Die Buchhändlerin empfiehlt im August 2013 Franz Hohler - TopicsExpress



          

Die Buchhändlerin empfiehlt im August 2013 Franz Hohler „Gleis 4“ Luchterhand Verlag 17,99 € Der große alte Mann der Schweizer Literatur hat nach seinen Erzählungsband „Der Stein“, aus dem er 2011 bei uns in der Buchhandlung gelesen hatte, nun wieder einen Roman herausgebracht. Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren, er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. In „Gleis 4“ erzählt er eine Geschichte, die einen von Anfang an fesselt und deren Verzweigungen eine weithin unbekannte Facette der Schweiz zeigt. Ganz harmlos fängt es damit an, dass Isabelle, eine Altenpflegerin, die sich sehr auf ihren wohlverdienten Urlaub freut mit ihrem schweren Koffer am Bahnhof steht. Ein freundlicher älterer Herr bietet ihr an, den Koffer für Sie die Treppe hinauf zu tragen. Gerne akzeptiert Isabelle diese Hilfe, doch am Bahnsteig angekommen, kippt der Mann einfach um und bleibt liegen. Herzinfarkt! Isabelle, von einem schlechten Gewissen geplagt (vielleicht war ihr Koffer doch zu schwer?), sagt ihren Urlaub ab und nimmt Kontakt mit der Witwe auf, die in Kanada lebt und nun kurzfristig zu Isabelle zieht. Martin Blancpain, so hieß der Tote, war ursprünglich Schweizer, doch er hatte mit seiner Frau sehr wenig über seine Kindheit und Jugend gesprochen. Nach und nach findet Isabelle mit Hilfe ihrer Tochter und der Witwe Blancpains einiges über seine Vergangenheit heraus und stößt auf eine erschütternde Familiengeschichte. Wie der Schweizer Staat willkürlich armen Familien ihre Kinder entzogen hatte, wie wenig sie sich dagegen wehren konnten und welche Auswirkungen das manchmal hatte – ich nenne als Stichwort „Verdingkind“ - und bis heute noch hat, das zeigt dieser Roman sehr eindringlich. Auch die heutige Schweiz ist nicht unbedingt nur ein Hort von Volksdemokratie, Wohlstand und Toleranz, Isabelles Tochter, deren Vater ein Afrikaner ist, kann auch davon ein Lied singen. Nun ist Franz Hohler kein typischer „Nestbeschmutzer“, aber in dieser sehr leicht zu lesenden und locker geschriebenen Familiengeschichte wirft er ein Schlaglicht auf eine bisher unbeleuchtete Seite des Landes. Sehr spannend, mit vielen zum Teil sehr unerwarteten Wendungen, zieht Hohler uns Leser seinen Bann und erfreut mit einer richtig guten Story und seiner eleganten leichten Sprache. Ich hoffe, dass uns Franz Hohler noch lange erhalten bleibt! Elvira Hanemann
Posted on: Thu, 01 Aug 2013 16:40:10 +0000

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