Öroz HAIDAR DES HIMMELS SPRINGBRUNNEN - TopicsExpress



          

Öroz HAIDAR DES HIMMELS SPRINGBRUNNEN Aphorismen Sonette Gedichte Verantwortlicher Redakteur und Autor des Vorwortes: Hans-Reinhard HÖRL Literaturwissenschaftler (Deutschland) Aus dem Usbekischen ins Deutsche übersetzt von Mirsali AKBAROV KARSCHI „NASAF“ 2013 ÜBER DEN AUTOR Öroz HAIDAR – geboren 1957 im Tschiroqchi-Rayon des Kaschkadarja- Gebiets der Republik Usbekistan. Absolvent der Nationalen Universität Usbekistans. Zurzeit arbeitet als Chefredakteur der Zeitung „Posbon“, die von der Verwaltung für innere Angelegenheiten des Kaschkadarja-Gebiets herausgegeben wird. Er ist Autor von dichterischen Werken wie „Quyosch ötovi“ („Die Sonnenjurte“(1984), „Kuylovchi toschlar“ („Singende Steine“ (1990), „Qizaloq va qizg’aldoq („Mädchen und Klatschmohn“(1993), „Aksioma“ )“Das Axiom“), „Hazilkasch qisch“ („Witziger Winter“(2003), „Oq soya“ („Weißer Schatten“ (2004), „Vaqt iztirobi“ („Das Leiden der Zeit“ (2005), „Yaylovdagi oq chodir“ („Weißes Zelt auf der Weide“ (2005), „Ruhafzo“ („Lebenspendend“ (2006), „101 Sonet“ („101 Sonette“ (2010), „Kechikkan fasl“ („Verspätete Jahreszeit“ (Auswahlband, 2010), „Falak favvorasi“ („Des Himmels Springbrunnen“ (2012) und Prosawerken „Talvasa“ („Agonie“ (2004), „En“ („Breite“ (2005), „Ikki ölim“ („Zwei Tode“ (2011), „Zarralar“ („Körnchen“ (Aphorismen, 2012) sowie einer Reihe von publizistischen Sammlungen. Auf der Grundlage des Kriminalromans „Talvasa“ („Agonie“) ist ein mehrteiliger Videofilm aufgenommen. Sein Drama „Kechikmagan tazarru“ („Nicht späte Reue“) wurde im musikalischen Dramentheater des Gebiets inszeniert. Die Bücher des Dichters erschienen in englischer („White shadow“) und türkischer („Beyaz go’lge“) Sprache. Sein Gedichtzyklus ist ins Russische, Assamische, Tadshikische und Kasachische übersetzt und erschien in assamischer Sprache in der „Anthologie der usbekischen Poesie“, die in Indien herausgegeben wurde, sowie in der „Anthologie der usbekischen Poesie des XX. Jh.“ ………………………………………………………………………………………. K Ö R N C H E N Aphorismen Die Aphorismen werden nicht auf der Tribüne geboren. x x x Das Unglück ist der Anfang des Glücks, das Glück – des Unglücks Ende und das Leben irrt zwischen ihnen umher. x x x Auch eine tote Ratte trägt den Seuchenkeim. x x x Der Verfall – ein Mensch, der gedenkt sich selbst zu begreifen. x x x Furchtbar ist Hunger der Satten. x x x Wer in der Grube liegt, vergisst den Qibla.* x x x Liebe ist Traum einer dürstenden Seele; Hass – Hilferuf des kummervollen Stöhnens. x x x Freiheit – Träne im Auge des sterbenden Königs. x x x Liebe – Blume des Todes, Hass – die Schmutzlache des Lebens. x x x _________ *Qibla – die Seite, nach der sich die Mohammedaner während des Gebets richten. Die Freiheit wird nicht geschenkt, die geschenkte Freiheit ist halbe Unterwürfigkeit. x x x Des Glückes Last ist leicht, aber der Weg zum Glück – schwer. x x x Dem Sargmacher fehlt es immer an Särgen. x x x Des Wortes Schwere verursacht Berge aus Sand. x x x Ruft die Seele, ist stumm der Leib. x x x Der Mensch beschäftigt sich seit seiner Entstehung nur damit, den Ast des Baumes abzuschneiden, auf dem er selbst sitzt. x x x Das Flehen – Geduld, die man im Herzen hat. x x x Wenn das heimtückische Leben dich betrügt, ist Hoffnung die Retterin allein. x x x Der Stillstand – im Feuer gefrorenes Wasser. x x x Wenn man liebt, erscheint auch die Hexe einem Engel gleich. x x x Wer sein Wesen verbirgt, bahnt sich den Weg zur Liebe. x x x Ein Mensch ohne Freiheit – ein käufliches Gut, das jeder erwerben kann. x x x Ist denn das Leben Krankheit? Sokrates hat recht. Das Leben – noch nicht gegrabenes, fremdes Grab. x x x Der Menschenhaufen schafft nicht, sondern ist nur schaulustig. x x x Verliert der Arme etwas, so verliert er nur seine Armut. x x x Das Leben – Rätsel und Knoten ohne Lösung. x x x Beim Singen vergisst auch der Vogel seine Gefangenschaft. x x x Andenken ist ein Spiegel, der nicht zerbricht. x x x Die Liebe ist stärker als die Erdanziehungskraft. x x x Die Welt – ein Vogelmarkt, auf dem dein Einkauf die Lärmkulisse ist. x x x Die Liebe ist die Hebamme der Einsamkeit. x x x Das Wort – ein Bürger ohne Staatsbürgerschaft. x x x Wo die Lobpreisung sich vermehrt, hört alles auf, sich zu bewegen. Auch die Erde. x x x In der Bewegung ruht die Bewegungslosigkeit, in der Bewegungslosigkeit – die Bewegung. x x x Der Teufel hat weder Mutter noch Vater. Er hält jedermanns Dach für sein Obdach. x x x Die Tücke ist eine Peitsche, die den Tiger auf verschiedene Art und Weise tanzen lässt. x x x Geboren von der Peitsche des Gottes, sind wir verdammt dazu, seine Spiele auf ewig zu spielen. x x x Auch beim Anschauen des Tigerbildes fühlt man sich mutig. x x x Die Mädchenseele ist wie ein Spiegel. Wird von einer Träne klar. Und zerbricht vom Steinwerfen in Scherben. x x x Das Leben ist ein Theater. Wir sind beides: sowohl Schauspieler als auch Zuschauer. x x x Wir zerstampfen die Erde und bitten um ihren Schutz. x