Danke Maria Veleva für diese wundervolle Kritik: „Krach im - TopicsExpress



          

Danke Maria Veleva für diese wundervolle Kritik: „Krach im Hause Gott“ – ein postmodernes Stück von Felix Mitterer. Das Stück „Krach im Hause Gott“ ist ein faszinierendes, originelles, postmodernes Stück von Felix Mitterer, welches uns auf empathische Weise unterhält und gleichzeitig zu einer Reflexion anregt. Man kann sich das Paradies als eine transzendentale, von Göttern bewohnte Seinssphäre vorstellen: eine ewige Unterhaltung im Lachen und lustvolle Reflexion über das sich in der Gegenwart Ereignende. Warum ist das Stück postmodern? Zuerst deutet es auf Nietsches Theorie über das Postmoderne. Nietzsche führte mit seinem Ruf „Gott ist tot“ die Postmoderne ein, er meinte gerade das Ende der starken Substanzen, der repressiven, strengen Machtstrukturen, der absoluten Systeme. Das Stück baut Gott als ein letztes, starkes, ewiges Sein ab und stellt stattdessen, ganz im Nietzscheanischen Geist einen Gott dar, der „menschlich, allzu menschlich“ ist. Anstatt der Dreieinigkeit zwischen Gott, Heiligem Geist und Sohn wird im Stück die Dreieinigkeit zwischen Vater, Mutter und Sohn propagiert. Gott hätte aus Eifersucht die „Heilige Geistin“, die ursprünglich weibliche Kraft zum Mann verzaubert. Merlau-Ponty sagte in Bezug auf die damals so empörende Aussage von Nietzsche, Gott hätte sich mit den Menschen vermischt. Das Göttliche vermischt sich in diesem Stück insoweit mit dem Menschlichen, dass in einer Szene Gott, Satan und Jesus an einem Tisch sitzen, als säßen sie vor einem großen Bildschirm. Sie trinken Gin, essen Chips, eine Szene, die eine immanente Kritik an dem postmodernen Phänomen des „Simulakrums“ [Jean Paul Baudrillard] enthält. Der Heilige Geist fällt dabei in Ohnmacht! Gott bewohnt in diesem postmodernen Stück die „nächste Wirklichkeit“, das Göttliche, das Menschliche und das Teuflische vermischen sich so dass Farbigkeit und Nuancen anstatt Schwarz und Weiß – im ethischen, ästhetischen und überhaupt existenzialen Sinn – entstehen. Eine solche Einstellung ist antitotalitär, demokratisch, pluralistisch. Und auch lustig, komisch, zum lachen. Das Lachen baut den Ernst des Seins ab, baut den Schmerz der Wirklichkeit ab, baut die Last des Lebens ab. Das Lachen (mit und über) und das Auslachen baut Autoritäten ab, stürzt die starke Systeme. Nicht zufällig ist die Karikatur ein Mittel gegen jede totalitäre Regierung gewesen. Das Stück ist ferner eine Anspielung auf die verschollene Schrift von Aristoteles über die Komödie. Wir wissen, dass die christliche Religion trotz der großen Rezeption von Aristoteles, diese Schrift einfach verschwinden ließ (und darüber schreibt Umberto Eco in seinem postmodernen Buch „In dem Namen der Rose“). Dort sagte Aristoteles, eine Komödie sollte so gestaltet sein, dass sogar die Götter über sich selbst lachen können. Die Götter lachen auf jeden Fall mit dem Publikum. So eine Ansicht wäre undenkbar für die christliche Kirche, die Gott im vollen Ernst und Macht dachte. Nun würde auch ein tief religiöser Mensch über dieses Stück lachen, das Stück provoziert zum Lachen ohne den religiösen Glauben zu verletzen. Hier rebellieren alle, „pubertieren“, verhalten sich eigensinnig, unreif, jeder behauptet sein eigenes Ego, niemand gehorcht, jeder macht Gott Vorwürfe, niemand erfüllt sein Wollen. Der Eigenwille und Charakter triumphiert in seiner irdischen ja einzigartigen Einmaligkeit und man lacht über das Menschliche und über das Göttliche, die sich auf eine verrückte Weise vermischt haben. Die Haltung der Schauspieler, die ihre eigene Rolle kaum verstehen ist auf eine besondere Weise auch postmodern, weil sie selbst nicht gläubig sind und weil sie Teil ihrer eigener Persönlichkeit auf die Protagonisten übertragen (was auch von der Regisseurin Katja Proxauf beabsichtigt wurde). Im Gegenteil etwa zu der religiösen Ikonenmalerei ist besonders in einer