«Glauben ist moralisch sinnvoll» «Sinn durch Gott?» Tagung an - TopicsExpress



          

«Glauben ist moralisch sinnvoll» «Sinn durch Gott?» Tagung an der Uni Luzern Die heutige Zeit ist von Sinnkrisen geprägt. Für Theologin Martina Bär liegt dies auch an der Illusion der Glücksmaximierung. Sie stellt den Gottesglauben dagegen. INTERVIEW Martina Bär, «Sinn durch Gott?» ist das Thema einer Tagung, die nächste Woche an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern stattfindet. Was hat Sie dazu bewogen, sich mit der Sinnfrage auseinanderzusetzen? Martina Bär: Die Frage nach dem Sinn ist ein Thema, das die Menschen zutiefst umtreibt. So erstaunt es nicht, dass Menschen bereits in alltäglichen Situationen mit der Sinnfrage konfrontiert werden können. Man hört Aussagen wie: «Das finde ich sinnvoll» oder «Das macht doch keinen Sinn». Für die Theologie geht die Auseinandersetzung noch einen Schritt weiter: Hier wird sie mit der Frage nach Gott in Verbindung gebracht. In den letzten Jahren gab es Studien, die zum Schluss kommen, dass in Europa so etwas wie eine «Sinnkrise» grassiert. Wie zeigt sich das? Bär: Wir stellen fest, dass eine explizite Religiosität, bei der Menschen Gott als sinnstiftend erleben, bei uns immer weniger verbreitet ist. So skizziert etwa die deutsche Psychologin Tatjana Schnell das Bild einer «areligiösen und wenig spirituellen Gesellschaft», die dennoch an klaren Werten festhält. Warum diese Entwicklung? Bär: Einer der Auslöser war bereits das neue Denken in der Zeit der Aufklärung: Immanuel Kant war der erste Philosoph, der darauf hinwies, dass wir die Existenz Gottes nicht mit der Vernunft nachweisen können. Damit hat er eine Lawine ausgelöst, die bis heute ihre Spuren hinterlassen hat. Denn über Jahrhunderte davor war es üblich, Gott als die sinnstiftende Instanz zu sehen. Und die Vorsehung Gottes war denn auch wegleitend für die Ausgestaltung der Lebensziele. Dieses Konzept ist heute aber für viele Menschen offenbar nicht mehr tragfähig. Im Zeitalter von Evolution und Quantenphysik scheinen «Gottesbeweise», wie sie etwa Thomas Aquin entwickelte, nicht mehr plausibel zu sein ... Bär: Im Gegenteil. Wir erleben derzeit eine neue Auseinandersetzung mit der Gottesbeweisfrage in den Geisteswissenschaften. Deshalb wird sich an unserer Tagung der Münsteraner Theologieprofessor Klaus Müller im Vortrag «Laboratorium der Sinnproduktion – Gottesbeweise theologisch gesehen» explizit mit diesem Thema auseinandersetzen. Meines Erachtens ist die Position, wie sie einst der Philosoph Immanuel Kant dargelegt hat, immer noch sehr aufschlussreich. Inwiefern? Bär: Auch wenn man die Existenz Gottes nicht mehr mit der Vernunft untermauern kann, drängt sich der Schluss auf: Es ist aus moralischen Gründen notwendig, das Dasein Gottes anzunehmen. Denn ohne dieses «höchste Gut» ist wenig einsichtig, warum ich moralisch gut handeln soll. In einer «Gesellschaft ohne Gott» wächst möglicherweise der Trend zum Hedonismus. Das wird ja auch in den berühmten Freidenker-Plakaten deutlich, welche die Botschaft vermitteln: «Da ist wahrscheinlich kein Gott, also sorge dich nicht und geniesse das Leben.» Was sind die Konsequenzen? Bär: Ich meine, die Idee von der Glücksmaximierung ist nur bedingt tragfähig. Vor allem dann, wenn Menschen mit konkreten Leiderfahrungen konfrontiert werden. Auch der verbreitete Wunsch nach Selbstverwirklichung hat oftmals seine Grenzen, wie auch Psychotherapeuten feststellen müssen, die im Zeitalter des «erschöpften Selbstes» nicht wenige sinnentleerte, depressive oder resignierte Menschen zu behandeln haben. Das Lustprinzip ist aus Ihrer Sicht also nicht die geeignete Lösung, um das Sinn-Vakuum zu füllen? Bär: Nein. All die Glücksversprechungen unserer Gesellschaft, die uns etwa beruflichen Erfolg und Familienglück als Sinnkonzept vermitteln, haben einen grossen Nachteil: Sie gehen davon aus, dass wir letztlich alles selber leisten müssen. Da erstaunt es nicht, wenn Menschen unter diesem enormen Leistungsdruck einem Zustand der Erschöpfung entgegensteuern. Kann der Glaube an Gott helfen? Bär: Ich bin überzeugt, dass er einen wichtigen Beitrag leisten kann. Ich denke dabei an eine Theologie, die Gott als einen freien und liebenden Gott voraussetzt. Ein solcher Gott will, dass seine Geschöpfe frei sind und auch im Diesseits ein Leben in Fülle haben. Ein solches Gottesbild kann angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen und ihren Sinnstiftungskonzepten zweifellos etwas beitragen. HINWEIS Martina Bär arbeitet derzeit als Oberassistentin am Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Uni Luzern. Zum Thema «Sinn durch Gott?» findet am 12. und 13. September an der Theologischen Fakultät eine öffentliche Tagung statt, an der sich namhafte Referenten aus dem In- und Ausland aus theologischer und philosophischer Sicht mit der Sinnfrage befassen. Vorgehen sind Vorträge etwa von Prof. Klaus-Peter Jörns (München), Prof. Eberhard Tiefensee (Erfurt), Prof. Klaus Müller (Münster) und Prof. Claus-Peter März (Erfurt). Neue Luzerner Zeitung, 06.09.2013 Autor: Benno Bühlmann
Posted on: Mon, 09 Sep 2013 05:26:45 +0000

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