x x Der Löwe steckt nicht den Kopf in die Hundehütte. x x x Mit deiner Ehefrau kannst du fünfzig Jahre zusammenleben und ihr dennoch fremd bleiben. Leben heißt kämpfen mit sich selbst. x x x Die Familie – ein alter Koffer voller Kleinigkeiten. Wenn man auspackt, kann man nicht mehr einpacken. x x x Nietzsche – Herz Europas, Auge des Ostens. x x x Sokrates brachte die Weisheit nicht schriftlich, sondern mündlich zum Ausdruck. So kann sie nicht gestohlen werden. x x x Sokrates trank Gift, Ciceron wurden Kopf und Arme abgeschnitten, Seneca öffnete sich selbst die Adern, verabschiedete sich so vom Leben. O, des Genies bitteres Schicksal! Genie ist Untergang. x x x Weisheit – Geburt des Genies. Genie – Opfer der Weisheit. x x x Das Geschwätz – Wasser, das man auf Sand gießt. x x x In der Erde wird alles verfaulen, auch das Eisen. Und der Stein blüht auf, verwandelt sich in Gebirge. Stein – des Himmels Mühle, er hält die Welt für Korn und fähig, es zu dreschen. x x x Liebst du vernünftig, dient dir der Verstand. Der Hass – ein Wolf, der nicht mehr gehen kann. x x x - Was ist die Welt? - Eine Bettlerin. x x x Nur die Hoffnung verspricht Glückseligkeit. x x x Wenn die Ameise Hunger bekommt, erscheint ihr das Korn wie ein Berg. Und beim Schleppen des Kornes glaubt sie, einen Berg zu schleppen. x x x Der Gräuel wird im Bauch des Wolfes geboren. x x x Dort, wo die Willkür einzieht, werden die Zeugen vernichtet. x x x Der Rausch ist nicht nur Trunkenheit, sondern auch Lähmung des Geistes. x x x Die Wahrheit ist der Gott selbst. Wir können Ihm nicht Auge in Auge begegnen. Bei jedem Vorhaben, das wir gerecht ausführen, kommt Er zum Vorschein. x x x Richtig sprechen ist auch Kunst. x x x Dort, wo Leben und Tod sich verbinden, entsteht die Liebe. x x x Jemand, der schneller alt werden will, ist ein hoffnungsloser Mensch. x x x Die ganze Unbekanntheit ist das Ergebnis der Bekanntheit. x x x Das Genie entsteht durch das Gesetz Negation der Negation. x x x Wer sich vor sich selbst nicht fürchtet, hat keine Angst vor dem Gerichtstag. x x x Es gibt zwei Arten der Feigheit: eine ist pure Gehorsamkeit, die andere – ausschließliche Vernünftigkeit. x x x Die Ziffern haben keine Farbe, keine Harmonie. Ihnen wohnt die Ordnung inne, damit sie einander ergänzen und wiederholen. x x x Eine aus Ungerechtigkeit vergossene Träne erschüttert die Erde. x x x Liebe – die nicht umarmte Frau. x x x Irgendjemand hat mich heimlich auf der Abschussliste. Eigentlich wird diese Feindschaft nicht gegen mich, sondern gegen mein Talent gehegt. x x x Dort, wo Feindseligkeit und Missgunst herrschen, wird die Weite enger und die Erde verliert an Gewicht. x x x Falls du mit eigenem Blick nichts gefunden hast, schau mit dem Blick von Aristoteles. Etwas wirst du sowieso finden: wenigstens, dich selbst. x x x Der Flug der Berge zeigt sich im Stein, der vom Felsen hinunterstürzt. x x x Gehässigkeit – ohne Liebe aufgewachsenes Kind. x x x Die Lüge in der Literatur ist das Almosen des Bettlers für den Reichen. x x x In der Pfütze vermehrt sich nur die Kaulquappe. x x x In die Sonne kann man erst bei ihrem Untergehen schauen. x x x Der Fluss tobt und bringt Unglück erst dann, wenn man das Ufer verlässt. x x x Ein guter Hund zeigt nicht seinen Kadaver. x x x Dem, der es gewohnt ist, salziges Wasser zu trinken, scheint das Quellwasser herb zu sein. x x x Der Hirt bewahrt seinen Stock an der Zimmerdecke auf. x x x Die Not ist eine Intrigantin. Sie verdirbt alles. x x x Elend – ein fauler Apfel. Macht kein Vergnügen. x x x Die Liebe einer Frau lässt erwachsen werden. x x x Die Freude, die du am Wiederholen des Namens deiner geliebten Frau hast, ist dein Lebenslied. x x x Auch die zornerfüllteste Frau kannst du zum Lächeln bringen, wenn du ihr sagst: Ich liebe dich. x x x Panik – das Vorspiel der Angst. x x x Der Mensch sehnt sich mehr nach dem, was er verloren hat. x x x Stumpfsinnigkeit – tölpelhafter Jüngling. x x x Ehe – Schlüssel zur Ordnung. x x x Für einen Liebenden und Geliebten gibt es in allem eine Melodie, sogar in der Stille. x x x Herz – Pyramide des menschlichen Lebens. x x x Zwietracht – Merkmal der Vernichtung. x x x Wesen – die Inhaltslosigkeit ergänzender Inhalt. x x x Dort, wo Willkür herrscht, versinken sogar Berge. x x x Es ist krank, einen Kranken auszulachen. x x x Falsche Freiheit – elegant gekleidete Schamlosigkeit. x x x Wunschtraum – Reifezeugnis. x x x Bücherlesen – in der Welt einzige erquickende Krankheit. x x x Zwanghafte Sitzungsaktivität ist nichts anderes als Müßiggang. x x x Der kluge Feldherr ist selbst ein großes Heer. x x x Ein kluges Tier – der Wolf verkauft nicht seine Ehre. x x x Jeder Gewalt liegt Feigheit zugrunde. x x x Erfahrung – ein Lebensspiel. x x x Mach dein Glück so, damit es alle in Erstaunen versetzt. x x x Der Gedanke ist Gegengewicht. Er bewahrt das Gleichgewicht des Lebens. x x x Lerne fremde Sprachen, aber vergiss nicht deine Muttersprache. Wer seine eigene liebt, kann auch andere Sprachen lieben. x x x Der