Erstes Jetpack kommt 2014 auf den Markt · 22. September 2013, - TopicsExpress



          

Erstes Jetpack kommt 2014 auf den Markt · 22. September 2013, 11:04 Neuseeländischer Erfinder will Traum vom individuellen Luftverkehr erfüllen James Bond hat einen, und Captain Buzz Lightyear natürlich auch. Für Geheimagenten auf der Jagd nach den Schurken des Kalten Krieges und intergalaktisch tätige Zeichentrick-Superhelden gehört der Raketenrucksack zur Standardausrüstung. Gewöhnliche Sterbliche, die auf dem Weg zu weniger aufregenden Aufgaben im Stau festsitzen, träumen noch davon, sich mit einem Jetpack leichtfüßig über die Blechlawine vor ihnen zu erheben. Start im kommenden Jahr Was die Vorstellungkraft geplagter Pendler auf aller Welt beflügelt, stürzt die Fantasie der Luftfahrtbehörden in Turbulenzen. Denn in Neuseeland haben sich die Himmelsstürmer der Firma Martin Aircraft daran gemacht, das wendige Flugobjekt tatsächlich in großem Stil auf den Markt zu bringen. Im kommenden Jahr soll es so weit sein. Konnten die Wächter der Lüfte die Raketenrucksäcke bisher noch als hoch fliegende Schnapsidee abtun, die keiner gesonderten Vorschriften bedarf, stellt die geplante Markteinführung sie nun vor knifflige Klassifizierungsfragen: Was genau ist ein Jetpack und wofür im Speziellen nutzt man ihn? Maximalflughöhe von zwei Kilometern Für die Bürokraten kommt bei der Klärung dieser Frage erschwerend hinzu, dass es sich bei dem Fluggerät aus Neuseeland eigentlich gar nicht um einen waschechten Raketenrucksack handelt. Das Martin Jetpack wird nämlich nicht von einer Rakete, sondern von einem Benzinmotor befeuert, der zwei Kevlar-Rotoren antreibt. Nach Angaben des Herstellers Martin Aircraft kann der Flugapparat in eine Höhe von über 2.130 Metern aufsteigen und mit mehr als 80 Stundenkilometern durch die Wolken sausen. Der zuletzt entwickelte Prototyp namens P12, der weitaus windschnittiger und schicker daherkommt als seine Vorgängermodelle, trägt den Piloten bis zu einer halben Stunde lang durch die Lüfte. „Stellen Sie sich ein Motorrad am Himmel vor", schlägt Peter Coker, der Chef von Martin Aircraft, vor. Seit dreißig Jahren tüfteln die Ingenieure seiner Firma nun schon an dem Flugrucksack herum. Verzwickte Fragen für die Behörden Die Luftfahrtbehörden in Neuseeland nehmen das Vorhaben ernst. Sie beleuchten die Aussichten, dass möglicherweise bald unzählige Rucksackflieger durch den Luftraum des Inselstaates surren, akribisch von allen Seiten. Ein wenig Zeit können sie sich dabei allerdings lassen. Denn der Preis des Produkts – er beläuft sich umgrechnet auf etwa 112.000 Euro pro Jetpack – steht einer ungehinderten Vermehrung der Individualpiloten im Weg. Bisher wurden bei Martin Aircraft nur ein paar Dutzend Jetpacks reserviert. Und die meisten von ihnen werden nicht über Neuseeland abheben, sondern sich in internationalen Himmelsgefilden tummeln. Beamter Kenny vor schwieriger Aufgabe Rex Kenny ist der Mann der Stunde, auf ihn wird es ankommen. Kenny leitet die Abteilung für den Sonderflugbetrieb und die Hobbyfliegerei bei der Zivilluftfahrtbehörde Neuseelands. Es liegt mehr oder weniger in seiner Hand, zu entscheiden, ob Raketenrucksäcke zugelassen werden sollten oder nicht. Die Debatte darüber gewann an Fahrt, als der Luftfahrtbeamte versuchte, die fantastischen Flugapparate fein säuberlich in bereits bestehende Kategorien zu pressen. Was ist das eigentlich für ein Ding? Ein Hubschrauber? Ein Flugzeug? Kenny konsultierte das gängige Regelwerk und kam zu dem Schluss: Es ist keines von beiden. „Es Raketenrucksack zu nennen, ist eine irreführende Bezeichnung. Denn es handelt sich um einen Mantelpropeller", führt Kenny aus. „Eigentlich ist es ein Auftriebsgerät. Als wir in unseren