Genießt ein Kapitel aus dem Roman "Einmal Paradies und wieder - TopicsExpress



          

Genießt ein Kapitel aus dem Roman "Einmal Paradies und wieder zurück" und stellt Euch selbst die Frage: Ist es ... ... MEDITATION, OPIUM ODER EINE ACHTERBAHN DER GEFÜHLE? Wir sind gespannt auf Euer Feedback! Evi wurde fündig. Eine 3-Zimmer-Wohnung in Bilk, einem studentisch geprägten Stadtviertel in der Nähe der Uni. Mehr war nicht drin. Immerhin in der Nähe eines Bio-Supermarktes und eines kleinen Parks mit einem Kinderspielplatz. Die Wohnung war bezugsfertig und da Martin jetzt bald aus dem Krankenhaus kam, musste umgezogen werden. Kurz darauf türmten sich die Umzugskartons in der bisherigen Wohnung. Aus Kostengründen konnten sie kein Unternehmen anheuern, sondern mussten mithilfe ihrer Freunde ihr Mobiliar selber ins neue Domizil schleppen. Adamo hatte mit dem Umzug am stärksten zu kämpfen. Immerhin war die Wohnung an der Inselstraße Ausdruck seines beispielhaften Aufstiegs in den vergangen Jahren. Jetzt fühlte er sich zurückgeworfen auf den Studentenstatus von vor 15 Jahren. Das tat weh. Aber auch nicht so ganz. Die Bewusstseinsprozesse der letzten Wochen machten sich schon bemerkbar. Spätestens als sie in der neuen Wohnung wieder ausgepackt hatten und das Meiste seinen Platz gefunden hatte, war er mit seiner neuen Umgebung im Reinen. Der Reiz des Materiellen verblasste allmählich. Es gab fürwahr Wichtigeres, als in Luxushäusern zu wohnen und ein dickes Auto zu fahren. Evi war sowieso gelassener drauf. Sie hatte nichts zu verlieren und konzentrierte sich ganz darauf, für Martin ein geeignetes Zu Hause zu schaffen. Was brauchte er für sich? Eine Spielecke, optimistisch gedacht. Ein Gitterbett, ein Schränkchen, eine Windelwechselfläche. Erst jetzt kam Evi dazu, auf eine Anzeige zu reagieren, die ihr vor einigen Tagen zufällig beim Einpacken des Geschirrs mit Zeitungspapier ins Auge sprang. Da bot ein gewisser Dr. Thomas Ogilvy seine Dienstleistung bei behinderten Kindern an, basierend auf jahrzehntelanger Erfahrung. Reichlich seltsam. Dazu mit einer Telefonvorwahl, die sie noch nie gesehen hatte. Egal. Sie hatten keine andere Chance. Evi ließ das Telefon mindestens zehnmal läuten. Entnervt wollte sie auflegen. Da meldete sich eine raue, männliche Stimme. „Dr. Ogilvy. Mit wem spreche ich?“ „Evi Vongossen. Ich habe Ihre Anzeige in der Rheinischen Post gelesen. Wir haben ein behindertes Kind. Darf ich Sie fragen, ob Sie uns helfen können?“ „Das kommt darauf an. Welche Probleme hat es denn?“ Evi erzählte die Leidensgeschichte. Dieser Dr. Ogilvy hörte ruhig zu und erklärte dann: „Das mag schon sein, dass wir für Sie und Ihren Sohn etwas tun können. Mein Institut ist seit Jahrzehnten darauf spezialisiert, gehirnverletzten Menschen und insbesondere Kindern mit unserer Therapie, die wir zusammen mit amerikanischen Wissenschaftlern entwickelt haben, Hilfestellung zu geben. Letztlich sind es aber die Eltern, die die Therapie vorantreiben. Ohne sie läuft gar nichts.“ Evi schrieb sich die Adresse auf – irgendwo im Sauerland – und verabredete sich zu einem Termin einige Zeit später. Der Stress der vergangenen Tage verstärkte das Bedürfnis der beiden, sich zu entspannen und etwas zu tun, was sie mit positiven Gefühlen verbanden. Evi hatte trotz des Umzuges schon aus Geldmangel nicht darauf verzichtet, weiter ins Vishnushiva zu gehen, um dort mit ihren Yogalehrerstunden das dringend benötigte Geld zum Überleben zu verdienen. Dabei beobachtete sie, dass der Andrang zum Meditieren ständig zunahm. Mittlerweile musste man sich schon voranmelden, um nachts oder am frühen Morgen teilnehmen zu können. Der Raum war restlos ausgebucht. Man wurde sogar nach zwei Stunden aus dem Meditationsraum in eine Art Aufwachraum gebracht, wenn man nicht selbst die Zeit mangels Wachbewusstsein einhalten konnte. Aufgrund ihrer guten Verbindungen schaffte sie es jedoch relativ leicht, sich eine Wunschzeit reservieren zu lassen. Und so standen sie an einem verregneten Morgen in der Schlange zusammen mit offensichtlich ebenfalls neugierigen oder auch schon routinierten Meditationsanhängern vor dem Eingang zum Vishnushiva und warteten darauf, dass die schwere Eichentür geöffnet