Unterwürfige ist ein Gefangener auch in der Freiheit. x x x Unvernunft – Hymne der Gleichgültigkeit. x x x Neid – blinde Schlange, beisst den ersten Besten. x x x Schatzkammer – bist du selbst. x x x Wunsch – Ernährerin des Willens. x x x Die Welt ist eine Karawanserei. Sie ist keine ständige Raststätte. Man irrt, wenn man sie in eine ewige Raststätte verwandeln will. x x x Das Wort Nötigung ist eine unverzeihliche Beleidigung. x x x Leidenschaft – zweitrangiger Held. x x x Im Film fällt der Held schnell auf, aber im Leben versteckt er sich vor den Massen. x x x Die Losungen reizen die Augen, nicht das Herz. x x x Wenn er zu lange liegen bleibt, wird auch der Schnee matschig. x x x Lebensliebe beginnt mit der Liebe zu einer Frau. x x x Der Aufruf an alle, eine Melodie mitzusingen, ist Atheismus. x x x Nawoi – des Genies Gold in Barren. x x x Ausrede – halblautes Singen der Ordnungsstörer. x x x Im Unglück hat selbst das Haar einen Schatten. x x x Unfertige Schlussfolgerung – Schlinge der Niederlage. x x x Wenn du für dich selbst nicht zu leben weißt, kannst du auch nicht für andere leben. x x x Der Hund kaut Papier, wenn er hungrig bleibt. x x x Die Last der Liebe ist schwer, sogar die Erde kann sie nicht tragen. Dazu fähig ist nur das Herz. x x x Der Baum vertrocknet im Schoße seiner Wurzeln. x x x Im seichten Wasser schwimmen keine Fische. x x x Lächeln – Gabe der Liebe. x x x Auch beim Anblick eines leeren Throns gerät man in Panik. x x x Unerwartete Gefahr schweißt die Menschen mehr zusammen als absehbare Gefahr. x x x Ein sklavisches Herz wird gemein. x x x Falsche Frömmigkeit vernichtet die Geduld. x x x Die Selbstsucht des Menschen kommt in seinem Aufruhr gegen Gott klarer zum Vorschein. x x x Sowohl Leben als auch Lebenskampf als heilige Aufgaben rufen uns auf, immer wachsam zu sein. x x x Ein leidendes Herz ist ein richtiges Herz. _____________ DES HIMMELS SPRINGBRUNNEN S o n e t t e GOTTESDIENST (IBODAT(14) Wenn ich schwinde, will ich schwinden wie Alexander, Gib mir keinen Brokatmantel, keine abgetragene Kleidung. Diese Welt ist doch ein uraltes Ding auf deinem Markt, Wenn du willst, werde ich wie ein Berg stürzen. Die Abgründe werde ich überfliegen, merke dir das, he, Möge der ungeworfene Stein mir die Flügel brechen, still. In den Blitzen hinterlasse ich mein Alltagsleben, Wenn du spurlos schwindest, brenne ich als deine Spur. Ein Lied komponiere ich aus dem Geflüster der Stille, Möge klirren die blaue Mähne des Flügelpferds der Zeit. Tu die Augen auf vom Schall und Geheimnis der Schneeflocken. Zu dir kehrt der Bettler wie ein König zurück, Gut, möge niemand aufstehen aus seinem Grab, Möge meine Klause sein – Sowohl Vertrauter als auch Gedanke für mich. GEDANKE NACH DEM TRAUM (TUSHDAN KEYINGI O’Y (16) Was habe ich heute gefunden, indem ich auf Sie böse war, Bei helllichtem Tag habe ich meinen Weg verloren. Habe ich mich nun von mir selbst befreit – Indem ich das junge Bäumchen abhackte, das ich selbst gepflanzt?! Den Himmel habe ich wie Papier verbrannt, Um ihm nicht ins Garn zu gehen. Den Gebirgspass, den alle eroberten, wollte auch ich erobern und habe mich verirrt. Ich war Ihnen böse und verlor mein Spiegelbild, Habe meine Decke verbrannt, nicht einmal ein Floh war darin. Sie sind klug, haben mich nicht zum Vorbild genommen, Sie haben mich wieder ohne meine Seele ins Grab gebracht. Bewusst sehen Sie mich noch verwundert an, Wie einen, der am Leben geblieben Nicht in einer Höhle, sondern im Grab. x x x (20) Ich liebte dich – das war meine ganze Schuld, In meiner Liebe gab es keinen ungerechtfertigten Anspruch. Ich dachte, dass sie mir zum Abschied, Tropfenweise Wasser gießen wird in den Mund. Alles vorbei! Alles ist Traum – Verwirrung, Der Ballon flog in die Luft – platzte. Kaltblütig sage ich zu den Sternen: Adieu! Auch auf den nackten Mond blicke ich nicht zurück. Beim Liebkosen schaut auf dich Deine Geliebte wie ein unschuldiges Kind. Mit Blicken, die gereinigt sind von der Liebe, Versetze in Erstaunen sogar die Steine. Da wurde ich zur Zielscheibe des Spotts, Wie in leeren Strichen zittert das Herz. x x x (21) Wie schwer, den Wein der Lieblosigkeit zu trinken, Wie ein Heimatloser umher zu ziehen. Den Liebesbrief im Feuer zu verbrennen, Ironisch auf die Sonne zu schauen. Wie du dir selbst zum ersten Mal, Wie ein Fremder begegnet bist. Wie ein Teufel, vom Jenseits verdammt – Abstrakte Gedanken vermeiden wir. Bei Lebzeiten keine Achtung genossen, Warum beneiden wir die Toten. O, der Lieblosigkeit bitterer Wein – Gift des Satans, Willst das Feuer im Rachen des Drachens löschen. Und auf der Baumwollkapsel Steine züchten, Der Erde uraltes Leid erregend. x x x (26) Leben, treib dein gemeines Pferd nicht an, Obwohl es keine Flügel hat, fliegt es doch. Zünde kein Licht an für deine schwarzen Tage, Frag auch nicht nach deiner Herkunft. Ich suchte ungeduldig nach dem Innersten, Und gelangte immer zu aufhetzendem Aufruhr. Drin schlafen die Sklaven des Ruhmes und der Ehre, Alles in allem ein hoffnungsloser