«Wenn Sie nun die Wahl hätten zwischen einem souveränen Nationalstaat, der in geordneten rechtsstaatlichen Verfahren Ihre nationalen Interessen vertritt, und einem bürokratischen, von Eliten begründeten und geführten Moloch, der in einem undurchschaubaren Regulierungswahn die Vielfalt der europäischen Kulturen gleichschalten will, und Sie dann noch dazu zwingt, mit Ihrem Steuergeld eine korrupten fremden Staat von Steuerbetrügern durchzufüttern - wie würden Sie sich entscheiden? Sie würden - ach, wir wissen es! Was Sie nicht bedenken, ist, wie sehr es bei einer solchen so unschuldig anmutenden "demokratischen" Entscheidung auf die Formulierung der Wahlmöglichkeiten ankommt, und darauf, sie zu hinterfragen. Was zum Beispiel sind "nationale Interessen"? Können Sie mir erklären, was Ihre berechtigten "nationalen Interessen" sind, und zwar so, dass mir unmittelbar einsichtig ist, dass nur Sie als - sagen wir - Schweizer Bürger diese Interessen mit gutem Grund haben, während ke in Portugiese, kein Holländer, Italiener oder Litauer diese Interessen haben kann? Können Sie mir diese Ihre Interessen nennen, die im Sinne der Menschenrechte legitim sind und zugleich einzigartig in Europa und weltweit? Was sollte das sein? Oder ist es nicht vielmehr so, dass alles, was Sie als Ihr nachvollziehbares Interesse formulieren können, ebenso im Interesse von Portugiesen, Griechen, Holländern und so weiter wäre?» Robert Menasse: «Der europäische Landbote». Die Wut der Bürger und der Friede Europas. Zsolnay Verlag, Wien 2012.
Posted on: Mon, 12 Aug 2013 16:59:29 +0000
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