Libertärer Kommunalismus - eine Erneuerung des Anarchismus. Von - TopicsExpress



          

Libertärer Kommunalismus - eine Erneuerung des Anarchismus. Von Wolfgang Haug - SCHWARZER FADEN - Vierteljahreszeitschrift für Lust und Freiheit Ist Libertärer Kommunalismus/Soziale Ökologie ein Versuch, "revolutionären Anarchismus, d.h., überholten Anarchismus", durch einen modernen Anarchismus zu esetzen..., der mit Markt- oder liberalem Kapitalismus und repräsentativer oder bürgerlicher Demokratie vereinbar ist? Wie der ANARCHOSYNDIKALISMUS ist der LIBERTÄRE KOMMUNALISMUS eine Theorie und Praxis der SOZIALEN REVOLUTION, die ausdrücklich antistaatlich und antikapitalistisch ist. Anders als der Anarchosyndikalismus - der die Kontrolle durch die Arbeiter als Mittel zur Verwirklichung der Revolution unterstützt - versucht er, die latenten demokratischen Möglichkeiten im bestehenden kommunalen politischen Leben wiederzubeleben und Volks- versammlungen als die institutionelle Grundstruktur einer Direkten Demokratie hervor- zubringen. Anstatt sich auf die anarchosyndikalistische Tradition zu stützen, stützt er sich jedoch in einer logischen und kontinuierlichen Entwicklung auf die anarcho- kommunistische Tradition- die tief in der anarchistischen Geschichte verwurzelt ist. Er zielt darauf ab, Männer und Frauen als Bürger kollektiv in Verantwortung für die Verwaltung ihrer eigenen Gemeinschaften übernehmen zu lassen, in Übereinstimmung mit einer Ethik des Teilens und der Kooperation. Er zielt darauf ab, Kommunen zu dezen- tralisieren, so daß sie menschlich strukturiert und so weit wie möglich auf ihre natürliche Umgebung abgestimmt sind. Weiterhin befürwortet er, daß die direktdemo- kratischen Kommunen sich in Bünden zusammenschließen, die eine revolutionäre duale Macht darstellen würden und letztlich sowohl Kapitalismus wie auch den Nationalstaat herausfordern, um zu einer rationalen, ökologischen, anarchistischen Gesellschaft zu führen. Hält Libertärer Kommunalismus/Soziale Ökologie Politik und damit den Staat für gut? Libertärer Kommunalismus hält Politik im Sinne der Direkten Demokratie für gut - Selbstverwaltung der Kommunen durch Bürgerversammlungen. Er trennt jedoch entscheidend Politik in diesem Sinne von Staatskunst und repräsentativer "Demokratie". Überdies betrachtet er kommunale direkte Demokratie als die potentielle politische Antithese zu Staatskunst und Parlamentarismus, da die Kommune historisch in einer Spannung zum Nationalstaat existierte und dies möglicherweise wieder tun könnte. Von der Unterscheidung zwischen Kommune und Staat, zwischen Politik und Staatskunst sprach Bakuin 1870, als er schrieb, daß die Menschen im allgemeinen einen gesunden, praktischen Menschenverstand haben, wenn es um kommunale Angelegenheiten geht. Sie sind sehr wohlinformiert und wissen, wie sie aus ihrer Mitte die fähigsten Vertreter auswählen. Unter solchen Umständen ist effektive Kontrolle durchaus möglich, denn die öffentlichen Angelegenheiten werden unter den wachsamen Augen der Bürger durchgeführt und betreffen mit größter Wichtigkeit und dirket ihr tägliches Leben. Aus diesem Grunde spiegeln kommunale Wahlen immer am besten die wahre Haltung und den Willen des Volkes. Provinz- und Bezirksregierungen, selbst wenn die letzteren direkt gewählt sind, sind bereis weniger repräsentativ für das Volk. Unterstützen Libertäre KommunalistInnen/Soziale ÖkologInnen parlamentarische Wahlen? Sie lehnen parlamentarische Wahlen kategorisch als staatlich ab. Sie verurteilen alle Erklärungen, die die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen und am zentralisierten Staat unterstützen. Unterstützt Liberärer Kommunalismus/Sozialer Ökologie "die libertäre Beteiligung an demoratischen Wahlen, die politisch oder syndikal, parlamentarisch oder lokal sind? All diese sehr unterschiedlichen Arten von Wahlen auf einen niedrigen gemeinsamen Nenner zu reduzieren - als Wahlen- und sie dann als solche abzulehnen ist absurd. Wahlen in bürgerlichen Nationalstaaten sind kaum mit Wahlen in Gewerkschaften - z.B. in der CNT - gleichzusetzen. Noch sind parlamentarische Wahlen mit lokalen Wahlen gleichzusetzen, in denen libertäre Kandidaten die Förderung einer direkten Demokratie anstreben. Libertärer Kommunalismus/Soziale Ökologie lehnt die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen ab, er unterstützt jedoch die Beteiligung an Wahlen auf lokaler Kommunalebene in dieser Hinsicht: er unterstützt Kandidaten, die mit einem libertären kommunalistischen Programm kandidieren und neben weiteren Forderungen die Demokratisierung kommunaler Politik sowie die Schaffung direktdemokratischer Volksversammlungen verlangen. Ist libertärer Kommunalismus/Soziale Ökologie eine anarcho-kapitalistische Ideologie? Diese Anschuldigung ist grotesk. Libertärer Kommunalismus/Soziale Ökologie leistet nicht nur Widerstand gegen den Kapitalismus der Unternehmen, er nimmt eine sehr kritische Haltung selbst gegenüber Genossenschaften ein, wenn diese als Form der friedlichen Evolution vom Kapitalismus zum Anarchismus gefördert werden. Was er