Die Terroranschläge in den USA vor zehn Jahren haben die Welt - TopicsExpress



          

Die Terroranschläge in den USA vor zehn Jahren haben die Welt verändert. Doch es gilt, sich nicht nur mit den Folgen, sondern auch mit den Ursachen auseinanderzusetzen. Von Friedrich Schorlemmer Dieser 11. September 2001 ist zum Menetekel geworden. Aus »heiterem Himmel« kam es zu einer Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß, deren Bilder sogleich um die ganze Welt gingen. ­Alles, was in Horror-Filmen über Monster- und Marsmenschen erdacht wurde, geschah. Plötzlich war »Ausnahmezustand«. Die Spaßgesellschaft war am Ende. Vorläufig. Unvergesslich: Ein Eingeschlossener winkte in 380 Meter Höhe mit einem Tuch, bis der erste Turm in sich zusammenfiel wie ein Kartenhaus, generalstabsmäßig, wie bei einer Sprengung, und begrub alles unter sich: Menschen, Einrichtungen, den Stolz Amerikas. Im World Trade Center hatte sich die Welt-Markt-Macht symbolisiert, wie die militärische Macht im Pentagon. Eine Weltmacht taumelte in Trauer, Wut, Kränkung. Sie wollte der Welt bald beweisen, dass sie stark genug ist, die Schuldigen zu finden und auszulöschen. Die Täter waren mit äußerster Brutalität vorgegangen, gnadenlos mit ihren Opfern, gnadenlos mit sich selbst. Der Hass hatte eine ungeheuerliche kriminelle Energie freigesetzt. »Warum hassen sie uns so?«, fragte die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag (1933 bis 2004) und wurde dafür selber gehasst. Die USA, die seit Ronald Reagan »das Fenster der Verwundbarkeit« schließen und sich gegen »Schurkenstaaten« aus dem Weltraum schützen wollten, waren nun durch Gotteskrieger mit den Mitteln des zivilen Weltverkehrs getroffen worden. Die Utopie der Unverletzbarkeit zerstiebte. Was da ersonnen und durchgeführt wurde, das war das Böse, das von sich selbst glaubt, es richte sich gegen das Böse. Es hat Nährboden gefunden. Es hat Gründe, es hat Geld. Es hat Verführungskraft. Die Ursachen rechtfertigen nicht solches Tun, aber dieses Tun ist auf seine Ursachen hin zu ­untersuchen. Was geschehen ist, war nicht mit einem Schlag, auch nicht mit vielen Schlägen aus der Welt zu schaffen, schon gar nicht aus der Luft. George W. Bush reagierte mit archa­ischen Rachemustern. Er rief den New War aus und versprach, die Täter überall zu jagen, forderte Afghanistan auf, die alsbald ausgemachten Anführer »auszuspucken«. Das amerikanische Volk wäre gut beraten gewesen, gemeinsam mit der Völkergemeinschaft alles dafür zu tun, dass mit der Stärke des Rechts konsequent gegen terroristische Banden, Organisationen, Staaten, Einzelpersonen oder Ideologien vorgegangen wird. Nichts wäre nötiger gewesen als die Mobilisierung der Solidarität der Völkergemeinschaft über alle kulturellen, religiösen und sozialen Schranken hinweg. Niemand sollte einen mörderischen Kulturkampf vom Zaune brechen, sondern ihm jede Rechtfertigung entziehen! Nichts ist mehr sicher. Die moderne Welt und alle ihre Einrichtungen sind gefährdet. Die offene Gesellschaft ist gefährdet. Sollte sie sich abschließen und auf die Freiheit verzichten und der Illusion garantierbarer Sicherheit alles opfern? Sollten die Geheimdienste, die versagt hatten, alle Macht bekommen, alle Vollmachten über uns und alles permanent überwacht werden? Wir sind aus der Unbefangenheit vertrieben. Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Globalisierung auch bedeutet, dass alles mit allen und ­allem zusammenhängt und deshalb auch alles von allen abhängt. Aber die Bomben, mit denen ganze Völker in Geiselhaft genommen wurden, weil ihre Führer Terroristen beherbergten, wurden selber zum Futter für neue Extremisten. Bombenfutter. Die zivilisierte Menschheit bleibt gefordert, die Täter und ihre Hintermänner dingfest zu machen, sie zu verurteilen und zugleich alles zu vermeiden, was Hass schürt. Es gilt, sich mit seinen Ursachen, nicht nur mit seinen Folgen zu beschäftigen. Er lässt sich nicht totbomben, denn Tod – zumal durch »Kollateralschäden« – wurde Anlass für neuen Hass und führte wieder zum (heimtückischen) Tod. Der nun zehn Jahre tobende Afghanistankrieg wird militärisch nicht zu gewinnen sein. Es ist der größere Mut gefordert, der Mut zum Frieden in Zeiten des Krieges, der sich der Vergeltung enthält und einen gerechten Frieden anstrebt. Bookmark and Share Tags: Friedrich Schorlemmer, Gedenken an 11. September 2001
Posted on: Wed, 11 Sep 2013 10:17:27 +0000

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