würde. Punkt neun Uhr wurden sie eingelassen und versammelten sich in mehreren Reihen, die einen sitzend, die anderen liegend, im Mediationsraum. Georg begrüßte die Anwesenden und machte sie darauf aufmerksam, dass die Zeit begrenzt sei und jeder auf eigene Gefahr teilnehmen würde. Fast drängte sich der Eindruck auf, dass man sich in einem Freizeitpark befinden und die Achterbahn gleich lossausen würde. Dass es eine Achterbahn der Gefühle werden könnte, erwähnte Georg nicht. Dann schloss sich die Tür und der Duft des Opiums legte sich wie eine Nebelwand auf das Bewusstsein der Meditierenden. War es überhaupt eine Meditation? War es nicht eher ein Rausch, ein Fest der Sinne? Egal, Evi schaute noch einmal zu Adamo herüber und überließ sich dann ganz dem narkotisierenden Einfluss dieser vor sich hin kokelnden Mischung aus Traum und Fantasie. Als Erstes bemerkte sie, wie ihre Augen schwer wurden und sie das Gefühl bekam, einschlafen zu wollen. Sie kämpfte dagegen an, gab aber bald auf, zumal im Gegensatz zum Schlaf das Bewusstsein offensichtlich erhalten blieb. Sie konzentrierte sich auf den Augenhintergrund, der wie üblich eine Mixtur von farbigen Blitzen, schemenhaften Bildern und ein undefinierbares Geknäuel von gar nichts wiedergab. Aber dies änderte sich bald. So als ob jemand ein TV-Programm eingeschaltet hätte, blickte sie plötzlich von oben auf ein Haus, das sie bald als ihr eigenes Elternhaus erkannte. Sie sah sich selbst im Garten spielen, hörte die Stimme ihrer Mutter und erlebte dann, wie sie immer kleiner wurde, bis sie als Baby schreiend im Kinderwagen auf der Veranda lag. Ihre Mutter nahm sie auf und Evi empfand ihre Liebe als unendlich beruhigend, geborgen und tröstend zugleich. Aus diesem Gefühl heraus schien sich die Zeitmaschine weiter drehen zu wollen. Die Umgebung wurde zusehends unscharf, bis sie sich plötzlich in einem engen, dunklen Schlund befand, der ihr die Luft zum Atmen nahm und in dem sie beinahe erstickte. Bald jedoch fand sie sich in einem herrlichen Badesee wieder, wo sie planschen und tauchen konnte, seltsamerweise, ohne atmen zu müssen. Sie war winzig klein geworden und mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass sie sich im Mutterschoß befand. Das Herz ihrer Mutter dröhnte wie eine Kirchturmuhr und seltsamerweise konnte sie sogar die Stimmen ihrer Eltern belauschen. Dann fegte ein Wirbelwind diese intrauterinen Eindrücke hinweg und eine gewaltige Flut von Bildern, Szenen und Gefühlen überschwemmte ihre Wahrnehmung. Sie sah Feldherren, die mit einer Handbewegung riesige Armeen von Soldaten in den Kampf befahlen. Hörte das Böllern der Kanonen und die Schreie der Verletzten. Lärmende Flugzeuge warfen ihre tödliche Bombenlast ab und Abwehrfeuer zeichnete Spuren verzweifelten Kampfes an den Himmel. War es der Zweite Weltkrieg oder der Erste? Einen Augenblick schien sie den deutschen Kaiser erkannt zu haben, aber schon wurde sie weitergeführt in das Dunkle der Geschichte. Immer schneller drehte sich das Rad. Sie sah Menschen, die vom Joch der Arbeit gekrümmt, auf staubtrockenen Feldern zusammen mit ausgemergelten Ochsen den Boden bearbeiteten. Sie erlebte, wie in einer dörflichen Kirche die Menschen sich auf die Knie warfen, um Gott zu bitten, dass er sie vor der Pest bewahren würde. Sie sah gefolterte Frauen, die als Hexen verbrannt wurden und konnte dabei ihr verbranntes Fleisch riechen. Evi spürte, dass dies keine zufällige Auswahl von geschichtlichen Szenen war. Jedes Mal gab es einen Menschen, dem sie sich besonders nahe fühlte. Es waren wohl ihre vergangenen Leben, die sich hier wie Perlen an der Schnur nacheinander abspielten. Sie bemerkte, dass das Leben früher wesentlich härter und viel brutaler war als heute. Da wurde gehungert, gelitten, gebrandmarkt, geschändet und gemordet wie fast selbstverständlich. Kaum einer, der nicht vorzeitig sterben musste. Auch ihre Tode waren fast alle gewalttätig. Trotzdem schaute sie gebannt und berührt auf das Geschehen, was sich nicht nur vor ihr abspielte, sondern wo sie die Hauptperson selber war. Sie spürte das Fallbeil, wenn es ihren Kopf abspaltete, oder das Messer, das sich in ihr Herz bohrte. Aber auch die Wut, wenn sie selber anderen Leuten den