DIESELBEN GESCHICHTEN, NUR ANDERS Alle U-Bahn Teilnehmer sind - TopicsExpress



          

DIESELBEN GESCHICHTEN, NUR ANDERS Alle U-Bahn Teilnehmer sind plötzlich dreidimensionale Körper mit Erinnerungen. Das liegt nicht daran, das die Welt sich grundlegend geändert hat. Ich hab mir nur Musik von Ketil Bjornstadt ins Ohr gestöpselt. Ein bisschen dramatische Musik und mich kratzt es nicht mehr, dass ich keine Ahnung von meinen Gegenübern hab. Denn wir setzen alle unsere Füße auf dieselbe Erde und sind daher eh eins. Man kann sagen, wir ziehen alle am selben Strang oder wir ziehen alle aus dem selben Pott Lose. Egal! Wir sind Spieler eines Zufallsspiels. Und wir sind alle süchtig nach mehr Spiel und Lose, Mp3 und Mp4. Eine Frau in strahlend weißer Hose und schwarzem Oberteil ist mit ihren verhältnismäßig kleinem Smartphone beschäftigt und wirkt zufrieden, grinst zufrieden. Eine seltene Zufriedenheit. Neben sich hat sie eine schwarze, bewundernswert kratzerlose Tasche, die glänzt. Ihre hochhakigen Schuhe mit ganz schmalen Absätzen enden in einer silbernen Schlaufe. Es kratzt mich nicht, dass ich den individuellen Unterschied nicht kenne – zwischen ihr und mir und all den anderen. Ein Mann mit markanten Gesichtszügen hat einen grünen, altbackenen Kopfhörer auf und schaut so nachdenklich als höre er ähnliche Musik wie ich. Er tauscht seine Posen. Seine rechte Hand hängt vor seinem Mund und dann wieder verschränkt er seine Arme. Er seufzt. (...) Es ist eine Szene wie aus dem Ende eines Films. Sämtliche Geschichten sind erzählt. In einem Geflecht von unübersichtlichen Parallelhandlungen. Alles ist passiert und wird wieder passieren. Die Geschichten sind immer wieder anders, aber wenn man sich auf die Basis konzentriert, dass wir alle unsere Lose aus einem Pott ziehen und alle dieselbe Welt bewohnen in unserer auf Bedürfnisbefriedigung ausgelegten Art, kann man sie alle als dieselben Geschichten verstehen. Dieselben Geschichten nur unter anderen Bedingungen und besetzt mit anderen Charakteren. Dieselben Geschichten, nur anders. «Ich dachte auch, dass wir um zwölf so lustig san und dann frühstücken wir – Das wird so cool», spricht eine blonde Frau in rotem Blümchenkleid in ihr Handy. «Ja, ich habs schon ausgedruckt – Ja ja – hab ich auch schon alles gebastelt und so – nene am Samstag hat der Zeit – ja genau, ich denk, dass er dann – genau – du – soll ich – ich kann dir auch meine Nummer von der Arbeit geben.» - Fr, 19. Juli 2013, Die U, 8:39 -
Posted on: Sat, 10 Aug 2013 00:20:13 +0000

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