Lärm. Der Zärtlichkeit ferner flammender Klang, Reinigt im Liebeswasser traurige Melodie. In intimen Gesichtern begeistern sich Feurige Ruhe und lebhafte Träume. Entzieh mir die Liebe, auch das Mitgefühl, Ich liebe dich sowieso, Leben! x x x (31) Ich nenne deinen Namen voller Glut, Bedarf denn deine Liebe eines Befehls. Möchte dir flüstern, bin aber kraftlos, Ich weine, sonderbar, ohne Tränen. Die Luft kaue ich – Kehle voller Dampf, Im Traum mache ich Glasperlen aus Sternenstaub. Mir tut der ganze Körper weh, Aber in mir weht ein heiliges Banner. Meine Augen flehen um deinen Namen, Viel gelitten hat mein liebes Wort. Die Verliebtheit wurde mir entrissen, Feuriger Hass ergriff mich völlig. Wem nun der Hass die Augen öffnet, Dem werden sie von der Liebe verschlossen. x x x (33) Unser Schicksal verläuft zwischen zwei Wegen – Sowohl Osten als auch Westen können nicht die Pole sein. Der Sklave Gottes ist nicht fähig, Tribute der Liebe zu zahlen, Im Liebesland sind wir nur arme Untertanen. Wenn Liebe, wartet der Galgen, wenn nicht – eine tiefe Grube, Es ist vergeblich, zwischen zwei Polen zu stöhnen. Dem pollosen Verliebten erweist sogar der Bettler keine Achtung, Wann wurden die Verrückten vom König je freundlich behandelt? Schlotternd blickt die vom Dämon befallene Welt, Brennt dir Tränen aus und trinkt dein Blut. Selbst die Sonne schaut stöhnend auf uns. Und erbleicht zwischen den Wolken. Zwei Seelen sind geschieden, welche Dramaturgie ist das? Uferlos ist mein Fluss und fließt in die falsche Richtung. x x x (34) Alle deine Feinde halten sich für Freunde, Vielleicht hält man dich auch für verstorben, Öroz. Sie weinten nicht einmal beim Tod ihrer Mütter, Und jetzt blicken sie dich an mit bitteren Tränen. Als ob du dich sorgtest um die ganze Erde, Lauschest du immer dem Himmel so. Wird denn die Kugel des Willens fliegen, Wenn sie in der Asche Glut die Pracht der Schönheit sieht. Als ob Verrückte in der Fremde Ruhe hätten, Ist doch der Zauber im Glanz der Perle vorbei. Weder das Sternenlicht kann dich erwärmen, Noch kannst du Käufer für Himmels Melodien werden. Mit Liebe und Vertrauen kann man leben, Wenn man die letzte Hoffnung nicht aufgegeben. x x x (35) Eines Tages wird dein Maß voll sein, Geburt und Tod umspannen das Menschenschicksal. Bei Lebzeiten sind wir alle vergänglich, die Kraft zu existieren gibt uns nur der Gott. Als die Menschheit einstmals von der Erde verschwand, Hat sich die Erde nicht geneigt. Auch die Berge versanken nicht, o Gott, Wohltuendes Wasser regnete vom Himmel herab. Das Leben ist also, Anreiz Gottes, Seelengnade ist Selbstanalyse. Falls in deinem Spiegel der Schatten tanzt, Die Welt ist ein hoher Aschenhaufen. Nur der Geist wird Kern für Identität, Existenz ist ein altes Ding, das jedermann verhüllt. x x x (37) Die Schopflerche schwebt am Himmel, Ihre Flügel glühen in der Sonnenflamme. Als ob Erden- und Himmelsleben von ihr abhänge, Hält sich für einen lebendigen Fixstern. Heil und ganz bleibt die Erde in ihrem Schatten, Die Weite schlummert – wirft den Strick an den Horizont. Ihr fehlt Beharrlichkeit, den Himmel zu erheben, Und schlägt mit ihren winzig kleinen Flügeln. Gerät von Jahrhundertealten Träumen in Erregung, Doch von der Erdenliebe mehr begeistert, Wünscht von dem Gott des Blitzes keine Erlösung Die verwöhnte Kleine – Wächterin des Guten. Auf ihren zitternden Schultern hält sie den Himmel, Und bricht sich ewige Bahn zum Aufstieg. x x x (40) Im Herd brennt es, dennoch kocht es nicht im Kessel, Der Fluss ist wasserreich, aber er fließt nicht. Ungebunden sind die Berge, jedoch bewegen sie sich nicht, Es blitzt tausendmal, brennt der Himmel nicht. Wenn das Garn der Grobheit gefangen nimmt, jäh, Strahlt die Sonne keinen Glanz mehr aus. Und das Heer von Wolken kann nicht ziehen In Richtung des Horizonts. Im Spiegel erlischt des Himmels Antlitz, Es wird dunkelgrau um die Welt. Vom Zorn der Blumen beginnt des Herzens Agonie, Das Meer atmet nicht, der Wind ist gefesselt. Du bist gekommen, der Spiegel blitzt auf, Das Volk atmet die Luft wie zum ersten Mal. x x x (53) In seinem Leben hat er nie Gäste empfangen, Sogar sich nach seiner Mutter nie gesehnt. In toter Mundart spricht er immer, Hat nie an die Tür des Freundes geklopft. Er spart sogar die Luft und atmet kaum, Sinnlos wie das Hobeln eines gehobelten Holzes. Für ihn ist die Sonne Gefangene, die Welt – Käfig, So ist er wie ein Lakai unverrichteter Dinge. Inhaltslosigkeit hat sich in sein Alphabet eingeritzt, Auch sein Tischtuch ist beschmutzt Sowie uferlos ist sein Fluss… Die Blumen schließen ihre Augen bei seinem Anblick, Er kann nicht blitzen, kein Feuer anzünden, Taubstumm krümmt sich der Donner. x x x (59) O mein Wegbegleiter, zeige mir den Weg, Alle unbekannten Wege sind mir bekannt. Ist denn alles Traum, was ich gesehen und erlebt, Der Wachsamkeit Glocke – jede versäumte Gelegenheit. Im Steinsack habe ich nur gelebt, Auch dein Lächeln berührt wie ein Stein. Und beugt die Berge wie eine Rute, Wo ich auch abgestiegen – Fremde und Gram. Wie ein Sklave, der den König mit Fliege verglichen, Vor Wut der Rache bin ich noch nicht verbrannt. Ist denn mein Weg – Weg eines Toten – Ohne Sarg kann man nicht das Ziel erreichen! Weglose winken nur mit einer Hand, Verschwinden im tiefen Graben des Scheidewegs. x x x (61) Meine Augen sind offen, aber blind, Stockfinster ist mein lasurfarbener Himmel. Vor der Kälte Wut taut mein Schnee, Der Samum* lässt es gefrieren. Mir scheint, dass ich fliege, Auf Erden gibt ’s keinen Platz für mich, um Fuß zu fassen. Ach, meines Engels Blick ist wie ein Pfeil, In jedem Körnchen ist mein Elend eingeschlossen. Ich bin der Mörder der Träume – ein hoffnungsloser Sklave, Auch der Mond schämt sich, mir den Weg erhellen nicht zu können. Und der Wind bleibt mir teilnahmslos, Heult wie ein Wolf im blassen Mondschein. Die Nacht – Drache, aus seinem Rachen Verbreitet sich wie pechschwarzes Feuer, das Erde und Himmel erfasst. _______ *Samum – warmer, trockener Wind. x x x (67) Wenn ich mich von Ihnen fernhalte, verliere ich meinen Weg, Möchte mich sogar vor mir selbst verstecken. Ich mache schon einen Fehler, ehe ich mich bewege, Irgendjemand verfügt über meine liebe Blume. Einem Weglosen ruft der Tod zu, Auch die Sonne wird blutdürstig. Es ist entzückend, dass der Kranke lacht, Er weint vor Freude und lacht über sein Leid. Oh, liebe Blume, meine Seele ist zerschnitten ohne eines Messers Schneide, In Ihrem freien Atem möchte ich leben. Denn Ihr Atem gibt der Liebe Kraft, Dass in der Glut der Hölle eine Blume wachsen kann. Die schlummernden Weiten und den Himmel Wird der Sonne Ruf mit Ungestüm erfassen. x x x (76) Weine nicht mehr, du, meine Blume, Möge jetzt für dich der Himmel sich ausweinen. Für den Lieblosen ist ‘s immer leicht zu leben, Sag mal, was ist das, ein Tag ohne Liebe? Wie ein Wandrer am Anfang des Weges, Wartest du wortlos und stumm. Am Himmel scheint ein mattes Mondlicht, Über deinem Kopf erhellt sich die Nacht. Weine nicht mehr, du, meine Blume, Hör nur mir zu, wie die Sonne lacht. Großen Herzens Heiligtum – der Ewigkeit Kern. Möge dies auch dein Inneres schmücken. Dann verbrennt deiner Schönheit Schatten, Die feurige Magie des Rings zauberhafter Liebe. x x x (83) Ich bin verlegen, immer sesshaft zu leben, Es ist vielleicht des Stillstands Ergebnis. Entweder suche ich nach der Sprache der Erde Oder erkenne nicht die Gnade des Weltalls. Meiner Seele ist näher das starrköpfige Rom als Marw, Ich erinnere mich an den Schlag der Peitsche Attilas. Strahlend ist jeder Buchstabe im Worte des Propheten – Entstanden aus der Flamme – Fahne des Guten. O, uraltes Asien, auf deiner Schulter Gibt ‘s das Siegel des Hirtenstocks. Du bist selbst Hebamme für das Schicksal, Holst doch Luft vom Atem des Säuglings. Suchst nach deiner Spur im Schatten der Sonne, Im winzigsten Körnchen schlägt die Glocke an. x x x (90) Warum liebst du diese sündhafte Welt? Ihr Leichengewand hältst du fürs Hochzeitskleid. Und als Gnade deutest du ihre Wurfschlinge, Ist das denn Anreiz für dein Leben? Hochmütig blickst du umher: Vergisst, dass das Leben ein Blumengarten ist. Und einen jeden trostlosen Augenblick Fesselst du ans Nichts und bist ganz vernichtet. Der Ehrlose ist ein rechtloser Sklave, Er setzt sein Obdach aufs Hasardspiel. Seine Mutter vergleichend mit einer Hexe, Hält für Segen den Fluch seines Vaters. Wer sammelt in Vernunft des Ozeans Macht, Lässt seine Hände von dieser Welt. x x x (102) Sagen Sie mal, wer ist diese Schöne? Auf wen wartet sie am fernen Meeresufer. Warum ist ihr Tuch so zerknittert, Sie hört ja gar nicht mein Stöhnen. Die tiefe Grube, die mein Leben heißt, Widerspiegeln die Sterne in ihrer Locke. Ihre zwei Augen sind Herzensdiebe, Meinen Herzensfleck zeigend auf dem Mond. Wer mag sie sein? Wandert am Ufer alleine, Und spricht weißen Wellen ihr Leid zu. Huri, Fee oder Wassernymphe, Warum sucht sie ihren Geliebten im Meer, verzweifelt vor Trennung und taucht auf An jedem Ufer… wieder und weint bitterlich. x x x (109) Wenn im Kreise der Zecher sich die Seele krümmt, Schüttelt sich der Galaxis Rand sprachlos. Berauscht klingt jeder Stern, Sogar die Gletscher werden erweckt. Schwer atmet auch der Himmel, Wie ein gelähmter Kranker. Selbst die Berge setzen sich in Bewegung, Sobald der Morgen sein schneeweißes Leichengewand zur Schau stellt. Solch eine Spielerin ist die Welt von alters her, Ihre Peitsche ist Heuchelei und Tücke. Im verlogenen Traum strahlt geziert Bittere Bosheit, kein Trost fürs Herz. Der Verurteilte singt kein falsches Glückslied, Denn sein Herz schlägt Ohne Tücke und Heuchelei. x x x (110) He, mutiger Held der Seele, Scharia-Kenner, das Juwel der Vernunft sammelnd. Wann wirst du den Schaden des Himmels ersetzen, Da du an rechtloser Liebe gelitten. Packst alle vier Seiten an den Rockschößen, Erweckst den Gott der Rache. Auch die Masse der Unkundigen, Verteidigt die Lüge unter deinem Schutz. In des Taues Flamme wird die Sonne geboren, Deine Tränen lassen selbst das Eis schmelzen – Und die