Nachbarn intim Wer kennt das Gefühl nicht? Eben frisch - TopicsExpress



          

Nachbarn intim Wer kennt das Gefühl nicht? Eben frisch umgezogen, die Möbel platziert, der erste Drink im Gärtli. „Prost!“ Dann die Frage: Wie sind wohl unsere Nachbarn? Es ist Winter, die Chance eher klein, jemanden zu sehen. Zu tief die Temperaturen, um auf der Strasse, die säuberlich eine Reihe Häuser von der anderen trennt, jemanden anzutreffen und mit ihr oder ihm, nach dem breiten, automatisch aufkommenden Grins Austausch, vielleicht noch ein paar belanglose Worte zu wechseln ... doch, schau mal, da kommt jemand. Eingehüllt in dicke Winterroben, Hund an der Leine, wirft sie ein freundliches Lächeln in unsere Runde. Hinten nach folgt ein Mann, von der Fassade her eher grimmig einzustufen, doch sein Augen Grüezi ist lieb. So das wars schon. Ist ja auch schwierig, um zu kommunizieren, so wie die Häuser postiert sind. Jedes Haus streckt dem andern den Hintern entgegen. Die Vordern uns, wir den hinteren. Ist ja auch ein Schutz, mein weiss ja nie, mit was für Typen Mann oder Frau es zu tun haben werden. Könnten ja vielleicht auch Menschenfresser sein ... so kommt es mir oft vor, wenn ich mir überlege, wie lange Menschen brauchen, um sich näher zu kommen. Nicht alle! Gottseidank gibt es die Spontis ... je gottverlassener die Gegend, um so mehr gibt’s die Einladungen „...uf es Gläsli Wy, en Kafi, etc. ...“ Es wird Frühling und ich treffe die Frau mit dem Hund beim Spazieren mit meinem Hund. Ahh, so lustig ... Sie hat mal bei mir im Chor gesungen, irgendwie vor 45 Jahren. Wir teilen im kurzen Teil des Hunde walks, den wir miteinander gehen, einige Match points aus: Landschaft ist schön hier, ruhiges Dorf, schade kein einziges „Beizli“, etc. etc. und sie lässt mich gleich wissen, dass sie mit ihrem Mann bewusst zurückgezogen lebt. Kein Kontakt zu niemandem, sie übten beide einen schwierigen Beruf aus und so liebten sie es, ihre Freizeit alleine zu verbringen „ ... übrigens mein Mann liebt Blues und spielt Gitarre...“, ruft sie mir beim Tschüss sagen noch zu. – Ja, suuppiii! Dann können wir ja mal gemeinsam jammen“. Es ist Sommer doch der einzige Jam, den ich mit ihrem Mann erlebe ist ein für mich motzig tönender Spruch: „Nimm den Hund weg, muss mit meinem Töff zur Garage raus ...“ Komischer Kauz denke ich für mich, doch ich könnte nix böses über ihn erzählen. Sein Gesichtsausdruck ist lieb. Es ist Ende August mein Nachbar kommt mir mit dem Auto entgegen. Ich mit Hund unterwegs ohne Leine. Der Nachbar fährt sofort Schrittempo, lässt das Fenster runter: „Hallo Salvo, alles ok? Ich hab Ferien, werde mal rüber kommen zu dir mit meiner Klampfe, wär doch cool ein kleiner Jam... – ja, klar, abgemacht, ich wart auf dich. Machs guet!“ Es ist der 10. September. Die Häuser stehen immer noch gleich in unserem kleinen Dörfli. Brav und ordentlich in Reih und Glied. Dazwischen die Strasse, die uns alle trennt und selbst so einsam daliegt. Doch plötzlich, es ist kurz nach 14 Uhr. Action pur! Ein Polizeiauto fährt vor, kurz danach der Notruf Wagen 144. Der Fahrer steigt aus, orange, beladen mit dem Reanimations Gerät und eilt in schnellen Schritten zum Haus meines Nachbars, dicht gefolgt vom Polizisten. Ich stehe am Fenster meines Tonstudios, spielte grad einen Blues. Ob wohl etwas mit meinem „näheren“ Nachbar, Rentner, passiert ist? Nein, die beiden Männer laufen weiter, zum zweiten Eingang, da wohnt meine ehemalige Chorsängerin und der Bluesman. Etwas erleichtert atme ich durch, es handelt sich nicht um meinen „näheren“ Nachbarn, den hätte ich „besser“ gekannt. Spiele weiter Gitarre auf meinem Bluesstück. Meine Freundin eilt ins Studio:„Hast du gesehen was da vorgeht?“ Ich schaue zum Fenster raus. Der Notarztwagen braust daher. Vier Männer steigen aus. Im gleichen Moment kommt der orange Mann zurück aus dem Haus. Das Reanimationsgerät baumelt an seiner Hand, seine Schritte sind nicht mehr so schnell, sein Gesichtsausdruck steinern. Ein weiteres Polizeiauto fährt auf die Strasse, die, seit ich hier wohne, noch nie so belebt war, obwohl es sich jetzt vielleicht um einen Todesfall handelt. Auch die anderen vier Männer aus dem Notarzt Wagen kommen zurück, sie tragen alle weisse Gummihandschuhe, gestikulieren und machen Faxen ... ahh, dann ist wohl nix schlimmes passiert, sage ich zu meiner Freundin. Sie sagt jedoch, darauf könne man sich nicht verlassen. Diese Männer müssten so „locker“ sein, sonst könnten sie diesen Beruf nicht ausüben. Wie gelähmt schauen wir beide dem Treiben in respectvollem Abstand hinter dem Fenster zu. Die Strasse ist voll, kreuz und quer stehen die Autos rum. Die Kinder kommen von der Schule nach Hause, kreischen vor Freude, als sie die vielen bunten Autos und das blaulicht sehen: Endlich ist was los. Die Mutter packt den Jungen an den Ohren und reisst ihn rein in das Haus, das wir nur von hinten sehen. Es regnet. Eine ohnmächtige Ruhe umgibt die Gegend. Ich spiele den Blues weiter. Eigenartig, wie gut meine Finger heute laufen. Dann fährt ein grosser grauer Kastenwagen vor: Zwei Männer steigen aus, sie tragen einen blechigen Sarg. Eilen zum Haus. Der Gerichtsmediziner in roten Hosen bringt Plasticsäcke. Trotz des hektischen Treibens ist es gespenstisch still. Ich hab aufgehört Blues zu spielen. Wir holen eine schlichte weisse Kerze, zünden sie an. Der „nähere“ Nachbar sieht das und folgt dem Beispiel. Die Nachbarin hinter uns plaudert fröhlich mit ihrem Besuch zum Zvieri Kränzli, sie hat von alledem, was vor ihr geschehen ist, noch nix mitbekommen. Jetzt schreiten die beiden Männer mit dem Blechsarg aus dem Haus. Versorgen ihn im grauen Kastenwagen. Fahren weg. Der Gerichtsmediziner steigt behangen mit Platicsäcken in sein Auto. Fährt weg. Der Notarztwagen hintennach. Die Strasse findet wieder zu ihrer alten Leere zurück. Die zwei Polizisten laufen nochmals ins Haus, kommen jeodch kurze Zeit später zurück und fahren weg. Es ist etwa 1700 Uhr Am Abend erfahren wir vom „näheren“ Nachbarn: Der Bluesmann ist tot.
Posted on: Tue, 17 Sep 2013 18:53:19 +0000

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