Richtlinien nachschlugen, kam Ultraleichtflugzeug noch am nächsten", sagt er. Doch die Kontroverse um die genaue Bezeichnung des Fluggeräts erwies sich im Vergleich zu dem Feld an komplizierten Fragen, das die Aufseher zu beackern hatten, als relativ einfach gestrickt. Weit schwieriger zu beantworten, waren etwa folgende Probleme: Wie steht es um die Sicherheit des Piloten? Was passiert, wenn ein Jetpack-Nutzer in ein Gebäude stürzt? Oder wenn er auf einem benachbarten Bauernhof eine Notlandung hinlegen muss? Land der Tüftler „Wenn man auf der Weide eines Bauern landet, landet man zwangsläufig auf seinen besten Schafen", gibt Kenny zu Bedenken und betont, dass es für jeden Jetpack-Fahrer unabdingbar ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Wird der Jetpack als Ultraleichtflugzeug geführt, dann müssen die Eigentümer über eine Fluglizenz verfügen und sich regelmäßigen Prüfungen unterziehen. In der Schwebe ist noch, ob es den Jetpackern letztendlich erlaubt wird, auch geschlossene Ortschaften zu überfliegen. Der jüngste Prototyp war zu bemannten Testflügen in Neuseeland zugelassen. Über den Wolken war dabei die Freiheit des Piloten allerdings nicht grenzenlos: Bei sechs Metern Höhe über dem Erdboden und 7,60 Metern Flughöhe über Gewässern war Schluss. Erfinderische Neuseeländer Neue Fortbewegungsmittel zu ersinnen, um die hügelige Landschaft der Insel im südwestlichen Pazifik unter oder hinter sich lassen, hat sich in Neuseeland zum Volkssport gemausert. Tüftler und Erfinder sitzen in ihren Garagen und grübeln in ihrer Freizeit darüber nach, wie sich Distanzen auf völlig neue Art überwinden lassen. So sind die Zorbs in die Welt gekommen – gigantische, aufblasbare Kugeln, in deren Inneren der wagemutige Zorbonaut mit bis zu 50 Sachen einen Abhang hinunter rollt. Auch die Monorail-Bahn „Shweeb" wurde von Hobby-Ingenieuren erdacht, in der die Insassen Pedale tretend schweben und sich mit Hilfe ihrer Muskelkraft nach vorne katapultieren. Einige Ideen – wie das Jetboot, das in den fünfziger Jahren von einem neuseeländischen Farmer namens Bill Hamilton entwickelt wurde – haben sich als gängige Massenware durchgesetzt. Andere wiederum brauchen etwas länger, um Fuß zu fassen und sich zu etablieren. Man denke etwa an das Amphibienfahrzeug Gibbs Aquada, mit dem der Geschäftsmann und Abenteurer Richard Branson 2004 in Rekordzeit den Ärmelkanal überquerte. Inspiriert von Kinderserien Den jetzt 53-jährigen Glenn Martin hatte das Jetpack-Fieber schon früh gepackt – und ließ ihn nicht mehr los. Als kleiner Junge sei er begeistert davon gewesen, wie die Amerikaner in den sechziger Jahren ihr Raumfahrtprogramm vorantrieben. Inspiriert hätten ihn außerdem Zeichentricksendungen im Fernsehen wie „Die Jetsons" oder die Marionetten-Serie „Thunderbirds". „Wie viele meiner Generation hatte ich geglaubt, dass wir mittlerweile unseren Urlaub auf dem Mond verbringen oder in unseren fliegenden Autos zur Arbeit kommen würden", sagt er. „Leider ist das nie eingetreten." Von der Pharma-Branche in die Lüfte Nachdem er sich darüber an der Universität mit Freunden unterhalten hatte, entschloss sich Martin, herauszufinden, warum das so war. Fortan tauschte er seine kalte Studentenbude gegen die warme Bibliothek und machte sich – zu Lasten seines Biochemiekurses – daran, die physikalischen Geheimnisse der Jetpacks zu erkunden. Binnen weniger Monate begann er, in seiner Garage an einem Prototypen zu werkeln. Mindestens drei Mal habe er eine Hypothek auf sein Haus aufgenommen, um die Weiterentwicklung seines Herzensanliegens seit 1981 finanziell stemmen zu können. Seinen beiden Söhnen hatte er ein Schweigegelübde abgenommen. Nicht einmal ihren besten Freunden durften sie erzählen, was ihr Vater vorhatte. „Hätte