Freitag, 04.10.2013 Dynamos Zerreißprobe Soll der Verein wegen - TopicsExpress



          

Freitag, 04.10.2013 Dynamos Zerreißprobe Soll der Verein wegen des Pokalausschlusses den DFB verklagen? Oder kann er außergerichtlich sogar mehr erreichen? Von Sven Geisler ©dpa Dynamo tut sich schwer. Mit dem ersten Saisonsieg in der 2. Fußball-Bundesliga sowieso. Zudem stellt die Entscheidung, ob und wie man weiter gegen den Ausschluss aus dem DFB-Pokal vorgehen soll, den Verein vor eine Zerreißprobe. Während sich die Geschäftsführung um eine außergerichtliche Lösung bemüht, fordert die aktive Fanszene in einem offenen Brief, die Klage gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) einzureichen. Es wird emotional und kontrovers diskutiert. Nach einer Fristverlängerung bleibt nun bis Ende dieses Monats Zeit. Die SZ erläutert, um welche Fragen es dabei geht. Wie ist der aktuelle Stand im Rechtsstreit nach dem Ausschluss? Dynamo war nach Ausschreitungen von Fans beim Zweitrundenspiel in Hannover im Oktober 2012 vom Sportgericht aus dem DFB-Pokal für die Saison 2013/14 ausgeschlossen worden. Dieses Urteil hatte auch das ständige Schiedsgericht am 14. Mai bestätigt. Damit waren die sportjuristischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Deshalb wollte Dynamo im Juni beim Oberlandesgericht in Frankfurt/Main eine einstweilige Verfügung erwirken, doch noch an dem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Der Antrag wurde abgelehnt. Es geht um einen Grundpfeiler der DFB-Rechtsprechung: das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung nach Paragraf 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Demnach werden Vereine für das Fehlverhalten ihrer Anhänger selbst dann verantwortlich gemacht, wenn ihnen in puncto Sicherheitsmaßnahmen keine Versäumnisse nachzuweisen sind – wie es Dynamo im Fall Hannover bescheinigt wurde. Darauf verweisen die Klage-Befürworter. Was könnte der Verein vor dem Oberlandesgericht erreichen? Das ist schwierig zu beurteilen. Laut Experten-Gutachten wäre die Klage keinesfalls chancenlos. Andererseits wird das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung auch vom internationalen Sportgerichtshof Cas sowie dem Weltverband Fifa angewendet. 2007 hatte der niederländische Erstligist Feyenoord Rotterdam vor dem Cas geklagt, weil er wegen wiederholter Randale einiger Fans aus dem Uefa-Cup ausgeschlossen worden war. Der Sportgerichtshof lehnte ab mit der Begründung, dass die Verbände andernfalls Ausschreitungen nicht mehr ahnden können. Dynamos Geschäftsführer Christian Müller fürchtet außerdem: „Die Richter haben die Fernsehbilder im Kopf. Das prägt – ob wir es wollen oder nicht – die Einstellung zu unserem Verein.“ Im für Dynamo besten Fall würde das Oberlandesgericht den Schiedsspruch kassieren, das heißt: Das ständige Schiedsgericht müsste den Fall erneut verhandeln und könnte ihn wiederum an das Sportgericht zurückgeben. Dann geht es von vorn los. Welche Alternative zu einer Klage gäbe es? Die Fristverlängerung ist bereits als ein Erfolg zu werten: Der DFB ist gesprächsbereit. Er wird das Urteil jedoch weder revidieren noch eine Entschädigung zahlen. Müller hatte den Schaden für den Verein auf eine Million Euro beziffert, aber das ist eine fiktive Summe, weil nicht zu klären ist, wie weit Dynamo im Pokal gekommen wäre. Als Streitwert gelten deshalb nur die rund 100000 Euro, die alle Vereine für die erste Runde erhalten. Der Verband ist aber offenbar bereit, Dynamo beim Kampf gegen Gewalt und den verbotenen