MUHAMMAD, DAS »SCHÖNE VORBILD « Muhammad hat niemals - TopicsExpress



          

MUHAMMAD, DAS »SCHÖNE VORBILD « Muhammad hat niemals behauptet, irgendwelche übermenschlichen Fähigkeiten zu besitzen. Er wollte nichts sein als »ein Diener, dem offenbart worden ist«, und wenn man ihn aufforderte, Wunder zu vollbringen, so wies er auf den Koran hin – dass er ihn seinem Volke in klarer arabischer Sprache verkündet hatte, war das einzige große Wunder seiner Laufbahn. Der Koran stellte fest, dass er an Menschen wie Dschinnen gesandt war, und mancherlei Anspielungen auf geheimnisvolle Ereignisse dienten den Kommentatoren und volkstümlichen Predigern dazu, den Propheten mit zahlreichen Wundergeschichten zu umgeben. Es sind diese Erzählungen, die den eigentlichen Kern der hohen und volkstümlichen Literatur, vor allem aber der Poesie bilden, wie sie im Laufe der Jahrhunderte über Muhammad geschrieben wurde. Aber der Prophet selbst wusste, dass er nur der Mittler des Auftrages war, und die Schönheit des Korans war ihm und seinen Anhängern Beweis für dessen göttliche Herkunft. Wenn seine mekkanischen Landsleute ihn aufforderten, seine Sendung durch Wunder zu beglaubigen, so wurde ihm eingegeben (Sura 17/90): Wahrlich, wenn sich auch Menschen und Dschinnen zusammentäten, um einen Koran wie diesen hervorzubringen, sie brächten keinen gleichen hervor, auch wenn die einen den anderen beistünden. Denn so eloquent die Araber auch sein mochten, so perfektioniert ihre großartige Dichtung war – selbst ihnen war es unmöglich, eine Offenbarung zu verkünden, die sich dem Koran vergleichen ließ. Diese zentrale Stellung des Korans in der islamischen Heilsgeschichte steht phänomenologisch parallel zu der Stellung Christi im Christentum – das inkarnierte, Fleisch gewordene Gotteswort im Christentum entspricht dem inlibrierten (so Harri Wolfson), Buch gewordenen Gotteswort im Islam. Es ist daher nicht zulässig – jedenfalls theologisch und phänomenologisch nicht –, Muhammad und Jesus zu vergleichen. Muhammad wusste und wurde durch die koranische Offenbarung immer wieder daran gemahnt, dass er nur ein Mensch war, dessen einziger Vorzug darin bestand, dass ihm die Offenbarung zuteil geworden war. »Sprich: Ich bin nur ein Mensch wie Ihr; geoffenbart ward mir, daß euer Gott ein einziger Gott ist«, heißt es in Sura 41/5, und bei anderer Gelegenheit wird ihm eingegeben: »Sprich: Und nicht sage ich zu euch: ›Bei mir sind Gottes Schätze‹, auch nicht ›Ich weiß das Verborgene‹, auch sage ich nicht ›Ich bin ein Engel‹« (Sura 6/50). Was ihm geschieht, ist nichts anderes als die unverdiente, unerklärliche frei wählende Gnade Gottes. Und wenn ihn die Mekkaner fragten, wann denn nun die Stunde des Gerichtes eintreffen würde, die er mit so glühenden Worten verkündet hatte und deren Schrecken immer wieder ausgemalt wurden, so musste er ständig wiederholen, dass auch er von dem Zeitpunkt ihres Eintreffens nichts wisse, sondern nur ein Warner sei, der diejenigen erwecke, welche die »Stunde« fürchten (Sura 79/42 u.a.). Trotzdem aber finden sich im Koran Stellen, die auf seine exzeptionelle Rolle hindeuten: er ist als »Barmherzigkeit für die Welten« gesandt (Sura 21/107), und Gott und die Engel segnen ihn (Sura 33/56). Denn er ist »wahrlich von edler Natur« (Sura 68/4). Mehrfach findet sich der Befehl: »Gehorchet Gott und gehorcht Seinem Gesandten!« oder ähnliche Formulierungen. Aus diesen und vergleichbaren Sätzen im Koran entwickelte sich bald eine weit über das Normalmaß hinausgehende Verehrung des Propheten, und kleine koranische Hinweise wurden im Laufe der Zeit zu wundersamen Erzählungen und Legenden ausgesponnen, die das Bild des historischen Muhammad mehr und mehr mit einem bunten Lichtschleier umwoben. Es scheint zunächst der Gehorsam zu sein, den man dem Propheten schuldet, der eine wichtige, vielleicht sogar die zentrale Rolle in der Entwicklung der islamischen Frömmigkeit spielte. In dem zweiteiligen Glaubensbekenntnis l≤ il≤h ill≤ All≤h, Mu∑ammad ras‰l All≤h, »Es gibt keine Gottheit außer Gott, und Muhammad ist der Gesandte Gottes«, stellt die zweite Hälfte, die den Islam gewissermaßen zu einer scharf definierten Religion macht, »eine Aussage über Gottes Aktivität dar« (Wilfred Cantwell Smith): durch die Sendung Seines Propheten offenbart sich Gott der Welt. Deswegen wurde Muhammads sunna, seine Lebensweise, zur Richtschnur für die Muslime. Denn Muhammad ist, wie der Koran sagt, die uswa ∑asana, »das schöne Beispiel« (Sura 33/21). (Annemarie Schimmel (2002): Muhammad, S.20-22)
Posted on: Thu, 20 Jun 2013 19:36:46 +0000

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