Steine tanzen im Wasser, Verwundert fällt des Himmels Tänzerin in Ohnmacht. Wie das Quellwasser sprudelt vom Geheimnis der Wasserpflanzen, Sanft lächeln und träumen jetzt auch die Steine. DER ZEIT LEIDEN (VAQT IZTIROBI) G e d i c h t e PFLICHT (B U R C H(110) Pflicht – eine gerade Linie, Die zwei Punkte vereint. Ähnelt manchmal einer Sackgasse, Wie ein Mensch, dem es schwindlig ist, Taumelt und stößt sich Gegen das Hindernis absichtlich. Wie ein Mensch, der sich Auf der Strasse selbst begegnet Und sich verbeugt vor seinem Schatten. Wenn die Pflicht An ihrem Herrn vorbeigeht Ohne ihn zu erkennen, Errötet sie mit einem Mal Wie ein Kind. Aber kennt kein Mitleid Wie das Kind. Kümmert sich nicht um ihren Herrn, Welcher sich ausstreckend Über der tiefen Grube der Trauer Den Atem verliert. Pflicht – ihrem Herrn ergebener Sklave, Der nicht lügen kann Und sich nicht fürchtet Belogen zu werden. Zwischen zwei Punkten Ist die Pflicht eine Insel, Von der es keine Rückkehr gibt. 1991 x x x (43) Die Nacht ist ein Trauergesang, Verfasst von den Dichtern. Jeder Stern eine Trauer Kerze. Der Morgen ein entehrtes Mädchen, Im Feuer der Dämmerung brennendes Los. Mit solcher Farbe sehe ich, was zu tun, Denn die Welt ist mir ein Geheimnis. Wie kann einer die anderen lieben Wenn er sich selbst zu lieben nicht weiß. 1995 x x x NACHTLIED (TUN HAQIDA QO’SHIQ(137) Am Himmel, wo der Mond seine Münze verloren, Erlischt das Kerzenlicht der Sterne. Es tut niemandem leid um die Nacht, Die traurig wie ein verirrtes Mädchen ist. Die Nacht über heult der Wind Durch die Gärten schwer atmend. Schwach reibt er sich am Fenster Und bleibt suchend trostlos. Die Farben haben ihre Pracht verloren, Düstere Bäche zittern stumm. Lautlos haben sich die Bäume aufgestellt, Und recken sich gegen das Dunkel. Die Nacht ist eine Verbannte, eilt ruhelos dahin, Seit tausend Jahrhunderten schläft sie nicht. Jemand scheint ihr Haus zerstört zu haben, Um Obdach bittet sie die Finsternis. Wind, lies ein Märchen vor! Oibek (11) Wind, weine in meinem Haar, Mein Haar ist des Tages Widerspieglung. Der Himmel legt sich auf mein Haupt, In meinen Augen tanzt der Mond. Möge sich der Berg beruhigen Und verbeugen vor dir. Möge der Garten singen in meiner Brust Vom Klingen des Blätterfalls. Mögen aus dem Füllhorn der Sonne Die Schneeglöckchen überschüttet werden. Möge das Herz aus heller Liebe Wie eine Rose aufblühen. Wind, sing in meinen Augen! 1980 x x x DIE WELT(DUNYO(23) Das Leben ist nicht ein Aufs Hasardspiel gesetztes Unterpfand. Glück und Trauer verteilt es an jeden. Der Henker hält sich nicht für einen Mörder, Der Dieb empfindet sich nicht als Dieb. Wenn ich stammle wie Sklavensohn Äsop, Will ich mein Schicksal nicht ins Lächerliche ziehen. Niemals vollkommen ist das Menschenlos, Auch dich hat die Welt Nicht vollkommen erschaffen. 1980 BEDAUERN (ARMON(34) Die Jahre haben mich überholt, O, wo bist du heute, meine Karawane. Die Seele ist verstreut wie der Staub, Zum Sarg wurde die Leiter, die ich gebaut. Leer ist der Pfahl meines Großvaters Pferd, Meine Spuren sind grasbewachsen. O, ist denn alles schon Vergangenheit, Obwohl die Erinnerung lodert in meiner Brust. Jahre – Feiglinge, Jahre – Lügner Nie sind sie müde zu betrügen. Wie eine Sanduhr schüttet sich dein Leben aus, Dich fragt man nicht danach. Auch das Älterwerden ist eigentlich Glück, Ein unerfüllter Wunsch von Jugend an. Das Leben – ein Karawanenführer, der oft Geirrt, endlich seiner Karawane begegnet. 1995 x x x DAS WORT (SO’Z(63) Das Wort kein Vogel, sondern schwerer als Erde, Jedoch kann es fliegen. Sein einziger Flügel der Himmel, Und die Erde – sein Gesicht. So freigebig und großherzig ist das Wort, Ohne Schärfe verstreut es des Weltalls Sterne. Wenn es auch in die Welt blickt, Blickt es immer mit den Augen der Sonne. x x x IN DER EINSAMKEIT (YOLG’IZLIKDA(105) Einsamkeit ist Unabhängigkeit. H. Hesse Ich bin doch unabhängig, Hände weg! Mein Licht werde ich aus eigener Kraft erhöhen. Als ob ich mich selbst zum ersten Mal erblickt hätte, Habe ich die Wege nach meinem Weg gefragt. Wenn ich Gedichte schreibe, so über mir Vertrautes Richtet das Gewehr gegen mich und staunt sprachlos. Sogar die Einsamkeit hat Angst vor ihm, Verkauft ihre Freiheit, um am Leben zu bleiben. Also, die Sonne am Himmel nicht verlachen. Die Sonne gehört den Tausenden, nicht nur dir. Und halte dein Herz im Zaum, Auch die Einsamkeit ist nicht völlig selbständig. 1989 x x x DIE LIEBE (MUHABBAT(102) Ich strebte immer zu dir, soweit ich denken kann, Wirklich zu dir zurückzukehren auch bei der Rückkehr. Mich selbst habe ich stets ausgelacht, wenn ich lachte, Und mein altes Lied wiederholt gesungen. Warum habe ich, Irrsinniger, Tölpel, mich gerühmt, Warum in meinen eigenen Garten Steine geworfen. Die Tür zum Paradiesquell hat sich nie geöffnet, Im Gegenteil, hinter mir ward die Hölle los. Was steht mir bevor, weiß ich nicht, Und was für Lieder müsste ich noch singen. Aber wieder und wieder werde ich zu dir streben, Zu dir zurückzukehren auch bei der Rückkehr. 