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Evangeliums-Rundfunk Berliner Ring 62 • 35576 Wetzlar Tel.: 06441 957-0 • Fax: 06441 957-140 Sendungsnummer: 105449 Sendereihe: „Durch die Bibel“ Autor: Dr. Vernon McGee Überarbeitet u. gelesen: Hugo Danker Bibeltext: Hiob 3, 1 - 16 Sendedaten: 30. Juni 2005, 22.00 Uhr Hiob war am Extrempunkt seiner Beziehung zu Gott angekommen. Sein Ringen galt dieser Vertrautheit. Er möchte sie verstehen und vor allem möchte er sie erhalten. Seine Freunde waren mit der erklärten Absicht gekommen, Hiob zu trösten, doch sie haben zunächst durch die Art ihres Schweigens versagt (Hiob 2,11-13). Man könnte sagen, die Freunde schweigen den leidenden Hiob sieben Tage lang an. Aber auch im weiteren Verlauf des Geschehens spielen sie keine lobenswerte Rolle. So stand dann auch alles, was Elifas, Bildad und Zofar vorbrachten, unter dem Gottesurteil: „Ihr habt nicht richtig von mir gere-det, wie mein Knecht Hiob” (Hiob 42,7). Das bedeutet, nicht alles, was die drei Freunde sagten, war falsch; falsch aber war ihre Beurteilung der Beziehung von Hiob zu Gott. Wir hatten bereits gesehen, dass Hiob ein so genannter Testfall war. Denn Satan hatte Gott herausgefordert und gesagt: „Du hast um Hiob einen Schutzwall aufgebaut und du hast es ihm an nichts fehlen lassen. Wenn ihm aber alle diese Dinge genommen würden, dann wird er dir ins Angesicht fluchen!” Damit hatte Satan zum einen Gottes Schöpfung verun-glimpft und zum anderen hatte er Gott selber gelästert. Die Kreaturen des Himmels, die Engel, müssen sich erschrocken haben, als sie hörten, wie die höchste Kreatur, die Gott geschaffen hatte, hier den allmächtigen Gott beleidigte. Schließlich hat es Gott zugelassen, dass Satan Hiob antasten konnte. Und so begann Sa-tan, auf das Leben von Hiob einzuwirken. Wir hatten bereits erfahren, wie er ihm eine Sa-che nach der anderen wegnahm, um ihn dadurch zu Fall zu bringen. Bevor wir uns jetzt aber in die Dialoge hineinbegeben, sollten wir zuvor noch einmal eine kurze Pause einle-gen. Wir sollten uns noch einmal den ganzen Hintergrund dieses Geschehens betrachten. Wie wir wissen, gehören wir Menschen einer verlorenen Rasse an. „Und ich frage mich“, so Dr. McGee, „ob es schwer ist, sich vorzustellen, dass wir hier auf unserer Erde unter Lügnern, unter Halsabschneidern, unter Dieben und unter Mördern leben?“ „Natürlich stimmt das“, sagen wir, „aber ich bin nicht so, das sind die anderen!” „Doch ich fürchte“, meint Dr. McGee, „wir sind genau so, denn wir alle gehören zu derselben Rasse. Und das ist auch der Grund, warum uns Gott nicht so, wie wir sind, in den Himmel aufnehmen kann. Denn sonst hätten wir dort oben denselben Zustand wie hier. Ich weiß zwar nicht, wie Sie darüber denken, doch ich habe nicht den Wunsch, das alles dort oben noch einmal zu erleben. Auch Gott will das nicht! Darum kann er uns nicht so, wie wir sind in den Himmel aufnehmen. Deshalb sagte auch der Herr Jesus zu dem vornehmen vor-bildlichen und sehr religiösen Pharisäer: „...du musst von oben geboren werden” (Joh 3,7). Und wissen Sie, wir sitzen alle in demselben Boot. Man redet heute sehr viel von dem „normalen” Verhalten, besonders die Psychologen. Doch ich frage mich, wie sie dazu kommen, das aufzuzeigen, was ein „normales” Verhalten ist“, fragt Dr. McGee „Wahrscheinlich legen sie eine Karte an und sagen, wo sich die meisten Leute befinden, das ist dann das „normale Verhalten”. Und so befinden sich dann an einem Ende die abnormalen Menschen und an dem anderen Ende die so genannten Normalen. Doch woher wissen wir, dass die Masse normal ist? Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: „Ich glaube das nicht, denn Gott sagt in seinem Wort, dass wir alle - ohne Ausnahme - Sünder sind. Diese Kreatur Mensch ist so kraftlos, so hinfällig und so fehlerhaft, dass sie dadurch ganz leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Und das kann jedem von uns das passieren. Nun hat aber Gott dem Menschen einige Hilfen gegeben, damit er dennoch aufrecht blei-ben kann. Im Prediger Salomo heißt es: ‚Schau, allein das hab ich gefunden: Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht; aber sie suchen viele Künste’ (Pred 7,29). Gott hat den Menschen mit einem Schutz versehen, der ihn behüten soll. Das bedeutet, Gott hat allen Menschen bestimmte Hilfsmittel gegeben, sowohl göttliche als auch menschliche, die ihm helfen sollen. So lässt es Gott auf Gerechte und Ungerechte regnen. Das bedeutet, die Ungerechten und Rücksichtslosen bekommen genauso viel Sonnenschein und Luft zum Atmen wie die Gotteskinder, also wie diejenigen, die an Christus glauben. Und der Teufel weiß das alles. Wenn er also einen Menschen antasten darf, wenn er ihm seine Stützen wegnehmen kann, wenn er ihm jede „Sicherheit“ nehmen darf, dann kann er den Men-schen vollkommen verwirren. Er kann seine Moral zerstören und sein Denken verändern. Er kann einen ganz anderen Menschen aus ihm machen. Darum hat Gott einen Schutzwall um den Menschen errichtet, der den Teufel abhalten soll. Ab und zu aber wird es dem Satan erlaubt, das Tor einzureißen und den Menschen bis auf das Äußerste anzugreifen. Und so hat es Gott auch zugelassen, dass Satan Hiob angreifen konnte. Das Buch Hiob klärt uns nun über diese Schwierigkeit auf. Es zeigt auf, wie es einem Menschen geht, der so geprüft wird. Das Buch Hiob liefert uns keine grundsätzliche Lösung, aber es gibt uns Lösungsvorschläge. Um eine verbindliche Antwort darauf zu bekommen, müssen wir dann ins Neue Testament gehen. Und so ging es uns doch allen in der Schulzeit. Die Fragen standen stets am Anfang des Lehrbuches, aber die Lösungen fanden wir erst ganz hinten. So ist es auch mit der Bibel. Hier haben wir das Problem und wir müssen schon zum Neuen Testament gehen, wenn wir die Lösung finden wollen. Das Alte Testament ist nämlich in mancherlei Hinsicht ein verhältnismäßig unbefriedigendes Buch. Denn dort wird nämlich nichts tatsächlich gelöst. Jemand hat es einmal so ausgedrückt: „Das Alte Testament ist die Vorfreude, aber das Neue Testament ist die Erfüllung!“ Man könnte es also auch so beschreiben, dass Satan Hiob in dem 1. und 2. Kapitel einer Gehirnwäsche unterzogen hat. Er hat ihn vollends entkleidet. Das müssen wir bedenken, wenn Hiob mit seinen Freunden jetzt den Dialog führt. Denn der Satan hatte Hiob seinen gesamten Wohlstand genommen und der Wohlstand ist ja ein Grundbedürfnis des Men-schen. Der Mensch braucht Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Er braucht Herden, Scheunen und Land, d. h. er braucht ganz bestimmte Dinge um sich herum. Und in der Heiligen Schrift steht, dass Gott uns all diese Dinge reichlich gibt, damit wir sie benutzen können. Denn Gott möchte, dass sich der Mensch an all diesen Dingen erfreut. Gott hat diese Welt damit ausgestattet und das, obwohl auf dieser Welt der Fluch der Sünde liegt. Gott hat auf wunderbare Art und Weise für uns Menschen gesorgt. Und so kann der Wohlstand ein Geschenk Gottes sein. Es ist bestimmt nicht verkehrt, wenn der Mensch größere Scheunen baut. Doch die Gefahr liegt nun darin, dass Menschen von die-sen Dingen abhängig werden, d. h. dass sie sich daran klammern, so, als ob es das Eigentliche wäre, wofür es sich zu leben lohnt. Auch der Christ muss sich kritisch fragen: Setze ich mein Vertrauen auf diese