PISA gefährdet unser Bildungssystem Am heutigen Dienstag - TopicsExpress



          

PISA gefährdet unser Bildungssystem Am heutigen Dienstag werden wieder einmal Ergebnisse von PISA-Erhebungen vorgestellt werden. Ein Heer von gut bezahlten Professoren und Statistikern hat dabei allerlei Anwendungs-„Kompetenzen“ von Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 Jahren erhoben und statistisch ausgewertet. Ein Statistik-Apparat, der sich durch seine Studien selbst rechtfertigt und damit Millionen an Steuergeldern weltweit in die Kassen der beteiligten Institute zieht. Schulpolitiker – vor allem in Deutschland – werden die dabei ermittelten fragwürdigen Rankings zu allerlei Rechtfertigungen ihrer eigenen vermeintlich richtigen schulpolitischen Entscheidungen anführen - oder, noch schlimmer, zur Begründung ihrer Forderungen nach noch mehr Egalisierung und Nivellierung von schulischen Bildungsangeboten nutzen (so war es jedenfalls in der Vergangenheit). Vor allem die Anhänger der in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgekommenen Ideologie der Einheits-/Gesamt-/Gemeinschafts-/Stadtteilschule haben es seit der ersten PISA-Erhebung verstanden, deren Ranking als vermeintliches Argument für ihre Forderung nach Abschaffung differenzierter schulischer Bildungsangebote einzusetzen, indem sie auf das Abschneiden mancher Länder hinwiesen, die Gesamtschulsysteme haben. Verschwiegen du ausgeblendet haben sie dabei regelmäßig, dass es ebenso viele Länder mit Gesamtschulsystemen gibt, die schlechter als Deutschland abschnitten. Und verschwiegen haben sie vor allem auch, dass die Schülerinnen und Schüler aus den deutschen Spitzenbundesländern Bayern und (früher) Baden-Württemberg) mit den dortigen klar differenzierten Schulangeboten auch international mit am besten abschnitten. Viel wichtiger ist aber, sich klar zu machen, dass bei der PISA-Studie nicht schulische Bildung untersucht wird, sondern lediglich Anwendungs-„Kompetenzen“ von 15-Jährigen im JA/NEIN- und Ausfüllen/Ersetzen-Modus abgefragt werden. Mit echter (Schul-)Bildung haben die PISA-Studien also so wenig zu tun wie die „Kompetenz“, einen Münchener S-Bahn-Fahrplan zu lesen mit dem Sprach- und Grammatikwissen, das man braucht, um einen lateinischen Text lesen und verstehen zu können oder dem mathematischen Wissen, das Schülerinnen und Schüler für den Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife benötigen, um anschließend erfolgreich ein wirtschafts- oder naturwissenschaftliches Studium aufnehmen zu können. Immer mehr Wissenschaftler bekennen sich deshalb offen zur Kritik an der „Kompetenz“-Gläubigkeit der Pisaner und an den PISA-Studien insgesamt – und das ist gut so: Wirtschaftswoche v. 2.12.2013: Bildungsforscher Volker Ladenthin: PISA gefährdet unser Bildungssystem wiwo.de/erfolg/campus-mba/bildungsforscher-volker-ladenthin-pisa-gefaehrdet-unser-bildungssystem/9149594.html Der Mathematik-Didaktiker Wolfram Meyerhöfer bringt es auf den Punkt, wenn er in seinem Interview mit der taz sagt: „Die Tests werden nach oberflächlichen Kriterien zusammengestückelt, es gibt dabei nicht mal den Versuch, darzustellen, was überhaupt gemessen wird. … Die Pisaner glauben, ihr banales Richtig-falsch-Schema würde schon irgendwie ein sinnvolles Resultat ergeben. Nur haben sie keinerlei Vorstellung davon, wie dieses Sinnvolle zustande kommen soll.“ taz v. 29.11.2013: „Schluss mit dem Geteste“ taz.de/!128233/ Wenn also heute die Pisaner die Ergebnisse ihrer fünften Studie vorstellen und morgen der deutsche Blätterwald wieder einmal rauscht, ist es wichtig sich klarzumachen, dass PISA nichts mit Bildung oder dem zu tun hat, was Deutschland einmal zur Bildungsnation und zum Land der Dichter und Denker gemacht hat – mit gravierenden Folgen für die deutschen Schulen: „Nicht mehr Wissen sollen die Schüler erwerben, sondern ‚Kompetenzen‘. Früher mussten Abiturienten Vokabeln memorieren, heute reicht es, sie nachschlagen zu können. …Was bedeutet ‚Kompetenzorientierung‘ und wo kommt diese Idee her? Sie geht unmittelbar auf das Bildungskonzept der OECD zurück, das die Wirtschaftsorganisation mit ihren PISA-Tests weitgehend erfolgreich zum internationalen Standard erhoben hat. Dieses Kompetenzkonzept setzt als Ziel der Bildung – vereinfacht gesagt – die Fähigkeit der Schüler, sich auf aktuelle, vor allem ökonomische Erfordernisse einzustellen. Anpassungsfähigkeit als höchstes Ideal. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was unter humanistischer Bildung bisher verstanden wurde. … Die aktuelle Bildungspolitik baut nicht mehr auf ein humanistisches Fundament, sondern auf den Treibsand der ‚Employability‘. Der Begriff ‚Bildung‘ mutierte innerhalb weniger Jahre und bezeichnet nun meist sinngemäß die arbeitsmarktgerechte Ausbildung junger Menschen. Die Frage, was die Existenz des Menschen jenseits seines Arbeitsplatzes ausmacht, wird gar nicht erst gestellt. Wirtschafts-Woche v. 18.1.2013: Die Inflation des Abiturs wiwo.de/erfolg/campus-mba/bildung-die-inflation-des-abiturs/7652312.html Weiterführende Informationen: Gesellschaft für Bildung und Wissen bildung-wissen.eu/ Konrad Paul Liessmann: Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft amazon.de/Theorie-Unbildung-Die-Irrtümer-Wissensgesellschaft/dp/3552053824
Posted on: Tue, 03 Dec 2013 09:21:09 +0000

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