ich in der Pharma-Branche weitergemacht, wäre ich persönlich in einer besseren finanziellen Lage als mit dem hier. Aber wo wäre dann der Spaß geblieben?", fragt Martin. Testflüge in aller Heimlichkeit Neben den finanziellen Turbulenzen warteten noch andere Schwierigkeiten auf den Erfinder. Es dauerte oft Monate, bis Forschungspapiere zur Physik von Jetpacks aus dem Ausland bei Martin eintrafen. Die ersten Testflüge musste er in aller Heimlichkeit in der Nachbarschaft absolvieren. „Einmal hatte mein jüngster Sohn William Schwierigkeiten in der Schule. Der Lehrer sagte, er lebt in dieser blühenden Fantasiewelt, weil er glaubt, dass Sie zuhause in Ihrer Garage ein Jetpack haben", erzählt Martin. „Wir mussten den Lehrer dazu überreden, eine Vertraulichkeitserklärung zu unterschreiben." Großes Interesse An einer Wand der unauffälligen Werkstatt von Martin Aircraft in einem Vorort von Christchurch, der zweitgrößten Stadt Neuseelands, lehnen die Prototypen der Flugrucksäcke. Schachteln mit Ersatzteilen sind fein säuberlich beschriftet und bis zur Decke aufgestapelt. Es gibt sogar einen Simulator, der flugbegierigen Jetpack-Piloten die Chance verschafft, sich in einem künstlichen 3D-Gelände zu bewähren, ohne sich dabei lästigen Windstößen aussetzen zu müssen. Der Luftfahrtaufseher Kenny hat den Jetpack persönlich noch nicht ausprobiert. Vor etwa zwanzig Monaten war er nach Christchurch gekommen, um einen Testflug anzutreten. Aber das Gerät hatte ein Motorenproblem und war nicht einsatzbereit. „Ich wollte unbedingt fliegen. Aber eine Reporterin war damit geflogen und sie hat es kaputt gemacht", klagt er. Auch andere Länder schauen interessiert zu, wie es mit dem Jetpack weitergeht. Luftfahrtaufsichtsbeamten aus Australien haben sich mit ihren neuseeländischen Kollegen zu Vorgesprächen getroffen, um mögliche Probleme mit den Fluggeräten zu diskutieren. Es sei nicht klar, in welchem Luftraum sich Jetpacks bewegen könnten oder welche Formalitäten notwendig seien, merkt Peter Gibson an, ein Sprecher der australischen Behörde für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt. Einsatz im Katastrophenschutz denkbar In den USA – dort leben zehn Anwärter, die bereits eine Anzahlung auf ein Martin Jetpack geleistet haben – müssten Flugrucksack-Nutzer nicht unbedingt über einen Pilotenschein verfügen, wenn das Fluggerät als Ultraleichtflugzeug deklariert wird, sagte eine Sprecherin der US-Bundesluftfahrtbehörde. „Wir haben ganz genau im Blick, den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nachzukommen, besonders da diese Maschine in keine der gegenwärtigen Klassifizierungen von Luftfahrzeugen passt", sagt Martin-Chef Coker. Ein spezielles Team kümmere sich bei Martin um diese Problematik, bevor die ersten Martin Jetpacks Mitte 2014 auf den Markt kommen sollen. Denkbar ist, dass der Jetpack anfänglich in der Katastrophenabwehr und -hilfe zum Einsatz kommt. Das könnte sich in einem Land als nützlich erweisen, das wie Neuseeland schon mehrfach von verheerenden Erdbeben heimgesucht wurde. Beim bisher schlimmsten Beben im Februar 2011 kamen 185 Menschen ums Leben und in Christchurch wurden tausende Gebäude zerstört. Trotzdem dämpft Kenny die Erwartungen der Flugbegeisterten. Die Möglichkeiten, den Flugrucksack einzusetzen, seien doch immer noch sehr eingeschränkt. „Werden wir in der Realität Menschen erleben, die mit Jetpacks zur Arbeit pendeln?" fragt er. „Nein, werden wir nicht." (Rebecca Howard, WSJ.de/derStandard.at, 22.09.2013) Links Martin Aircraft: martinjetpack/ Originalartikel auf Wall Street Journal Deutschland: wsj.de/article/SB10001424127887323527004579080533511146134.html
Posted on: Sun, 22 Sep 2013 10:34:02 +0000

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