Man hört ja oft, das Deutschland ein freies Land ist. Zeit mal zu - TopicsExpress



          

Man hört ja oft, das Deutschland ein freies Land ist. Zeit mal zu schauen, wie das von unten aussieht. Es fängt ja für jeden an mit der Geburt. Ich kann mich an meine nicht erinnern, war aber bei anderen zugegen und muß sagen: die Neubürger machen von Anfang an keinen glücklichen Eindruck. Kein Wunder: das erste was sie erleben sind die Medizinmänner (oder Hebammen) die jeden abrechenbaren Kunstgriff an ihnen abarbeiten. Und dabei hatte man es vorher so gemütlich. Nun, darüber muß man sich nicht beschweren, da müssen wir alle durch. Nur sagen einige Psychologen: da müssen wir alle durch. Drei Jahre später kommt - wenn wir Pech haben - der Kindergarten. Wir können noch nicht viel - laufen, reden, sitzen, Toilettengänge öfter selbst erledigen ... und schon werden wir mit etwas sehr merkwürdigem konfrontiert: dem Recht des Stärkeren in einer wilden Horde. Zufällig zusammengewürfelte Menschen unterschiedlichsten Alters sind dazu angehalten, sich in irgendeiner Form selbst zu organisieren. Wenn wir Glück haben, können die das noch nicht ... oder sind noch nicht so übel drauf. Wenn wir Pech haben, erleben wir schon im Kindergarten das, was wir auf dem Schulweg und in den Schulpausen erst recht erleben und beobachten dürfen: rechtsfreie Räume und Herrschaft der Gewalt. Etwas, was man in normalen dörflichen Strukturen niemals tolerieren würde ist im modernen Schulwesen überall die Regel: Bandenbildung, Terror, Diebstahl, Gewalt ... ein Klima der Angst. Die Erfahrungen sind umso schlimmer, als das die Täter "Riesen" sind, weil man selber noch sehr klein ist. Nicht jedem widerfährt es ... aber jeder kann es beobachten. Vor allem Schulbusse sind da Tatorte, an denen Kindern Dinge widerfahren, die Erwachsene nie mit sich machen lassen würden. Aber sie merken: für sie ist das ok, sie müssen da durch. Außerhalb der Pausen haben sie die wunderbare Chance, ganz andere Formen von Gewalt zu erfahren. Vor ihnen sitzt der unkündbare Herr ihrer Zukunft....und mögen ihre Fähigkeiten noch so überdurchschnittlich sein - durch die Note "sonstige Mitarbeit" hat der Mensch am Lehrerpult sie völlig in der Hand. Machen wir uns nichts vor: es gibt auch fähige, nette Lehrer. Aber es gibt auch etwas, das uns das Beamtentum beschehrt hat: den unkündbaren Versagen. Manchmal gibt es sogar ganze Schulen, die diese Typen kostengünstig entsorgt haben, aber die sind selten. Sicher, man darf den Klassensprecher wählen ... und die Schülervertretung. Aber wehe, man bleibt mal drei Tage zu Hause, weil man ein Buch gefunden hat, das man sofort lesen will weil man spürt, das es das eigene Leben verändert. Oder man weicht in der Interpretation des Textes zu weit von der Lehrermeinung ab. Oder man hat eine Nase, die dem allmächtigen Mann nicht paßt ... schon macht man wieder ausgesprochen häßliche Erfahrungen. Die häßlichste Erfahrung macht man jedoch jeden Morgen. Jeden Morgen um 6.00 Uhr klingelt der Wecker (jedenfalls bei uns auf dem Land). Jeden Morgen wird man aus dem Schlaf gerissen, noch bevor er zu Ende ist. Manche Schlafforscher halten das schon für extrem ungesund, andere halten das für eine Art von Folter, weil es den Körper immer in einen Alarmzustand versetzt ... dabei lauert gerade gar kein Höhlenbär vor der Tür, der seine Höhle wiederhaben möchte. Freiheit? Z.B. in Form von Alternativen für Nachtmenschen und Langschläfer .... also ganz normale Menschentypen mit ganz normalen Schlafrythmen, die allerdings die Spitze ihrer Leistungsfähigkeit in den frühesten Morgenstunden erreichen? Schon Pech. Nach dem Aufstehen Frühstück, dann karrt uns ein Bus mit anderen Menschenmassen in ein Institute mit noch größeren Menschenmassen ... Massenabfertigung pur. Je älter wir werden, umso mehr hinterfragen wir das System....aus einfachen Gründen. Wir wollen länger schlafen, wir wollen Themen vertiefen, die der Lehrer für abgearbeitet hält - und weil auch er seine Pläne erfüllen muß auch nicht weiter diskutieren möchte, wir finden Pädagogikbücher die das Lernen in Kleingruppen für viel effektiver halten ... und stellen fest, das alle Versuche, dieser Maschine zu entkommen, vergeblich sind: es herrscht Schulpflicht. Selbst wenn uns höchste Autoritäten bescheinigen, das wir alleine zu Hause sehr gut lernen können - mehr und schneller als in der Schule - wird niemand darauf verzichten, uns der Massenbehandlung zu unterziehen. Währenddessen hören wir von Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit - und wenn alles gut geht, dann lassen uns Papa und Mama keine Nachrichten schauen und erzählen auch nicht von ihrem Berufsleben. Schon in der Schule merken wir, das ausgesiebt wird. Jemand ohne wichtigen Papa muß für die gleiche Note schon wesentlich mehr leisten als jemand mit wichtigem Papa. Das geschieht noch nicht mal immer bewußt und gezielt ... man will als Lehrer halt nur keinen Ärger haben. Das reicht schon an Motivation. Dann haben wir endlich unseren Schulabschluß ... und merken, das der Traum von Freiheit sich eigentlich überhaupt nicht erfüllt. Haben wir Glück ... können wir uns noch eine Weile auf der Universität verstecken, von der uns unsere Eltern wunderbare Dinge erzählt haben. Wir jedoch ... merken von den wunderbaren Dingen nicht mehr viel, jagen Scheine, sammeln Punkte und hören nie wieder was von der Freiheit von Lehre und Forschung. Haben wir Pech ... so wartet die Lehre auf uns. Viel Arbeit für noch weniger Geld. Aber zusätzlich zur Schule merken wir eins: wir dürfen nicht mehr krank werden. Einerseits beschäftigt die Firma so wenig Mitarbeiter, das Krankheit nicht mehr ausgleichbar und somit unerträglich für die Kollegen ist, andererseits schaut der Chef immer grimmiger, wenn wir anrufen und sagen: 40 Fieber macht mir doch Sorgen. Auch was die Auswahl der Kleidung angeht stellen wir fest, das wir das anziehen dürfen, was andere uns vorschreiben. Haben wir selber ein Faible für Hippieklamotten aus den Sechzigern ... so werden wir darauf hingewiesen, das im Ausbildungsvertrag ein "ordentliches Äußeres" vereinbart wurde, das uns auch den Gang zum Friseur beschehrt. So langsam merken wir eins: Die Freiheit, ausschlafen zu dürfen, wird uns nicht zu teil werden. Bekommen wir dann noch Kinder, müssen wir wie die Bauern mit den Hühnern ins Bett. Kleidung, Haarschnitt, Tagesablauf ... alles wird vorgeschrieben. Wir sollen Sport machen, müssen regelmäßig zum Zahnarzt, müssen regelmäßig Fernsehen schauen um informiert zu bleiben, sollen uns in Vereinen engagieren (was wir auch tun weil es für Bewerbungen wichtig ist ... wie auch das Sport treiben) und nebenbei sollen wir auch noch die Frau fürs Leben finden. Manchmal sitzen wir mit Mitte dreißig - recht erfolgreich und gesellschaftlich fest etabliert - vor einem Glas Wein und fragen uns ... wieviel Freiheit habe ich eigentlich wirklich...außerhalb der festgelegten Normen? Allein ... wenn ich Christ werden würde (was ja jetzt wirklich noch harmlos ist) und es ernst meinte ... dürfte ich das? Ich würde Ostern, Sylvester, Weihnachten und Karneval als heidnische Feste ablehnen und könnte das sehr gut begründen. Außerdem wären mir die gemeinsamen Gottesdienste zuwieder, weil sie den Worten Christi widersprechen. Ich dürfte es ... aber würde abgestraft. Und wenn ich Kinder habe, riskiere ich, das das Jugendamt sie fortholt, weil ich sie ... gesellschaftlich nicht integriere. Wenn ich dann einen Arbeitslosen sehe, der um 10 seine Frühstücksbrötchen holt, kriege ich den blanken Hass....weil er frei ist. Ich in meinem Großraumbüro muß diese dämlichen Krawatten tragen, muß täglich auf die Perfektheit meiner Kleidung achten, verbringe Sommer wie Winter immer bei der gleichen Temperatur, bei dem gleichen Licht und der gleichen Geräuschkulissen, beschäftige meinen menschlichen Geist mit Verwaltungsangelegenheiten anstatt mit bildender Kunst und muß ständig schauen, das ich die Gunst meiner Chefs nicht verliere noch den Respekt meiner Kollegen. Und ausschlafen ... darf ich immer noch nicht. Aber er ... er darf das. Einfach so. Weil er arbeitslos ist. Und ich finanziere das auch noch. Doch was mich eigentlich hassen läßt, ist nicht dieser Mensch, sondern meine eigene Feigheit, meine eigene Angst, mein eigener inzwischen vorauseilender Gehorsam. Jahr für Jahr versickert mein Leben in der Maschine ... und ich kann nichts dagegen tun. Aber frei fühlen soll ich mich dabei. Deshalb fahre ich so gerne in den Urlaub. Wenn man mir das nehmen würde, würde ich völlig durchdrehen. Einfach mal ´raus, einfach mal weg, einfach mal ein paar Tage normal leben und frei fühlen. Einfach mal für ein paar Tage Ausgang haben, bevor ich zurück muß in den Arbeitsknast, zurück in mein völlig durchorganisiertes Leben, wo ich heute schon sagen kann, was ich Ostern 2020 mache. Da sind wir bei den Schwiegereltern. Wie jedes Jahr.
Posted on: Sat, 31 Aug 2013 09:46:18 +0000

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