Wer Männer in den Wechseljahren erleben will, muss zum - TopicsExpress



          

Wer Männer in den Wechseljahren erleben will, muss zum Volksradrennen Velothon. Mit absurd teurem Equipment, epilierten Schenkeln und steinzeitlichem Reviergehabe kämpfen Piraten-Peter und Dinkel-Dieter um Sekunden. Wunderläufer Achim Achilles hat sich ins Feld gemischt. Achim Achilles beim Volksradrennen Velothon – Spiegel Online Das Rennen ist noch keine zehn Kilometer alt, da ertönt von hinten links das vertraute Knirschen: Alu trifft Karbon trifft Knochen trifft Straße. Drei Hobbyradler und zehntausend Euro Hochleistungsmaterial haben sich innerhalb von zwei Sekunden zu einem Haufen blutigen Sondermülls verknäult. Zarte Beinhaut verklebt die Poren im Asphalt. Einer von vier Live-Stürzen auf 60 Kilometern Berliner Velothon - offenbar der normale Schnitt. Wir fürchten Laktose, Spähprogramme und Alexander Dobrindt. So richtig Risiko gibt es aber nur beim Volksradrennen. Wenn Zehntausende Aushilfs-Wiggins Ausreißversuche, Sprint-Duelle und Keirin nachspielen, ist der Sturz praktisch gebucht. Oft reicht schon eine luschig fixierte Trinkflasche, eine verlorene Epo-Spritze oder ein erschöpfungsbedingter Taumel, damit irgendein Honk eine Welle fährt und einen unschönen Dominoeffekt im dichten Feld auslöst. Am Ende steht fast immer das hässliche Knirschen. Marathonläufer balancieren an der Selbstzerstörung; Radamateure sind meilenweit drüber. Wer sind diese, überwiegend, Jungs, die in jener prekären Lebensphase von schütterem Haar, frustrierendem Alltag und nachlassender Allgemeinspannkraft unbedingt noch mal den Hauch von Paris-Roubaix einatmen müssen? Eine kleine Typologie des gemeinen Rennradlers. Alfons, der Angeber Trikot von der Alpenquerung, Socken vom Trainingscamp mit Fred Rompelberg, Trinkflasche mit Galibier-Motiv. Ist ja gut, Meister, du hast bestimmt auch einen meterlangen GTI-Ingnition-Chris-de-Burgh-Edition-Aufkleber an deinem Transporter. Wir fänden dich allerdings noch eine Spur toller, wenn du ein bisschen flotter in die Pedale treten würdest. Piraten-Peter Vom Radkurier zum Edelschrauber hochgerackert. Redet wenig, weil sowieso keiner Ahnung hat außer ihm. Tattoos von Bremshebeln, Speichen und Kettengliedern auf dem Unterarm. Ohrloch auf die Weite eines 11er-Ritzels gedehnt. Totenkopf-Trikot. Kann an frühere Leistung leider nicht mehr anknüpfen, fährt deswegen mit dem Chopper. Problem: Es gibt nur einen erwachsenen Menschen, der würdevoll Pirat spielen kann. Und das ist Johnny Depp. Dinkel-Detlef Entstammt dem deutschen Ingenieurwesen. ADFC-Mitglied, Ehrennadel für 25 Sternfahrten. Referiert über Rohrlegierungen, Muffenkultur, Schaltstrategien. Hat Beleuchtung am Rennrad wegen der Sicherheit und Satteltaschen fürs Werkzeug. Die Gattin hat ihm selbstgebratene Dinkelriegel in die Tupperdose gepresst, an die aber bei voller Fahrt kaum ranzukommen ist. Nach zehn Kilometern fliegen die Lampen ab, nach 20 die Satteltaschen und nach 30 Detlef selbst. Völlig unterzuckert landet er im Rettungswagen, wo er prompt über die Vorzüge des Schaltgetriebes philosophiert. Greenhorn-Günther Erste Teilnahme. Hat die Checklisten aus vier Radfachzeitschriften abgearbeitet. Vier Trinkflaschen und zwei Dutzend Gel-Beutel machen den Gewichtsvorteil der sündhaft teuren Karbon-Flaschenhalter zunichte. Schnittwunden an beiden Knöcheln infolge ungelenker Rasierversuche. Haarinseln auf der Wade. Zeitfahrhelm falschrum, weil - beim ICE ist doch auch das Spitze vorn. Brät an der dritten Verkehrsinsel grußlos in die Strohballen, weil er in voller Fahrt mit dem Programmieren seines GPS-Geräts (Meilen oder Kilometer?) beschäftigt ist. Lars, der Legionär Grimmig ist gar kein Gesichtsausdruck. 62 sehnige Kilogramm häuslicher Gewalt, wenn er noch ein Sozialleben hätte. Radsport ist Kampfsport. Fasst den Lenker wie Bullenhörner. Brüllt, meist grundlos. Muss immer Anführer, Erster, Überholer sein. Postergroßes Tattoo von Eddy Merckx zwischen Nacken und Wade. Lutscher-Lothar Deutlich über 50 und steckt voller Ehrgeiz, weder die edle Karre noch das teure Textil mit Schweiß zu benetzen. Hält sich deswegen das ganze Rennen lang im Windschatten fremder Leute auf. Würde sich lieber hinter ein Dreirad hängen als auch nur einmal im Leben selbst die anstrengende Führungsarbeit zu verrichten. Hält es für ein Kompliment, wenn er nach jedem Rennen von den Sportskameraden mit den Worten Geh bügeln, du Lutscher! verabschiedet wird. Bernd, die rollende Bombe Er mahnt, zetert, zittert, keift. Kein Mitfahrer ist sicher vor seinen pädagogischen Hinweisen zum korrekten Fahren im Feld. Fliegt gelegentlich über die Leitplanke, weil er sich wieder mal umgedreht hat, um einen Sportsfreund zurechtzuweisen. Keiner hält an. Der Bohlen Weiße Schuhe, weißes Trikot, weißes Rad. Kanariengelbe Socken als ironischer Ausweis von modischer Individualität. Augenbrauen gezupft. Den Helm mit Speckschwarte zum Glänzen gebracht. Weil er leider mehr Zeit beim Brazilian Waxing verbracht hat als im Training, kommt er nur knapp vor den Damenrädern mit Körbchen ins Ziel.
Posted on: Thu, 31 Oct 2013 13:07:41 +0000

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