Einsatz von Pyrotechnik eine neue Chance zu geben. Dafür hat das Sportgericht die 13 allein aus diesem Jahr anhängigen Verfahren vorläufig ausgesetzt, darunter die erheblichen Vorkommnisse bei den Spielen in Kaiserslautern (8. Februar) und zu Hause gegen Osnabrück (28. Mai), als außer bengalischen Feuern auch Leuchtraketen gezündet wurden. „Hier haben wir gravierende Sanktionen zu erwarten – eine hohe Geldstrafe und einen Teilausschluss von Zuschauern bei einem Heimspiel“, sagt Müller. Der Verband habe nun signalisiert, es bei einer fünfstelligen Summe zu belassen und – das wäre entscheidend – das Vorstrafenregister zurückzudrehen. „Wir hätten damit das wichtigste Ziel erreicht: Die Eskalationsspirale der immer drastischeren Strafen durchbrochen und die existenzielle Bedrohung des Vereins abgewendet“, betonte Müller. Würde Dynamo weiter als Wiederholungstäter bewertet, drohen nach dem Pokalausschluss Punktabzüge in der zweiten Liga, schlimmstenfalls sogar der Lizenzentzug und Zwangsabstieg. Was wären die Folgen, wenn Dynamo vor ein Zivilgericht zieht? DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hatte bei seinem Besuch zur 60-Jahr-Feier den Verein aufgefordert, den Spruch des Schiedsgerichts zu akzeptieren. „Ich kann verstehen, dass das harte Urteil als ungerecht empfunden wird. Aber mein ausdrücklicher Appell ist, die Sportgerichtsbarkeit so zu akzeptieren, wie sie ist, weil es dazu keine Alternative gibt.“ Dynamo würde sich also mit dem DFB anlegen, was der einflussreichste Sportverband kaum widerstandslos hinnehmen könnte, zumal er in der öffentlichen Argumentation die besten Karten hätte – und zwar durch die wiederholten Ausschreitungen einer Minderheit unter den Dynamo-Fans. Die sind nicht schönzureden. In Hannover hatte die Polizei 41 Straftaten und neun Verletzte bilanziert. Dynamo würde sich abseits der Fußballfamilie stellen. „Den Großteil der Liga werden wir bei einer Klage gegen uns haben“, fürchtet Müller. Denn auf die Dresdner würde verwiesen, wenn es in politischen Debatten etwa um die Bezahlung von Polizeieinsätzen oder verschärfte Sicherheitsmaßnahmen wie personalisierte Tickets und Nacktscanner geht. Würde Dynamo ohne die Klage auf halbem Weg stehenbleiben? Die aktive Fanszene fordert die Geschäftsführung in einem offenen Brief auf, die Klage gegen den DFB einzureichen. Ein Verzicht wäre „ein Schlag ins Gesicht aller Dynamofans“, der „vorgeschlagene Schmusekurs mit dem DFB“ inakzeptabel, heißt es darin. Das Argument: Nur durch diese Klage führe der Verband überhaupt Gespräche auf Augenhöhe mit dem Verein. Jeder Deal ändere nichts am grundsätzlichen Problem der Anwendung des Paragrafen 9a. Deshalb müsse man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diesen wehren. Müller möchte stattdessen auf das Wort des DFB vertrauen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die die Formulierung und vor allem Anwendung der verschuldensunabhängigen Haftung prüfen soll. „In diesen Prozess wollen wir uns aktiv einbringen“, sagt der Geschäftsführer, der darin eine Chance sieht, das Thema grundsätzlich und in einem öffentlichen Dialog zu klären. Seine Einstellung: „Geht es uns darum, dem DFB an den Karren zu pinkeln und in einem Fall recht zu haben? Oder wollen wir den Paragrafen 9a entschärfen und die existenzielle Bedrohung abwenden? Das müssen wir entscheiden.“ Bis zum 31. Oktober. sz-online.de/nachrichten/dynamos-zerreissprobe-2677697.html
Posted on: Thu, 03 Oct 2013 22:21:05 +0000

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