2003 x x x DER NACHT UNTERTAN (TUN FUQAROSI) Mond – der Nacht Untertan, Erniedrigt ihn nicht. Seine Worte sind Rufende Sterne. Aus dem Sieb der Helligkeit Wird stimmloser Klang verschüttet. Schneeweiß sind die Haare der Nacht, Wie die Haare der Mutter Des Soldaten, der vom Kriege nicht zurückgekehrt. Blickt blicklos, Stöhnend und traurig Wie der Mensch, der Geht im dicken Nebel. x x x DER TROST (TASALLI) Trübe mein Wasser nicht, Fünfzig Jahre habe ich gewartet, Bis es sich wieder klärte. Schreie mich nicht an, meine Liebe, Die Welt wird immer in deinen Händen bleiben. Aber falls meine Karte gewinnt, Wird der Gewinn natürlich dir gehören. Dir gehören alle Glückszahlen Der Schnee, der Regen sowie alle Lebensfreude. Mir wird ’s reichen Und Überfluss sein in meinem Leben – Dinge zu lieben, die du liebtest. x x x DER SANDMANN (QUMODAM(109) Die Tage haben mich am Hals gepackt, Und mir ins Ohr geflüstert. Sag, wer hat im Leben auf dich gewartet, Wer hat um dich geweint. Wer hat dir Wasser geholt, als du krank warst, Dir das Licht entzündet. He, Sandmann, den Mund voller Sand, Hungrige Schlangen nisten in deinem Herzen. In hungrige Schlangen verwandeln sich die Tage, Und fressen meinen je vergangenen Tag. Ja, auch die Nächte schlafen nicht mit mir, Keinen Schlaf findet der ewige Wächter. So hat mit mir das Schicksal Nachsicht geübt, Fass mir nicht in die Wunde, sagte ich. Und konnte mit Mühe und Not erbitten, Den Verstorbenen nicht zu wecken. 1997 x x x ANGST (QO’RQUV(131) Als ob die Fliege das Krokodil verschlungen hätte, Haben alle ihr eigenes Wort verschluckt. Angesichts der Angst, Lassen alle sich fallen. So benimmt sich einer, Der sich vor sich selbst fürchtet. Und aus Angst verlässt man sich selbst. 1990 x x x SO SAGTE F. G. LORCA (F. G. LORKA SO’ZI (129) Zu einem Tag der Heimat hast du nicht getaugt, Herz! So wie die Heimat zu deinem Tag nicht taugte. So wie das schroffe Echo der ruhigen Tage Im Ruf flügelloser Vögel verbrannt In deinen Augen wieder aufkeimend, Die Tage, die den Flug sehnsüchtig erwarteten, Jedoch in die kruden Fäden der Verzweiflung Sich verwickelnd Die Gesten der Sonne Wollen sich erbrechen. Der Himmel macht ewige Jagd auf Heimat, Seit tausend Jahrhunderten Bittet die Sonne ihn um Obdach, So wie die Heimat den Menschen Um Obdach bittet. Wer würde sonst ihr Hab und Gut bewachen, Auf ewig bleibt er seiner Heimat verbunden, Fehlen wir, fehlt auch die Heimat, Denn jedes Menschenkind Ist selbst ein Teil der Heimat. Wer zu seinem eigenen Tag taugt, Wird zu jedem Tag der Heimat taugen. Wenn du zu deinem eigenen Tag nicht taugst, Wirst du zu keinem Tag der Heimat taugen, Herz! So wie die Heimat zu keinem deiner Tage taugt. 1989 x x x ABSTRAKTHEIT (MAVHUMLIK (122) Abstrakte Philosophie verhört mich von morgens an, Betont hundertmal, dass der Morgen abstrakt sei. Erde – ein abstraktes Lied, und die Sonne formt Aus abstraktem Licht ein Gesicht jedes Mal. Wie eine völlig leere Schüssel Ist das Weltall völlig leer. Und wie ein ödes Feld Schlummert die Welt. Krümmt sich der Himmel, Fahnen aus schmutzigen Wolken hängend, Wie ein abstrakter Traum. x x x DIE FLIEGENDE LEITER (UCHAYOTGAN NARVON (143) Wessen Leiter ist das, Wer hat sie gebaut? Wann habe ich sie bestiegen, Mit meinen Füßen. An den Schultern zieht mich der Himmel, Doch ohnehin Steige ich empor. Es gibt keinen, der sage „zurück“, Von meiner Angst zittert die Menge. Ist denn meine Welt so völlig herrenlos, Bleibe ich frei ohne Erde und Himmel. Heute habe ich das Urteil begriffen, Flugbereit sollte jedermann sein. Zu jeder beliebigen Zeit Lässt man ihn fliegen, Ohne ihn selber danach Zu fragen… FRAGE UND ANTWORT (SAVOL VA JAVOB (63) SOHN: - Weshalb war Avicenna verbannt worden, Warum hatte Nawoi-Bobo im Exil bittere Not erleiden müssen? Lakaien, Selbstsüchtige durften am Leben bleiben, Seltsam, warum ward eigentlich das Genie hingerichtet worden? VATER: - Von den Genies wird das Gegengewicht der Erde aufrechterhalten. Sie wurden verfolgt, um sie auf der Erde gleichmäßig zu verteilen. Weißt du, wenn man Genies an einer Stelle versammelte, Würde sich die Erde zur Seite neigen. x x x DER EHRLICHSTE RICHTER (ENG ODIL HAKAM (37) Der Traum ist ein Richter, welcher Jede deiner Sünden revidiert. Nur er wird dir lautlos sagen, Was dein Vater dir offen nicht sagen konnte. In eine Zeugin verwandelt sich jede deiner Sünden, Deine Sünde wird Verräterin, sie entlarvt dich. Du bist vielleicht treulos oder großmütig, Wer du bist, wird dein Traum dir sagen. Der Traum – alter Freund, welcher Dir böse geworden und dich verlassen hat. DIE SCHLUSSFOLGERUNG (XULOSA(124) Glück heißt ein leckeres Essen, Freiheit ist „Zunge“, die Gefangengenommen vom Feind. Liebe bedeutet „feuriger Kreis“, Und Leben – ein böser Scherz. x x x DIE ENTFREMDUNG (UZOQLASHUV (77) Je mehr entfernt ist die Nähe, Als einsamer Friedhof erscheint die Welt. Je mehr entfernt ist dein Obdach, Beginnst du ’s als Grab zu begreifen. Je mehr entfremdet Liebe ist, Erscheint sie als höhnischer