Hals abschnürte oder ihnen mit boshafter Lust Gift in den Wein goss. Evi war wie alle anderen gefangen im Spiegel ihres Selbst, wie auch immer dieses Selbst sich jeweils ausdrückte. Adamo bildete da keine Ausnahme. Bei ihm zeigte sich zunächst erst einmal überhaupt nichts. Lediglich ein Gefühl des Unbehagens, ein leichtes Frösteln, kündigte Erfahrungen an, die er noch nie wahrgenommen hatte. Der Körper zitterte und zuckte in leichten Wellen, aber die Kinoleinwand vor seinen Augen blieb matt. Dann, nach etwa einer halben Stunde, wo Adamo schon die ersten Rückenschmerzen plagten, lichtete sich das Dunkel und ging über in ein strahlendes Abbild des Kosmos. Dieses Bild war so intensiv, dass er den Eindruck hatte, nicht nur ein übernatürliches Schauspiel zu genießen, sondern er war der Kosmos mit seinen unzähligen Sternen und Galaxien selbst. Das Gefühl der Identität mit diesen fantastischen Sternenhaufen und spiralförmigen Universen, die mal klein, mal bunt, mal riesig, rot, grün oder gelb bis weiß leuchteten, war überwältigend. Sein Bewusstsein dehnte sich wie das Weltall permanent aus. Und je tiefer er in Zeit und Raum vordrang, umso mehr kam er paradoxerweise dem Ursprung allen Seins näher. Statt sich auszudehnen, hatte er jetzt den Eindruck, dass die Materie zunehmend einer strahlenden Quelle von hellstem Licht zustrebte. Alle Erscheinungsformen schienen in diesem Urgrund zu versinken, bis zum Schluss das, was vom Kosmos übriggeblieben war, in einer einzigen Explosion wiederum erneut in den Raum geschleudert wurde und das gleiche Spiel von vorne begann. Nach einer gefühlten Ewigkeit änderte sich das Bild und Adamo begann in die Welt der Atome und Moleküle einzutauchen. Er begriff , dass die Welt des Mikrokosmos ein Abbild des Makrokosmos war. Was sich dort im Kleinen abspielte, hatte er bereits vorher im Großen kennengelernt. Der Raum zwischen den einzelnen Materieteilchen wie Kern, Elektron oder Quark war im übertragenden Sinne genauso groß wie im Makrobereich. Das Ganze war nichts anderes als ein göttliches Spiel mit Energie, die in unterschiedlichen Erscheinungsformen sich immer wieder selbst erschuf und vernichtete. Der Mensch dazwischen war ein vorübergehender Ausdruck dieses Spiels unendlicher Schönheit, aber auch gnadenloser, kühler Berechnung. Adamo wurde von übergroßer Traurigkeit erfasst. Ihm wurde bewusst, dass alles, was er als Mensch einschließlich seiner eigenen Person wahrgenommen hatte, den gleichen Regeln vom Werden und Vergehen unterlag wie eine Galaxie oder ein Eisenatom. Die einzige vorübergehende Chance, sich diesem Schicksal zeitweise zu entziehen, war Wachstum und Komplexität. Aber am Ende würde sich alles auflösen und von Neuem wieder beginnen, andere Formen und andere Resultate zu erzeugen. Ein ewiges Spiel ohne gütigen Gott, ohne Paradies und ewiges Leben. Nur undefinierbare Energie, die ein Spiel ohne Sinn und Verstand betreibt. Konnte das wirklich sein? Adamo weinte, als sie ihn in den Aufwachraum trugen. Evi wartete dort schon auf ihn. Sie war von selbst nach dem dreizehnten Mord aufgewacht, weil sie diese Welt nicht mehr ertragen konnte. Wo war der Friede in der Welt, das Glück, die Liebe? Sollte sie wirklich derartig gelebt haben? Dann wurde es höchste Zeit, dass sich was änderte. Als sich Adamo einigermaßen beruhigt hatte, standen beide auf und wankten auf den Ausgang zu. Entspannend war dieses Erlebnis für beide nicht, obwohl Evi voller Neid fast geplatzt wäre, als sie die Beschreibung von Adamos kosmischen und atomaren Erlebnissen hörte. Adamo hingegen fand es faszinierend, in einer Art Zeitmaschine seine eigenen Vorleben noch einmal nachzuerleben. Sie kamen abschließend zu dem Schluss, dass sich dieser Besuch gelohnt hatte. Obwohl es schon merkwürdig war, was sie erlebt hatten. Mit Meditation hatte es eigentlich nichts zu tun gehabt. Eher war es ein Erlebnis mit Drogen. Wer weiß, wie lange es noch gut gehen würde. Weitere Infos zum Buch oder E-Book findet ihr bei: amazon.de/Einmal-Paradies-wieder-zurück-Ulrich/dp/3944163001/ref=tmm_hrd_title_0?ie=UTF8&qid=1375173459&sr=8-1 oder unter multimediabuecher.de/
Posted on: Fri, 09 Aug 2013 07:48:12 +0000

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