Schuldenbremse: Haushalt saniert, Kommune tot Das Dilemma der - TopicsExpress



          

Schuldenbremse: Haushalt saniert, Kommune tot Das Dilemma der Kommunen verschärft sich angesichts des Verbots, neue Schulden aufzunehmen. Fast geschlossen hat der Bundestag – ausgenommen Die Linke – die sogenannte Schuldenbremse für alle öffentlichen Haushalte ins Grundgesetz aufgenommen. Es dürfen also ab 2019 keine neuen Schulden gemacht werden. Für den Bund gelten zwar Ausnahmen bei bestimmten „Sonder- und Katastrophenfällen“. Doch die Verelendung der Kommunen ist offensichtlich kein solcher Fall. Der Fiskalpakt soll nun zudem den Zwangsmechanismus der nationalen und kommunalen Schuldenbremsen noch verschärfen. Die Pflicht, die gesamtstaatliche Neuverschuldung auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu beschränken, soll bereits ab 2014 gelten.[16] Mit finanziellen Zugeständnissen hat der Bund den Ländern ihre Zustimmung zum Fiskalpakt abgerungen. Wie hoch diese ausfallen, ist allerdings offenbar umstritten: So freut sich der Städte- und Gemeindebund über eine Entlastung in Höhe von vier Mrd. Euro jährlich für Kita-Ausbau, Altersgrundsicherung, Behindertenhilfe und Verkehrsinfrastruktur.[17] Demgegenüber wollte FDP-Generalsekretär Patrick Döring nur feste Zusagen in Höhe von 1,1 Mrd. Euro für die ersten beiden Punkte gemacht haben.[18] Zugleich ist der Bund nach wie vor weit davon entfernt, an den strukturellen Ursachen der dramatischen finanziellen Unterversorgung vieler Städte und Dörfer des Landes zu rühren. Mehrere Bundesländer haben angesichts der verfahrenen Situation Rettungsprogramme für die Kommunen aufgelegt. „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ heißt beispielsweise das Programm in Nordrhein-Westfalen. Im laufenden Jahrzehnt bis 2021 sollen knapp sechs Mrd. Euro bereitstehen, um allen NRW-Kommunen einen „konsolidierten“ Haushalt zu ermöglichen. Ob das Bundesland diese Gelder überhaupt zur Verfügung stellen kann, ist jedoch zweifelhaft. Auch will es die Stärkungsgelder nur zahlen, wenn die Kommunen ihren Haushalte zugleich weiter kürzen. „Stärkung“ bedeutet also das Gegenteil: Schwächung. Für die Kürzungspläne sollen die Städte, so die Empfehlung der Landesregierung, wiederum private Berater beauftragen. Ein Beispiel aus Hessen verdeutlicht, was das heißt: So verfasste die Unternehmensberatung Kienbaum für die Stadt Dreieich das Gutachten „Projekt Schuldenbremse in der Stadt Dreieich“.[19] Allein für das Gutachten zahlte die 40000-Einwohner-Stadt 250000 Euro. Kienbaum schlägt einen auf zehn Jahre angelegten „Umstrukturierungsprozess“ vor – so umschreibt das Unternehmen die jährlichen Kürzungen von mindestens fünf Mio. Euro. „Dabei kommt Kienbaum eine Motor- und Begleitfunktion zu“, merken die Berater selbstbewusst an. Das bezieht sich auch auf den Umgang mit zu erwartenden „Widerständen“. Die Honorare für Kienbaum sind sicher, alle anderen Ausgaben unterliegen der „tabulosen“ Prüfung. Die Berater haben also die starke Stellung eines Insolvenzverwalters. Bei den Einsparungen, sprich Kürzungen, steht der Abbau von Arbeitsplätzen im Vordergrund, insgesamt sollen von den bisher 355 Stellen der Stadtverwaltung 58 wegfallen. Zu den 99 „Konsolidierungsmaßnahmen“ gehören auch wesentliche Verschlechterungen der Infrastruktur: Brücken sollen nicht saniert, die drei Bäder geschlossen, die Anzahl der Spiel- und Bolzplätze verringert, die Straßenbeleuchtungszeiten eingeschränkt, die städtischen Brunnen stillgelegt, Straßen nun noch seltener gereinigt und auf öffentliche Toiletten verzichtet werden. Weil die gewählten Vertreter im Stadtrat bei diesem „objektiven“ Prozess weniger zu tun haben werden, sollen ihre Zahl sowie ihre Sitzungsgelder reduziert und soll auf den Botendienst für Sitzungsunterlagen verzichtet werden. Auch die Bürgerinnen und Bürger brauchen nicht mehr so viel Kontakt zur Verwaltung, meint Kienbaum, deshalb steht die Reduzierung der Öffnungszeiten im Rathaus, im Bürgerbüro und an der Infotheke an. Zum klischeehaften Kienbaum-Muster gehören noch folgende Ausgabenkürzungen, wobei es sich in der Beratersprache eingebürgert hat, lieber von „prüfen“ als von „kürzen“ zu sprechen: Die 24-Stunden-Einsatzbereitschaft der Feuerwehr prüfen, Kinder- und Jugendförderung prüfen, Wirtschaftlichkeit der Bibliothek prüfen. Vielfach schlägt Kienbaum aber auch ohne eine solche „Prüfung“ sozialen Kahlschlag vor: Die Vereinsförderung soll um 50 Prozent reduziert, die rechtliche Betreuung eingeschränkt, die Budgets von Seniorenberatung, Behindertenbetreuung und Integrationsmaßnahmen gedeckelt, die Rentenberatung eingestellt, die Zuschüsse für Hilfen in persönlichen Notlagen reduziert und die kostenlosen Fahrpläne für den Nahverkehr eingestellt werden. Im Musterkoffer sind auch Vorschläge enthalten, wie die Einnahmen gesteigert werden können: Erhöhung der Hundesteuer, Anpassung der Kita-Gebühren, Verkauf des Stadtforstes, Verkauf eines Bürgertreffs. Am Ende des Kürzungs-Jahrzehnts soll „die kommunale Handlungsfähigkeit auf Dauer“ gesichert sein. Das heißt also: Der Haushalt wäre „saniert“, die Infrastruktur weiter verschlissen, das kommunale Leben verarmt, die Bürger geschröpft, die Demokratie weiter ausgehöhlt. Doch dieses Sanierungsziel, so gestehen die Berater im Nebensatz zu, kann wahrscheinlich sowieso nicht erreicht werden. Denn während des Sanierungsprozesses muss weiter mit „rückläufigen Mitteln“ gerechnet werden. Diese Art „Sanierung“ ist somit in Wirklichkeit ein zeitlich unbegrenzter Verarmungsprozess nach dem Motto: Haushalt saniert – Kommune tot. Quelle: blaetter.de
Posted on: Sat, 13 Jul 2013 05:38:17 +0000

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