Pfarrer Wolfgang Wagner 7. Sonntag nach Trinitatis, 14.Juli - TopicsExpress



          

Pfarrer Wolfgang Wagner 7. Sonntag nach Trinitatis, 14.Juli 2013 Predigt im Begegnungszentrum Pattaya über Philipper 2, 1-11 Liebe Gemeinde ! Das muss eine tolle Gemeinde sein, die Paulus da in der ehemaligen römischen Militärkolonie Philippi gegründet hat: da gibt es gegenseitige Ermutigung (wie man besser als Luther übersetzt, der „Ermahnung“ sagt.) Da gibt es tröstenden Zuspruch statt Verurteilungen. Da gibt es Gemeinschaft des Geistes statt individuelle Profilierung. Da ziehen alle an einem Strang: Keine Eitelkeit und Selbstsucht. Bescheidenheit und Achtsamkeit. Zu schön, um wahr zu sein? Ich habe jedenfalls eine solche Kirchengemeinde noch nirgends erlebt. Meistens „menschelt“ es ganz erheblich. Das ist denn auch der Hebel, an dem unsere Kritiker ansetzen. „Ihr lebt ja selber nicht, was ihr glaubt.“ Nun bin ich dankbar, dass Martin Luther die Kirche nicht definiert hat als „Gemeinschaft der Heiligen“, sondern als „Gemeinde der gerechtfertigten Sünder“. Das bedeutet, dass wir uns moralisch nicht verheben müssen. Wir dürfen zu dem stehen, was wir sind und können. Aber im Apostolischen Glaubensbekenntnis sprechen wir doch „(ich glaube an „die Gemeinschaft der Heiligen“ (communio sanctorum). Ja eben, das ist Sache des Glaubens, also des Vertrauens, aber noch keine Realität. „Communio sanctorum“ kann man auch übersetzen als „Gemeinschaft am Heiligen“. Durch die Taufe sind wir hineingezogen in den Raum des allein Heiligen Gottes. Insofern ist die Kirche „Gemeinschaft der Heiligen“. Sie ist keine Gemeinschaft der Perfekten, Untadeligen, Vollkommenen. (Das gilt übrigens auch für die Pfarrer, wenn ich das mal in eigener Sache sagen darf!) Also: Kirche der Unvollkommenen, der vom Leben Geschädigten, der vielfach Behinderten. Und zumindest bei den andern sehen wir da ja auch. (Was habe ich nicht hier schon für Klagen über Diesen und Jenen gehört.) Der Apostel fordert uns heraus, über uns selber nachzudenken, gewissermaßen an unsere eigene Nase zu fassen, statt sie in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken. Das ist – wir wissen es alle – mühsamer, oft kaum möglich, aber doch heilsam, wenn es gelingt. Andere ändern wir sowieso nicht, möglicherweise aber gelingt es bei uns selber. Ich verhehle nicht meine Skepsis über die Gemeinde in Philippi. Das sind römische ehemalige Soldaten, die sicherlich wie heute nach vielen Jahren Kriegsdienst hart und zynisch geworden sind. Da finden sich Sklaven, die bestimmt jegliche Illusionen über Barmherzigkeit im Imperum Romanum verloren haben. Da sind Frauen, die anders als die reiche Purpurhändlerin Lydia, schon immer unter Diskriminierung zum leiden hatten. Na ja, und die Lydia wird den Neid der weniger Erfolgreichen auf sich gezogen haben. Dann ist da die religiöse Konkurrenz der Wahrsager, die der Gemeinde zusetzen. Und es gibt eine korrupte Stadtverwaltung, die der jungen Gemeinde wohl kaum viel Sympathien entgegenbrachten. Schließlich haben sie Paulus seinerzeit ins Gefängnis gesteckt. Und dieser zusammengewürfelte Gemeindehaufen soll so perfekt gewesen sein? Dann hätte Paulus keinen Brief schreiben müssen. Aber er kritisiert nicht, er verdammt nicht, er verurteilt nicht. Er lobt gewissermaßen ihre bessere Seite heraus. Jeder Mensch in seinem Widerspruch hat ja viele Seiten, gute und böse (traditionell ausgedrückt). Man kann Änderungen versuchen, indem man die bösen Seiten bekämpft. Lange hat man das in der Erziehung so