vergänglichen Dinge oder setze ich mein Vertrauen allein auf Gott? Hiob hatte alles verloren, er sank in einem Augenblick vom Wohlstand in die Armut herunter. An Hiob wurde geschüttelt, doch er konnte nicht von seinem Fundament weggestoßen werden. Darüber hinaus ließ Gott es zu, dass Satan all die Lieben von Hiob nehmen konnte. Und wir alle brauchen unsere Lieben, die uns unterstützen. Doch der arme Hiob hat alle seine Kinder an einem einzigen Tag verloren – sieben Söhne und drei Töchter! Aber auch die Gesundheit ist ein ganz wichtiger Faktor für das Wohlbefinden eines Men-schen. Es fällt auf, dass es in den Todesanzeigen immer wieder heißt: „Nach langer und schwerer Krankheit verstarb Herr oder Frau Soundso.“ Selbst unzählige gläubige Men-schen sind bettlägerig und können durch ihre Krankheit nicht mehr an einem normalen Leben teilnehmen. Aber vielleicht haben sie dabei gelernt, Gott auf eine Art und Weise zu vertrauen, wie wir es wahrscheinlich nicht können. Der Satan durfte Hiob seine Gesund-heit nehmen, und auch das war wieder einmal ein gewaltiger Schlag gegen ihn. Außerdem verlor Hiob die Liebe und die Zuneigung seiner Frau. Gott hatte Adam eine Gehilfin gege-ben, jemand, der seine andere Hälfte ergänzen sollte. Denn Gott hatte die Ehe ja zum Wohl und zum Glück des Menschen eingerichtet. Da gibt es manch einen Mann, der zwar heute mitten im Leben steht und der dem täglichen Kleinkrieg widersteht. Denn er geht abends nach Hause, und dann legt er seinen Kopf in den Schoß seiner Frau und sie ver-steht ihn. Er schüttet vor ihr sein ganzes Herz aus. Welch ein Segen ist so etwas! Aber Hiob hatte die Zuneigung und das Mitleid seiner Frau verloren. Und schließlich kamen Hiobs Freunde, um mit ihm zu trauern. Doch schon bald ent-deckte er, dass sie wie eine Fata Morgana in der Wüste waren. Denn als er sie kommen sah, da hoffte er, dass sie eine Oase wären, doch das waren sie nicht. Am Ende musste er sie sogar noch als „sehr schlechte Tröster” bezeichnen. Später werden wir noch sehen, warum das so war. Was kann also der Teufel Hiob noch antun? Er hatte ihm ja alle möglichen Stützen weggenommen. Aber nun wird der Satan alles daransetzen, um auch Hiobs ganzes Wertesystem zu zerstören. Denn plötzlich verliert Hiob den Sinn für die bisherigen Werte und für seine persönliche Würde. Was soll oder kann ein Mann im Austausch für seine Seele geben? Darum sollten wir beten, dass Gott Mitleid mit jenen jungen Menschen haben möge, die ihr Leben für eine einzige Tablette wegwerfen oder dafür, dass sie einer Gruppe mit bösem Gedankengut gefallen. Denn nur für Gott ist jeder Mensch wirklich etwas wert! Der Herr Jesus sagte einst: „... ihr seid besser als viele Sperlinge” (Lk 12,7). Und Jesus betonte, dass er die Situation von jedem einzelnen Sperling genau kennt und dass er weiß, wann ein Sperling vom Himmel fällt. Kennen Sie den Beweis, dass wir wirklich weit mehr wert sind, als die Sperlinge? Nun, das ist die Tatsache, dass der Herr Jesus Christus für uns bereitwillig gestorben ist. Das zeigt uns ganz deutlich, was wir, was Sie und ich, wirklich wert sind. Wir sind sein Leben und sein Blut wert! Es wird erzählt, dass vor Zeiten einmal ein bekannter Gelehrter plötzlich erkrankte und dass man ihn dann auf der Straße auflesen musste. Man brachte ihn in eine Klinik, aber die Ärzte meinten, er sei ein Landstreicher. Und so begannen sie in Latein über ihn und seine Erkrankung zu reden. Ein Arzt fragte: „Sollen wir eine solche wertlose Kreatur überhaupt operieren?” Da aber der Gelehrte sehr gut Latein verstand, erhob er sich und sagte: „Nennen Sie niemals einen Menschen wertlos, für den Christus gestorben