Der Kampf gegen jede Form des Aberglaubens machte Voltaire zum Kämpfer für einen reineren Glauben. Das Erdbeben von Lissabon (1755) hatte ihn zutiefst erschüttert. Sollte dies die beste aller Welten sein, von der Gottfried Wilhelm Leibniz (gesprochen hatte? Wenn aber diese Welt vielmehr die schlimmste aller Erdkugeln ist, wie ist dies dann mit der Güte Gottes vereinbar?Voltaires Roman Candide ou l optimisme ist eine Abrechnung mit Leibniz, der behauptete, die Welt sei immer gerade so wie sie ist nach Gottes Wille zweckmäßig eingerichtet und deshalb die beste aller möglichen Welten. Voltaire hält dagegen, dass keine Rede davon sein kann, dass die Welt oder gar die menschliche Gesellschaft zweckmäßig eingerichtet, die beste aller möglichen Welten sei: die Welt ist schlecht, der Mensch des Menschen Feind, die Gesellschaftsordnung ungerecht, die Herrscher bösartig, die Religion in den Händen raffgieriger und intoleranter Kirchenleute.Die Hauptfigur dieses Romans ist ein junger Mann, eben Candide, der in seinem Leben unglaublich viel Pech hat und von einem Unglück, einer Katastrophe zur nächsten taumelt. Eine andere Figur in dem Roman ist der Philosoph Pangloß, ein Anhänger von Leibnitz. Er erklärt Candide, dass nichts in der Welt ohne zureichenden Grund geschieht und dass diese Welt die beste aller möglichen ist.»Die Dinge - fas lässt sich klar erweisen - können nicht anders sein, als sie sind«, dozierte Pangloß. »Denn da alles zu einem Zweck erschaffen worden ist, dient alles notwendigerweise dem besten Zweck. Schaut euch nur um und ihr findet Beispiele zuhauf. Nasen etwa wurden gemacht, dass man Brillen darauf setze; und - wir tragen Brillen. Beine wurden, wie schon der Augenschein zeigt, dass man sie behose, also tragen wir Hosen. Steine wiederum gibt es, dass man sie behaue und Schlösser aus ihnen errichte - ergo hat der gnädige Herr ein prächtiges Schloss; der wichtigste Baron der Provinz wohnt zwangsläufig auch am feinsten. Oder die Schweine: sie sind vorhanden, dass man sie esse, und - essen wir nicht das ganze Jahr hindurch Speck? Wer folglich behauptet: Alles ist gut, redet dummes Zeug; es muss heißen: Alles ist zum Besten.«Wissbegierig, wie er war, lauschte Candide aufmerksam, was sein Lehrer sprach, und unschuldig, wie er war, glaubte er es auch. Unter anderem werden Candide und der Philosoph Zeugen des furchtbaren Erdbebens von Lissabon von 1755, bei dem Zehntausende Menschen starben. Nachdem sie das überlebt haben, geraten sie in die Hände der Inquisition. Der Philosoph wird gehängt, Candide bleibt am Leben, schwer mitgenommen von der Folter.Verwirrt, verstört und verängstigt sagte sich Candide, blutend und zitternd: »Wenn das hier die beste aller möglichen Welten ist, wie sind da die anderen? Verprügelt wurde ich zwar auch schon bei den Bulgaren, aber, o mein teurer Pangloß, musste ich Sie, den größten Philosophen, hängen sehen ohne zu wissen warum? O mein lieber Wiedertäufer, bester aller Menschen, mussten Sie im Hafen ertrinken? O Fräulein Kunigunde, Perle der Schöpfung, musste man Ihnen den Bauch aufschlitzen?«Später stellt sich dann heraus, dass Pangloß doch noch lebt, und obwohl sie noch weiteres Unglück erleben und viele andere unglückliche Menschen kennen lernen, verlieren weder er noch Candide ihren Optimismus. Der Roman endet mit den folgenden Worten.Und Pangloß sagte manchmal zu Candide: »Alle Ereignisse sind in der besten aller möglichen Welten miteinander verknüpft, denn wenn Sie nicht mit kräftigen Tritten in den Hintern aus einem schönen Schloss gejagt worden wären, weil Sie Kunigunde liebten, wenn Sie nicht der Inquisition in die Hände gefallen wären, wenn Sie nicht zu Fuß Amerika durchquert hätten, wenn Sie nicht dem Baron einen schönen Stoß mit dem Degen versetzt und all Ihre Hammel aus dem guten Land Eldorado verloren hätten, äßen Sie jetzt hier kein kandiertes Zitronat und keine Pistazien.« – »Das ist wohl gesprochen«, versetzte Candide, »aber wir müssen unseren Garten bestellen.«
Posted on: Mon, 25 Nov 2013 08:53:24 +0000
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