Der König der Rockkonzerte ist nicht mehr unter uns. Er holte - TopicsExpress



          

Der König der Rockkonzerte ist nicht mehr unter uns. Er holte die Rolling Stones und Madonna nach Deutschland. Er förderte Maffay und Lindenberg. Jetzt ist Konzertveranstalter Fritz Rau gestorben. Wer swingt, marschiert nicht. Niemand weiß, von wem die unvergessene deutsche Nachkriegsweisheit stammt. Ich habe auch Fritz Rau gefragt, vor 14 Jahren bei einem Konzert in München, es war Michael Jacksons letztes Deutschland- Gastspiel, und Rau sagte: „Das ist so ein Satz, den sich kein Mensch ausdenken kann. Den hat der Zeitgeist uns ins Poe- siealbum geschrieben. Uns, den Kriegskindern, der Hitlerjugend, der Jazz- und Rockgeneration.“ Am Montag nun ist der Konzertveranstalter, der die Konzertveranstaltungen in Deutschland neu erfunden hat, gestorben, in Kronberg im Taunus. Als Waise in Berlin aufgewachsen Rau war in Berlin als Waise bei Verwandten aufgewachsen, eine Stiftung schickte ihn nach Heidelberg zum Jurastudium und ins Zentrum der süddeutschen Jazz- szene. In seinen Memoiren „50 Jahre Backstage“, die Fritz Rau sich selbst zum 75. Geburtstag schenkte, schilderte er, wie das in Heidelberg und Frankfurt damals war. Die Hot Clubs aus dem Untergrund der Nazizeit mit ihren Swing- Flugblättern bildeten den Nährboden einer gedeihenden Musikkultur für amerikanische Musik mit deutschen Mitteln. Musiker wie die Gebrüder Mangelsdorff und Impresarios wie Horst Lippmann machten Jazz zur amtlichen Musik der trendbewussten Nachkriegsjugend. Rau vernachlässigte seine Studien, um sich im Heidelberger Cave 54 ins Clubleben einbringen zu können. Im Advent 1955 veranstaltete der Rechtsreferendar in Heidelberg sein erstes Großkonzert . Für Aalbert Mangelsdorff, den Posaunisten, buchte er die Stadthalle und füllte sie bis auf den letzten Sitz mit 1400 Besuchern. Das beeindruckte Horst Lippmann, der ihn auf sei- ne Tournee „Jazz at the Philharmonic“ mitnahm und die Instrumentenkoffer tragen ließ. Schnell stieg der Lehrling auf zum Tourleiter, organisierte die Konzerte der frisch gegründeten Deutschen Jazz Föderation und wollte kein Jurist mehr sein. „Die Welt hatte einen Anwalt weniger und einen Kartenverkäufer mehr“, schrieb Rau in seinen Memoiren. Das war keineswegs kokett, so sah er sich und seinen Auftrag. 1963 trug sich die Konzertagentur „Lippmann + Rau“ ins Handelsregister ein. Das Popgeschäft wurde gerade von Amerika nach Westeuropa exportiert. „Lippmann + Rau“ organisierten das „American Folk Blues Festival“, eine mobile Bluesrevue mit Musikern wie John Lee Hooker, Willie Dixon, Howlin’ Wolf und Muddy Waters. Ohne deren Auftritte und Schallplatten wäre die Rockmusik, wie wir sie heute kennen, nie erfunden worden. Sie waren die Vorbilder und Quellen für die Yardbirds und die Rolling Stones, die sich an Londoner Kunstschulen für die Gesänge afroamerikanischer Plantagenarbeiter begeisterten. Sie saßen alle andächtig im Publikum bei den Stationen den „American Folk Blues Festivals“ in Großbritannien: Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck, Keith Richardsen und Brian Jones. In Manchester warf der Konzertveranstalter Mick Jagger und seine verwahrlosten Gesellen aus den Garderoben seiner Künstler. Kurz darauf hat er die Rolling Stones nach Deutschland eingeflogen und das Volk erschreckt. „You are the godfather of us all“, soll Jagger ihm hinter der Bühne später einmal zugerufen haben. Und dieses Geschäft war in den 60ern und für Fritz Rau ein völlig anderes als in den 50ern in Frankfurt. Da hatten sie Oscar Peterson in einer Prozession von Jazzfreunden vom Bahnhof abgeholt und abends im Konzert gefeiert, hatten sich einen VW-Bulli geborgt und ihr Idol durchs Land kutschiert. Mitte der 60er Jahre wurden aus Konzertreisen Tourneen, Werbefahrten für die Plattenindustrie und ihre Stars. Bob Dylan und Frank Zappa, Janis Joplin und James Bown. Joan Baez staunte: „Fritz schläft nie. Er überlebt bei Bier, Schnitzel und Gugelhupf.“ Fritz Rau hat viel für die lebendige Musikkultur getan. Jede Richtung, die der Pop einschlug, wurde von ihm mit Festivals, Tourneen und Konzertreihen begleitet. Und bebildert: Günther Kieser war sein Hausgrafiker. Dessen Tourplakate wanderten aus Jugendzimmern in die Galerien und Museen. The Who als Löwenmenschen. Joni Mitchell als Hauskatze. Und Jimi Hendrix, dem sich Kabel aus der Mähne schlängeln, die Medusa der Musikmoderne. Auch die Eintrittkarten waren sorgfältig gestaltet, sie wurden gesammelt. Auf den Karten stand dann „Lippmann + Rau“, „Mama Concerts und Rau“ (nach 1989) oder „Fritz Rau GmbH“ (nach 1998). Auch der Deutschrock wäre ohne ihn vielleicht entstanden, aber nie in dieser Dimension. „Er ist wie Vater für mich“, hat Udo Lindenberg zum 75. erklärt. Rio Reisers Band Ton Steine Scherben hat er aus dem Kreuzberger Milieu geholt und die westdeutschen Konzerthallen ge- stellt. Der Schlagersänger Peter Maffay wurde bei Fritz Rau zum Schlagerrocker. Im Jahr 1987 lud er Madonna zu einem Konzert ins Waldstadion nach Frankfurt ein. Man konnte Rau auch als Machtmenchen erleben, ohne dessen Härte zahlreiche Tourneen niemals stattgefunden hätten: „Ayatollah Choleri“. Das Musikgeschäft wird immer an ihn denken. Heute, wo kein Musiker allein von seinen Platten leben, ist das Konzert sein Arbeitsalltag. Eintrittskarten werden lieblos am Computer ausgedruckt. Fritz Rau hielt das für Barbarei. Er wurde 83 Jahre alt.
Posted on: Wed, 21 Aug 2013 09:15:20 +0000

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