ist!” Wissen Sie, der Teufel hat schon immer versucht, unser Selbstwertgefühl zu zerstören, um uns unsere persönliche Würde zu nehmen. Und dann wird Hiob, das werden wir noch erfahren, auch das Gefühl für die Gerechtigkeit Gottes verlieren. Er wird noch vor dem Ende der Geschichte kritisch und zynisch werden. Während wir also dieses Buch studieren, müssen wir uns über eines im Klaren sein. Näm-lich, obwohl die gesamte Bibel inspiriert ist, muss nicht alles, was hier einzelne Menschen sagen, der Wahrheit entsprechen. Das folgende Beispiel soll verdeutlichen, was damit ge-meint ist: So war ja der Teufel nicht von Gott inspiriert, als er Eva belog und sagte: „Du wirst bestimmt nicht sterben” (1. Mose 3,4). Aber die Aufzeichnung, dieser, seiner Lüge, die war inspiriert. Nun behaupten manche Leute, dass jede Äußerung in der Bibel der Wahrheit entspricht. Doch wir müssen sehr darauf achten, wer diese Äußerung macht. Im Buch Hiob werden wir feststellen, dass gewisse Menschen Dinge behaupten, die einfach nicht wahr sind. Und Hiob wird sogar sein Gefühl für die Liebe Gottes verlieren. Also der, der sagte: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; gepriesen sei der Name des Herrn!”, der wird später schreien: „Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir; mein Geist muss ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet!” (Hiob 6,4). Im 9. Kapitel hören wir ihn dann schreien: „Dass es doch zwischen uns einen Schieds-mann gäbe, der seine Hand auf uns beide legte!” Mit anderen Worten: „Wenn es nur jemanden gäbe, der die Hand Gottes festhält und der auch meine Hand festhält und der uns dann wieder zusammenbringen würde!” Und so müssen wir dann wieder in das Neue Testament gehen, um die Antwort auf diesen Hilfeschrei Hiobs zu finden: „Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus“ (1. Tim 2,5). Gott sei gedankt, dass wir einen solchen Schiedsmann haben! Nun haben wir sicherlich sehr viel Zeit mit dieser Einleitung verbracht. Doch wir brauchen unbedingt alle diese Hintergrundinformation, um den Dialog zu verstehen, der jetzt be-ginnt und der dann bis ins 37. Kapitel fortgeführt werden wird. Hier gibt es drei Ge-sprächsrunden, und das sind: 1. Hiobs Rede, Elifas Rede und Hiobs Antwort; 2. Bildads Rede und Hiobs Antwort und 3. Zofars Rede und Hiobs Antwort. Und dieses alles wird nun drei Mal wiederholt, mit einer Ausnahme, denn Zofar redet kein drittes Mal mehr. Und der Dialog hier ist eine Art Streitgespräch. Hiobs Freunde saßen also sieben Tage lang bei ihm. Und schließlich brach es aus Hiob, unter den kritischen und anklagenden Augen seiner Freunde, heraus. Er sagte, er wünschte sich, er wäre nie geboren worden. Aber auch in seinem bekümmerten Selbstgespräch, in dem er sich den Tod herbeiwünschte, schwor Hiob Gott nicht ab, so, wie es Satan vorhergesagt hatte (1,11; 2,5). Er dachte auch nicht an Selbstmord, dennoch beklagte er den Tag seiner Ge-burt und er wünschte sich, dass er tot geboren worden wäre (V. 11-19). Er sehnte sich also danach, sterben zu dürfen (V. 20-26). 1 Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. 2 Und Hiob sprach: Hiobs Mund öffnete sich nicht zu einem Fluch gegen Gott, sondern zur Verwünschung seines Daseins. Hiob verfluchte oder verwünschte die Welt, die ihm in seinem Leid völlig absurd zu sein erschien. Hiob verwünschte „seinen Tag“ und das bedeutete sein Dasein. Das Zeitwort „verwünschen” besagt in seiner Grundbedeutung so viel wie: „leicht, klein oder verächtlich zu sein”. Und nach dieser knappen Eröffnungsformel begann dann in Vers 3 ein Neuansatz, in der eine lyrische, eine poetische Tonart angeschlagen wird. 3 Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, und die Nacht, da man sprach: Ein Knabe kam zur Welt! Hiob verwünscht hier sowohl seinen Geburtstag, wie auch die Nacht seiner Empfängnis. Beides möchte er am liebsten aus dem Kalender ausgetilgt sehen. 