gemacht. „Schläge haben noch keinem geschadet“, heißt es dann. (Doch haben sie meistens!) Paulus ist weiser, auch psychologisch raffinierter. Er lobt die Leute aus Philippi aus ihren alten Gewohnheiten heraus. Er schmeichelt sie zum Guten. Und er nutzt ein altes Tauflied von Christus, um diesen als Vorbild leuchten zu lassen. Dieses Lied hat es in sich! Die römischen Veteranen in Philippi kannten andere Lieder: Marschlieder, Siegeslieder, Propagandalieder. Auf ihren Münzen sahen sie den ewig jungen Kaiser. Wer einmal den Film „Ben Hur“ gesehen hat, der erinnert sich, welchen Werten römische Soldaten unterworfen waren. Wer nicht „oben“ war, wurde vollends niedergetrampelt. Das Gesetz des Stärkeren bestimmte die Welt. Die Christen hatten keine Propaganda. Aber sie hatten Lieder, revolutionäre Lieder. Da wird ein Gott besungen, der nicht „oben“ bleiben will. Der Maßstab für ein Christenleben sind nicht mehr die imperialen Werte Roms, sondern durch das Beispiel Christi kommt ein neuer Maßstab und damit eine neue Gesinnung in die Welt. „Ein jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“ (Luther) Ein Satz aktueller denn je in einer Zeit, in der jeder zuerst auf sich und seinen Nutzen sieht, weil es gilt, Märkte zu erobern, erster zu sein und Erfolg zu haben. Vieles bleibt da auf der Strecke: Zuerst die, die nicht erfolgreich sein können, weil sie nicht so begabt sind. Die, denen das Leben schlecht mitgespielt hat. Und erst recht die, für die unsere Welt der Leistungsstarken keinen Platz mehr zu haben meint. Von hieraus gibt es eine prinzipielle Parteinahme der Christen für die Benachteiligten und Entwürdigten. Denn durch die Erniedrigung des Sohnes Gottes bekommen endlich auch die Armen ihre menschliche Würde unwiderruflich zurück. Sie dürfen nicht länger als Sache oder Ware angesehen und behandelt werden. Die Botschaft, dass Jesus Christus der Herr ist, ist unerhört in einer Welt, in der man wie zu keiner Zeit zuvor vor dem Geld, vor wirtschaftlicher und politischer Macht und vor dem sichtbarem Erfolg in die Knie fällt. Diese Kniefälle werden hier verworfen. Und es ist vor allen anderen die Kirche, der zugemutet wird, nicht in die Knie zu gehen vor den Gesetzen des Marktes, vor jenen „Herren der Welt“, die sich an die Stelle Gottes gesetzt haben und alle Lebensbereiche nur noch nach wirtschaftlichen und politischen Gesetzen formen wollen. Das letzte Wort, so ist der Christushymnus zu verstehen, haben sie nicht, denn die eigentliche Herrschaft hat schon jetzt der erhöhte Christus Jesus. “Dieser scheinbar Ohnmächtige ist stärker als alles. Und Gott wird dafür sorgen, dass das Bekenntnis zu ihm nicht verstummt.” Es ist wahr: In der Geschichte des Christentums hat man die letzten Sätze oft so verstanden als ob die Kirche nun die Nachfolgerin Roms sei. Aus dem Fischer Petrus wurde der „Pontifex Maximus“ (römischer Oberpriester). Noch vor hundert Jahren wollten die Protestanten nach der Weltmissionskonferenz Edinburg die nichtchristliche Welt „christlich unterwerfen“. Ein Widerspruch in sich, von dem wir Gottseidank geheilt sind. Es kommt nicht darauf an, die Welt zu beherrschen, sondern Christus zu bezeugen, in Tat und Wort. Ein Weihnachtslied hat den Gedanken dieses Hymnus schön aufgenommen, wenn wir von Christus singen: „Er äußert sich all seiner G’walt, wird niedrig und gering und nimmt an eines Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding.“ EG 27,3 Amen
Posted on: Sun, 14 Jul 2013 23:45:54 +0000

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