Komödie eine solche Übertragung völlig legitim. Dadurch wird das Stück zu einem vollkommenen theatralischen Ereignis. Die Identifikation wird gestört. Nicht nur wegen der Haltung des Publikums also, was ein Zug des epischen Theaters wäre, sondern ganz im Ursprung, im Annehmen der Rolle durch die Schauspieler. Der Heilige Geist ist in diesem Stück im echten Sinne des Wortes eine Verkörperung des „postmodernen Geistes“, nicht nur weil es durch eine junge Frau dargestellt wird, sondern weil diese junge Frau selbst an den heiligen Geist nicht glaubt und ihn nicht versteht. Das „Vorspielen“, das „Verstellen“ widerspricht dem Wesen des Heiligen Geistes. Nun ist der Geist in diesem Stück eine Maske, eine ganz in Weißem bekleidete und bemalte Erscheinung, wie ein Arlequin oder Pierro. Der Heilige Geist ist aber hier zugleich die Verkörperung des Ernstes und des Urteils gegen die Menschheit: die Menschheit sollte sofort und vollkommen aus der Erde ausgelöscht werden. Auf diese Weise ist sie die höchst sophistisierte und verfremdete Figur. Das Stück ist eigentlich eine Theodizee, anstatt der Menschheit wurde Gott vor der Frage der Verantwortlichkeit gestellt: Satan [Alexander Matakas] wirft Gott [Robert Frank] vor, er hätte mit seinen Aussagen die Menschheit selbst zur Selbstzerstörung getrieben. Gebote wie: „Macht euch die Erde untertan und herrscht über Tiere und Pflanzen“ oder „Vermehret euch“ seien die Ursache von Klimakatastrophe und Überbevölkerung und überhaupt der Mensch sei eifersüchtig, zornig und rachegierig weil er ein Abbild Gottes sei. Gott kapituliert vor Satan, indem er gesteht: „Du bist zu mächtig“. Dann erscheint „seine Frau“, die heilige Maria, die Gott (den männlichen Teil des Seins) im alltäglich-profanen Sinn zu unterstützen und zu trösten vermag. Gott ist im Kostüm von Elvis Presley, und erweckt den Gedanken als wäre Elvis in seinem glänzenden Auftritt und in seiner spektakulären Bühnenpräsenz selbst ein wahres Abbild Gottes gewesen. Jesus Christus [André Flemming] erscheint im Stück als ein Junge, der noch an seinem Vater und seiner Mutter hängt: eine verweichlichte, schüchterne Gestalt mit Kranz, Verbänden um die Hände, die über 2000 Jahre bluten. Mit seiner Gitarre erinnert er an Kurt Cobain oder überhaupt an alle Idole der zeitgenössischen Musik, aus dem so genannten Club 27. Der heilige Geist [Corinne Thalmann] ist eine äußerst plastische Figur, die mit Körperbewegungen vermag, geistige Regungen darzustellen. Satan ist wirklich eine vollkommene Verkörperung des klassischen Modells des teuflischen Aussehens und Verhaltens, wiederum mit einer auf die zeitgenössische Kultur anspielende Erscheinung. Diese postmoderne Interpretation der Charaktere kulminiert mit der Erscheinung der Gottesmutter [Julia Marlen Mahlke]. Das „ewig Weibliche“ [Goethe] sei die Rettung der Welt, das Männliche an sich selbst ist zerstörerisch. Ohne zu feministisch zu klingen (was eigentlich vollkommen im Takt eines postmodernen Stücks wäre) ruft die Mutter zu einer Balance, zu einer Harmonie auf. Ihre Lehre ist die der Barmherzigkeit, sie ist so mütterlichweich, dass, wie eine Urgöttin die Menschheit im Gesicht von Jesus Christus als ein Kind liebt und hütet. Das Stück läuft im Theaterforum Kreuzberg und ist für jeden sehenswert, der in die lustige, leichte, unbedrückte Dimension des Seins obwohl nur für kurze Zeit flüchten möchte. Denn im Lachen liegt Unschuld, Lachen besagt Spontaneität und Freiheit. Die Vermischung der göttlichen Wirklichkeit mit der menschlichen kann also positiv als Befreiung Gottes gedacht werden, Befreiung von Verantwortlichkeit und vor allem: von dem ewigen Ernst und Last des Seins. Im Lachen gibt es etwas Ekstatisches, im Lachen ist die Möglichkeit von einem „Verwinden“ [Nietzsche] und Transzendieren, aber auch vom größten Genießen gegeben. Maria Veleva
Posted on: Thu, 05 Sep 2013 20:41:18 +0000

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