4 Jener Tag soll finster sein, und Gott droben frage nicht nach ihm! Kein Glanz soll über ihm scheinen! 5 Finsternis und Dunkel sollen ihn überwältigen und düstere Wolken über ihm bleiben, und Verfinsterung am Tage mache ihn schrecklich! Hiob verdammte den Tag seiner Geburt und er wünschte, dass der Tag seiner Geburt im Dunkel geblieben wäre. Das bedeutete, er wünschte, dass sich Gott nicht um ihn geküm-mert hätte und dass ihm deshalb auch kein Licht aufgegangen wäre. Hintergrund dieses Wunsches war ein zweifacher: Weil es grundsätzlich keine Tage von unbegrenzter Zahl gibt und weil Hiob auch den Sinn seines Tages nicht mehr erkennt, darum kann er nur wünschen, dass es diesen Tag nie gegeben hätte. Und weil Gott nicht nur am Anfang der Schöpfung gerufen hat: „Es werde Licht!” (1. Mose 1,3), sondern weil Gott jedem einzelnen Tag sein Licht verleiht und ins Dasein ruft, darum versteht Hiob nicht, warum Gott über seinem Tag gesprochen hat: „Es werde Licht.“ Und der Gottesname, mit dem Hiob Gott an dieser Stelle anspricht, der kommt allein im Buch Hiob noch an 40 weiteren Stellen vor. Es ist der Name Eloah, also die Einzahl von Elohim. Und wenn Gott mit Eloah angesprochen wird, dann wird er als derjenige angesprochen, der die höchste Macht in Händen hält. Aber Hiob verwünschte nicht nur den Tag seiner Geburt, sondern auch die Nacht seiner Empfängnis, mit der nämlich sein Dasein seinen Anfang genommen hatte. Hiob möchte eigentlich seine eigene Empfängnis rückgängig gemacht sehen. Hiob verwünschte hier den Anfang seiner Existenz. Und mit jener Nacht, die seine Existenz beginnen ließ, da sollte deshalb viererlei geschehen: 6 Jene Nacht - das Dunkel nehme sie hinweg, sie soll sich nicht unter den Tagen des Jahres freuen noch in die Zahl der Monde kommen! 7 Siehe, jene Nacht sei unfruchtbar und kein Jauchzen darin! 8 Es sollen sie verfluchen, die einen Tag verfluchen können, und die da kundig sind, den Leviatan zu wecken! 9 Ihre Sterne sollen finster sein in ihrer Dämmerung. Die Nacht hoffe aufs Licht, doch es komme nicht, und sie sehe nicht die Wimpern der Morgenröte, Das also bedeutete: 1. Auf jene Nacht, in der er empfangen wurde, da sollte nun nie mehr ein Tag folgen. Das völlige Dunkel sollte sie erfassen. 2. Die Nacht seiner Empfängnis sollte für alle Zeiten unfruchtbar sein. Das heißt, sie sollte „zu keiner Empfängnis oder Geburt mehr fähig sein!“ Kein Jubel über ein zur Welt ge-brachtes Leben sollte sie je mehr erfüllen! Auch der Hochzeitsjubel dieser Nacht sollte für immer verbannt werden. Denn die Hochzeitsfreude war das Grundmuster für jedwede Freude. So bedeutet z. B. das arabische Wort für Freude auch zugleich Hochzeit. Und mit diesem Begriff ist auch das griechische Wort für Freude, nämlich chara verwandt, das ursprünglich ebenfalls soviel wie Hochzeit hieß. 3. Die Tagesbeschwörer, die dazu imstande waren, die sollten Leviatan gegen die Emp-fängnisnacht aufhetzen. Die Tagesbeschwörer waren Zauberer, die einen Tag durch ihre Bannsprüche zu einem dunklen bzw. zu einem Tag, der Unglück bringen würde, machen konnten. Diese von den Tagesbeschwörern mit einem Bann belegten Tage waren unglück-liche, und das hieß, keine Segen bringenden Tage. Es handelte sich um ein Verwünschen, vermutlich auch mit der Unterstützung durch magische Handlungen, so, wie Balak, der König der Moabiter, von Bileam erwartete, dass er Israel verfluchen würde. Und das Han-deln der Tagesbeschwörer wird allein 14 Mal im Alten Testament beschrieben und davon allein zehn Mal in der Geschichte von Bileam (4. Mose 22-24). Hiob wünschte, dass die Tagesbeschwörer über die Nacht seiner Empfängnis also ein bannendes Wort aussprechen würden. 