundungen auseinandersetzt, kann man nochmal ein ganz neues Verhältnis dazu entwickeln. Schamgefühle können nur Bestand haben, weil wir tief innerlich glauben, die anderen hätten recht und ich wäre deshalb wirklich ein verachtenswerter oder minderwertiger Mensch. Als Kinder und Jugendliche können wir noch nicht so gut differenzieren. Wir können nicht den Abstand entwickeln und sagen: "Da sind ein paar Menschen, die finden mich gerade blöd. Aber ich find mich so in Ordnung." Vielmehr glauben wir vielen Urteilen, die über uns gemacht werden und verinnerlichen sie. Fremde Werturteile werden zu unserer Weltsicht. Und diese bleiben beständig, auch wenn wir mittlerweile mit ganz anderen Menschen zusammen sind, die ganz andere Vorstellungen haben. Durch eine Aufarbeitung kann man hier eine neue Beziehung zu sich finden. Man erkennt, dass die Abwertungen von damals lediglich Lieblosigkeiten und gehaltlose Werturteile der anderen waren. Man lernt, sich selber in seinem Sosein anzunehmen und wertzuschätzen. Ohne Aufarbeitung würde man sich stattdessen immer noch verurteilen und den Richtern von damals insgeheim recht geben. Die Aufarbeitung führt zu einem starken Selbstwertgefühl. Da gibt es nichts mehr an mir, wofür ich mich schämen oder zu verstecken brauche. Alles an mir ist in Ordnung. Ich kann mich so zeigen, wie ich bin und ich kann dazu stehen. Genau das ist Selbstwert: Ich kann zu dem stehen, der ich bin!
Posted on: Tue, 30 Jul 2013 17:38:13 +0000

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