Raus aus der Misere, rein ins Leben oder: Endlich Profi werden! Es war mittlerweile Anfang Juni, langsam wurde es in der Bundesrepublik richtig heiß und seit Januar war ich arbeitslos. Mein alter Arbeitgeber hatte alle Redakteure auf die Straße gesetzt und schmiss den Laden nun nur noch mit zwei Volontären. Keine Ahnung wie lange noch. Ich hatte mich, vorübergehend bei meiner Mutter einquartiert, mit dreiunddreißig Jahren! Ohne etwas zu tun zu haben hätte ich in meiner Wohnung schon morgens angefangen zu trinken. Hier konnte ich das nicht ohne einen Krieg heraufzubeschwören. Mir fiel einfach nichts Besseres ein. Ich hatte überhaupt keine Pläne, lebte in den Tag hinein, versuchte mich abzulenken und verlor auch noch den letzten Rest Mut. Alle funktionierten, gingen zur Arbeit verdienten sich ihr Feierabendbier, den Unterhalt für ihre Familien und Autos, den Monatsbeitrag für den Tennisklub, wussten immer wo es lang geht und wohin sie in den wohlverdienten Urlaub fliegen nur ich wusste überhaupt gar nichts. Nur eins: Der nächste Job, egal wo, egal was, musste die Erfüllung sein. Und noch etwas, ich wusste, dass ich nicht wusste wie lange noch etwas aus dem Geldautomaten kam. Ich hatte nicht einmal den Mut auf meinen Kontoauszug zu schauen. Ich machte also nichts und traf niemanden, saß nur herum und blies Trübsal, normalerweise. Doch an diesem Tag besuchte mich ein Freund. Roman war zu Besuch in seine alte Heimat gekommen, hatte seine afrikanische Frau mitgebracht und kombinierte gerade das Angenehme mit dem Unangenehmen, also Urlaub mit Arbeit - ich weiß auch nicht warum ich Arbeit immer mit Kummer und Last gleichsetze. Er suchte jedenfalls für sein Modelabel, das er zusammen mit Jojo, seiner Frau, in der Hauptstadt von Ruanda gegründet hatte Investoren und bei mir gerade Mut um weiter zumachen. Seit einem Jahr gab es RWANDA CLOTHING (Achtung Werbung:rwandaclothinghome), zum ersten Mal hatten sie mit ihren Designerklamotten Gewinn gemacht, dennoch brauchte er seelischen Beistand um weiterzumachen. Unternehmensgründungen sind nicht nur in Deutschland riskant und beschwerlich und hier gibt es immerhin Sparkassen mit Förderungsfonds für Start-ups von Jungunternehmern. Roman kennt mich und sich und weiß, dass es ihm gutgeht, wenn es den seinen gutgeht, wir kennen uns mittlerweile seit fast zwanzig Jahren, daher versuchte er mir Mut zu machen, damit ich glücklich werde, um wiederum daraus Tapferkeit für sich schöpfen zu können. Er wußte besser als ich was für mich gut war und lud mich nach Kigali ein, damit ich endlich aus meinem Trott herauskommen, neue Erfahrungen machen und verdammt nochmal endlich darüber schreiben konnte was mich begeistert und von Ruanda war er überzeugt, dass es in mir etwas bewirken würde was mich zum Schreiben bewegt. Roman war schon immer davon überzeugt, dass ich zum Schreiben geboren bin, nicht zum Schreiben von Romanen, zu nichts Ausgedachtem, sondern über Dinge, die ich erlebe, die mich fesseln, mich in ihren Bann ziehen und die dann Leser fesseln und in den Bann ziehen. Von meinem letzten Job als Redakteur beim Regionalfernsehen war er nicht einmal ein Bisschen überzeugt. Statt meinen eigenen Stil zu finden würde ich ihn mir versauen sagte er mir bevor ich vor drei Jahren anfing mir meinen Unterhalt mit dreieinhalb-minütigen Fernsehbeiträgen über Dorffeste zu verdienen. In einem Monat würde er wieder zurück in seine neue Heimat fliegen und ich sollte mitkommen. Meine erste Frage nach Romans Angebot: Gibt es da Bars in denen man rauchen kann? Roman Antwort: Ja und zum Teil mit nur einem Tisch, da kannst du in Ruhe schreiben und die Zigaretten sind günstig und gutes Bier gibt es überall. "Du musst ja nicht den Rest deines Lebens bei uns verbringen, du lebst in unserem Haus, konzentrierst dich auf das Schreiben und wenn du endlich mal was von dir einem Verleger geschickt hast, reist du mit dem Geld weiter und machst endlich das was das Schicksal für dich vorgesehen hat." ...und nun sitze ich hier! ;)
Posted on: Sat, 05 Oct 2013 17:16:00 +0000