4. Die Nacht, in der seine Existenz ihren Anfang nahm, sollte sie doch noch einmal auf ein wiederkehrendes Licht hoffen, dann möge ihr Ansinnen auf ein leidenschaftliches „Nein!“ stoßen. Für die Nacht seiner Empfängnis sollte es nie wieder ein Sternenlicht in ihrer Dunkelheit geben. Und die Morgenröte, die dem Tagesanbruch vorangeht, die sollte auf immer unsichtbar bleiben. Das besagt, die Nacht der Empfängnis von Hiob sollte in das ewige Dunkel des Chaos eingehen und sie sollte deshalb für immer aus dem Kalender verschwinden. 10 weil sie nicht verschlossen hat den Leib meiner Mutter und nicht verborgen das Unglück vor meinen Augen! Hiob verwünschte beides, die Nacht seiner Empfängnis und den Tag seiner Geburt. Die Empfängnisnacht und der Geburtstag waren für ihn Feinde, die ausgetilgt werden sollten. Denn sie hatten Hiobs Geburt ermöglicht und somit die Mühsal, das not- und das qualvolle Leben nicht vor seinen Augen verborgen. Aus diesem Grunde sprach also Hiob ein vernichtendes Urteil über sie. Was Hiob hier aber sagte, war eigentlich ein Antischöpfungswort, denn Gott hatte am Anfang gesagt: „Es werde Licht” (1. Mose 1,3). Doch Hiob sagte in seiner Verzweiflung: „Es werde finster, es werde Nacht!” 11 Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt? Warum bin ich nicht umge-kommen, als ich aus dem Mutterleib kam? 12 Warum hat man mich auf den Schoß genommen? Warum bin ich an den Brüsten gesäugt? Hiob wäre es also am liebsten gewesen, wenn es nie zu der Nacht seiner Empfängnis oder zum Tag seiner Geburt gekommen wäre. Nachdem dieses aber nicht der Fall gewesen war, wäre der Tod gleich nach der Geburt immer noch besser gewesen, um ihm das grausame Leben zu ersparen. Aber die Frage: „Warum verstarb ich nicht gleich nach der Geburt?“ zog dann eine weitere Frage nach sich: „Warum musste es dazu kommen, dass man mich großzog?” Hiob wünscht sich, dass man ihn nie auf die Knie und dass man ihn nie an die Brust genommen hätte. Mit den Knien sind die Knie des Vaters gemeint, der ein Neugeborenes als sein Kind anerkennt, indem er es auf seine Knie nimmt. Nahm aber ein Vater ein Kind nicht auf seine Knie, dann war das Kind, einer alten Sitte zufolge, für die Aussetzung bestimmt. Es wurde der Mutter nicht zum Stillen übergeben und es musste des Hungers sterben. Verzweifelt rief Hiob nun aus: „Ach, hätte mich mein Vater doch nicht als Sohn angenommen, und hätte meine Mutter mich doch bloß verhungern lassen!“ 13 Dann läge ich da und wäre still, dann schliefe ich und hätte Ruhe 14 mit den Königen und Ratsherren auf Erden, die sich Grüfte erbauten, 15 oder mit den Fürsten, die Gold hatten und deren Häuser voll Silber waren; 16 wie eine Fehlgeburt, die man verscharrt hat, hätte ich nie gelebt, wie Kinder, die das Licht nie gesehen haben. Nach den Herrschern und Reichen, mit denen sich Hiob wünscht, zusammen im Grabe zu ruhen, nennt er in einem bizarren Kontrast die Totgeborenen, die nie das Licht der Welt erblickten. Denn von einem Totgeborenen heißt es: „Er kommt als ein Nichts auf die Welt und geht im Dunkel hinweg, und sein Name bleibt mit Dunkel bedeckt” (Pred 6,4). Für Hiob aber waren sowohl die Pyramidenbauer als auch die Totgeborenen „den Leiden die-ses Lebens entrückt in ihrer Grabruhe“. Und Hiob meinte, im Grab wird jeder Ruhe finden!
Posted on: Fri, 05 Jul 2013 19:20:46 +0000

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