Traum. Je mehr entfremdet… sucht der Wind sich loszureißen, Mit den Ästen der Bäume verbündet. Je mehr entfremdet… schmiegt sich an dich Als Krücke die Einsamkeit. Je mehr entfernt… Mond – schwarze Münze, Gesucht von Tausenden Untertanen. Je mehr entfernt… der Himmel ist, pickt Er wie der Rabe nach den Sternen und versinkt im Blut. Je mehr entfremdet… die ältliche Welt, Versteckt sie vor der Sonne ihre Falten. Je mehr entfremdet du bist in eigener Behausung, Wirst du von allen Dingen verlassen. Je mehr entfremdet du bist von dir selbst, Niemand als du selbst kehrt zu dir zurück! x x x ZWEI MENSCHEN ( IKKI ODAM (38) Ich stelle zwei Menschen dar: Äußerlich einen, innerlich – einen anderen. Wie ein Nachwort des Lebens am Grabstein, Wer bin ich – das will mein Inneres sagen. Wie ein Phönix trinke ich Feuer, Möge die Flamme mich innen verbrennen. Äußerlich setze ich mein Leben ein, Mein Inneres – im Feuer gestähltes Banner. Vielleicht aus diesem Grunde kann ich nicht Seit Jahren mit mir selbst vertragen. Denn die beiden sind zwei Feinde, Seltsam, ausstechen wollen sie mir die Augen. Meine Feinde suche ich nicht draußen, Nein schaut, beide sind meine Richter. Ich stelle zwei Menschen dar und bin bestrebt, Zwei Feinde zu versöhnen. x x x (96) Du bist außerordentlich schön, Wenn du blickst, wird der Spiegel dunkel. Fest schließen ihre Augen alt und jung, Und breite Straßen werden plötzlich eng. Der Berg zittert vor deiner Schönheit, Und der Fluss verliert sein Ufer. Heute ist mein Traum in Erfüllung gegangen, Denn alle kommen heute dir entgegen. Nicht notwendig ist es, Im Ring den Edelstein zu fassen, Da du selbst dem Edelstein gleichst. O, schade, dass du in diesem Augenblick Alle mit den Augen einer Kranken anschaust. x x x x x x (11) Ich will in die Ferne aufbrechen, Aber das Herz schweigt wie die Erde. Möchte Lieder singen für die Lustgärten, Jemand wartet auf mich. Die Sonne flicht Netze im Fluss, Aber der Fluss fängt nur Sand. Stimmloses Echo in meinem Herzen, Jemand wartet auf mich. Nur ein Echo ist dieses Leben, Nur Rasen, den ich in seiner Einfriedung fand. Manchmal lässt ein andres Lied sprachlos sein, Jemand wartet auf mich. Morgengrauen erwartet Wiedersehen mit mir, Hoffnung setze ich auf den Vater, die Schwester. Den Zeitvogel in Ketten gelegt, Jemand wartet auf mich. x x x WENN ( AGAR(171) Eine Ameise kann Berge versetzen, Der Wurm kann den Tiger verschlingen. Wie Donner schüttelt ununterbrochen, Der Erde Lächeln – riesiger Erdrutsch. Das Meer könnte sich über sein salziges Los nicht freuen, Wie Laub würden Träume nicht auseinanderfallen. Wenn die Vögel denken gelernt hätten, Würden sie nicht singen: Warum singen wir… x x x GESPRÄCH MIT MALER (MUSAVVIRGA(175) Habe dich gebeten, den Frühling zu malen, Gemalt aber hast du den Herbst. Da fiel ich wie Blätter im Augenblick, Drin sah ich der Trennung Bild. In meinem Blick zitterte die Welt, Ich ward still wie der Spiegel im Wasser. Schon längst machte sich der Hochsommer unbeliebt, Im kalten Wind erlosch ich wie Sonnenuntergang. Die Gärten lodern in Flammen, Und die Bäume schweigen still. Die Erde fiel wie ich, Bestrebt, den Himmel zu belügen. Ich bat, den Frühling zu finden, Zum Wiedersehen wurde mir der Herbst gerufen. Beide scheinen wir, lieber Freund, Unseren Frühling verloren zu haben. x x x BODLER* (157) Des Morgens früh habe ich mein Gedicht erstickt, Und in bodenlose Tiefe geworfen. Wie frei geworden schwieg die Welt, Und streckte sich lang, entriss mir die Last. Mir sind keine Handschellen angelegt, Bin ich auch ein Mörder, jedoch Des Richters Verhandlung nervte mich. Alle weigerten sich, Aussagen zu machen, Es fand sich kein Zeuge, außer mir selbst. _________ *Bodler – französischer Dichter VERSPÄTETE JAHRESZEIT (KECHIKKAN FASL (51) Warum verspätet sich die Jahreszeit, die ich erwarte, Hat jemand sie vom Wege abgebracht. Und sie erwarten mit Ungeduld, Nur zu erwarten sind sie imstande. Ob der Frühling sie verführt und auslacht, Oder der Sommer die Glocke schwingend tröstet. Ich weiß, dass Herbst und Winter Trauer haben, Also, meine Jahreszeit hat heute Die Oberhand gewonnen über alle. Wenn ’s denn so ist, warum verspätet sie sich dann, Vor Verwunderung ist alles wie gelähmt ringsum. Die Zeit leidet unter langem Warten, Vielleicht wartet sie auf mich die Jahreszeit, die ich erwarte. x x x ÜBER DIE FREIHEIT (ERKINLIK HAQIDA(72) Die Freiheit ist ein Stoß, mächtiger als der Tod, Vielleicht wie das Fehlen der Armut. Lobt nicht mein Fehlen, Freunde Betrübt ’s nicht die Sattheit meines Herzens. Die Freiheit – ständiges Sattsein von Hungrigen, Auf eurem weiten Feld wird sie Fahnen säen. Freiheit – ewiges Fehlen von Fehlenden, Aus hasserfüllten Augen wird sie Bosheit schütten. Irgendjemand will verborgen bleiben, Und starrt sie aus den Ritzen des Verborgenen an. Meines Volkes Freiheit ist mein Wille, Meine Freiheit – meines Volkes Willen. ______________
Posted on: Sat, 05 Oct 2013 15:04:03 +0000

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