fordert, ist die "Kommunalisierung der Wirtschaft" - im Unterschied zu ihrer Verstaatlichung (vertreten vom Sozialismus) und ihrem Besitz durch die Arbeiter in einem bestimmten Unternehmen (Syndikalismus). In einer libertär kommunalistisch/sozial ökologischen Gesellschaft wäre Eigentum - darunter sowohl Land als auch Fabriken - kein Privatbesitz. Statt dessen wäre die Wirtschaft "im Besitz" und verwaltet von den Bürgern der Gemeinschaft in ihren Versammlungen. Die Bürger würden politische Entscheidungen in allen Bereichen des lokalen Wirtschaftslebens treffen, nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeiter in einer bestimmten Fabrik oder einem Unternehmen (was sie leicht engstirnig werden und die beschränkten wirtschaftlichen Interessen dieses Unternehmens verfolgen lassen könnte), sondern in ihrer Eigenschaft als Bürger, mit Blick für die Interessen der Gemeinschaft als Ganzes. Bei wirtschaftlichen Belangen, die über eine Gemeinschaft hinausgehen, würden die Bürgerversammlungen in ihren regionalen Zusammenschlüssen Entscheidungen treffen. Fordern Libertäre Kommunalisten/Soziale ÖkologInnen die Ungültigkeitserklärung des Klassenkampfes? Entschieden nicht. Sehr reale Klassenunterschiede bestehen zwischen Arbeitern, Bauern, dem Kleinbürgertum und dem Bürgertum, die sich in latenten und konkreten Konflikten zwischen diesen Klassen zeigen. Aber der Klassenkampf muß nicht nur im Bereich der Produktion geführt werden, wo Lohnarbeit dem Kapital gegenübersteht (so wichtig dies auch ist), er kann auch auf städtischer Ebene geführt werden, in kommunalen Versammlungen. In den Versammlungen werden die Unterschiede zwischen verschiedenen Klassen hervortreten und in ihrer ganzen Intensität ausgetragen werden. Tatsächlich wird die Versammlung zu einer Arena des Klassenkampfes. Wichtige Revolutionen der Vergangenheit hatten nicht nur eine wirtschaftliche Dimension, sondern auch eine städtische. In drei entscheidenden französischen Revolutionen war Paris der Ort revolutionärer Initiative, Inspiration und Konflikte; in den Russischen Revolutionen von 1905 und 1917 spielte Petrograd die gleiche ehrenvolle und entscheidende Rolle; und in Spanien, nach dem Fall von Saragossa, war Barcelona das authentische Zentrum des Anarchosyndikalismus. Die verborgenen revolutionären Potentiale der städtischen Sphäre - in der Nachbarschaft, dem Viertel, dem Stadteil, dem Bezirk und anderen städtischen Bestandteilen - zu übersehen hieße, eines der wichtigsten Merkmale von Revolutionen, wie sie in der Geschichte vorkamen, zu übersehen. Libertärer Kommunalismus/Soziale Ökologie versucht, diese wichtige Dimension auf das Programm für zukünftige Kämpfe und soziale Revolutionen zu setzen. Stellt MURRAY BOOKCHIN, der führende Theoretiker des Befreiungs-Kommunalismus und der Sozialen Ökologie "die direkte Aktion des benachteiligten und ausgebeuteten amerikanischen Volkes einem ökologischen und kommunalistischen Kampf gegenüber, der von der liberal genannten amerikanischen Mittelklasse geführt wird? Haben ihn seine "marxistischen Ideen zur Frage des Syndikalismus schließen lassen, der Anarchosyndikalismus in den USA sei tot? MURRAY BOOKCHINS Ideen zum "ökologischen und kommunalistischen Kampf schließen die arbeitenden Menschen nicht aus, sondern betonen vielmehr ihr Potential als Bürger zu fungieren, die nicht nur mit Arbeitsplatzfragen befaßt sind, sondern auch mit dem nachbarschaftlichen Umfeld, in dem sie leben, mit Fragen der Erziehung, der Ökologie, der Gesundheit, der Ästhetik und anderen Aspekten der Stadt. Der Klassenkampf tritt in der Gemeinschaft auf, nicht nur am Arbeitsplatz. Diese Dimension wurde sowohl von der anarchosyndikalistischen wie von der marxistischen Bewegung unzureichend betont. Wie Bakuin ist Bookchin von den Ideen Marx beeinflusst, vorwiegend im Bereich der Wirtschaft, und er hat auch versucht, die dialektische Philsophie unter ökologischen Gesichtspunkten weiterzuentwickeln. Aber BOOKCHIN den Autor von "HÖR ZU; MARXIST!" ,als Marxisten zu bezeichnen ist absurd. Wenn er glaubt, der Arnarchosyndikalismus in den USA sei tot, hat er Gründe dafür. Obwohl er den Anarchosyndikalismus als die bestorganisierte Form des Anarchismus in der Geschichte betrachtet, hält er dessen Probleme heute für enorm, darunter die Kooptation des Proletariats und dessen kontinuierliche Reduzierung auf einen kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung, die Abnahme des traditionellen Klassenbewußtseins und die Wahrschein- lichkeit, daß ein großer Teil der früher vom Proletariat ausgeführten Arbeiten in Zukunft von Maschinen ausgeführt wird. In den Vereinigten Staaten ist die kommunalistische Tradition sehr viel stärker, wie z.B. in der Versammlungsbewegung des town meetings Neuenglands. Deswegen haben führende anar- chistische Theoretiker in den USA dem Libertären Kommunalismus als Basis einer anarcho- kommunistischen Perspektive und Bewegung größere Bedeutung beigemessen als dem Anarcho- syndikalismus. geroldflock.de
Posted on: Mon, 26 Aug 2013 02:18:04 +0000

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