[Helmut Rohm, BR-online] : Natürlich verstehe ich - so räumte - TopicsExpress



          

[Helmut Rohm, BR-online] : Natürlich verstehe ich - so räumte Harley Gaber, der Komponist, ein - dass dies nicht jedermanns Sache ist. Er meinte sein 1973/74 entstandenes und über hundert Minuten dauerndes Streichquintett The Wind Rise in the North, dessen magische, rau schimmernde Klangwelt sich in vier Abschnitten nur extrem langsam wandelt - ohne erkennbare temporale Textur, ohne Eindeutigkeit und ohne Ziel. Man könnte beim Hören an das Lied einer verstimmten Äolsharfe denken, die, bespielt vom schroffen Wind an den Klippen Irlands, von den Unendlichkeiten des Meeres singt. Doch wer es versteht, konzentriert lauschend die subtilen energetischen Wandlungsprozesse wahrzunehmen, von denen diese Musik getragen wird, der schult nicht nur sein Ohr, dem fließen vor allem Heiß und Kalt zusammen. Es hat schon seine Richtigkeit, dass vom CD-Cover der geschmackvoll ausgestatteten Produktion flammenden Blickes, mit drittem Auge auf der Stirn, eine Gottheit die Dämonen im Zaum hält. Das gold-braune Thanka-Bild aus dem Umfeld des tibetischen Buddhismus öffnet den Assoziations-Raum, dem die Musik sich verdankt. Gaber selbst erlebte sein Werk als einen Spiegel, in dem man sich selbst und dann auch dahinter schauen kann. (Kein Geringerer als Pierre Boulez hat übrigens mit Musikern der New Yorker Philharmoniker Teile daraus aufgeführt.) Die 1976 dezidiert nicht in einem Studio entstandene Aufnahme des einzigartigen Quintetts für drei Violinen, Viola und Violoncello erschien nun digital remastered auf einer Doppel-CD bei der Berliner Edition RZ - bei einem Label mithin, das immer wieder für Glanzlichter der besonderen Art zu sorgen weiß. Bewundernswert sind die Konzentration und der Musiziergeist der fünf Interpreten. (Malcolm Goldstein spielt mit, ein Geiger und Komponist, für den John Cage oder Christian Wolff geschrieben haben und dessen Affinitäten zur New York School und der Kunst des Abstrakten Expressionismus evident erscheinen.) Harley Gaber selbst wurde 1943 in Chicago geboren. Er gehört zur bunten Gilde amerikanischer Künstler, die prägende Eindrücke in Europa empfangen haben (in den 60ern u.a. bei Aldo Clementi, Franco Evangelisti, Darius Milhaud) um dann im Zeichen jenes spezifischen Freiheitsgeistes ihrer Heimat neue Wege zu beschreiten. Im New York der siebziger Jahre schien seine Kunstproduktion zunächst zu versiegen, um dann in Kalifornien in den Bereichen Photographie, Malerei, Klanginstallation und Mixed-Media erfolgreich und nachhaltig wieder aufzublühen. Zu seinem Quintett meinte Gaber, man möge es als Ganzes anhören wollen/können oder auch nicht. Ein verkrampftes Durchhalten würde dem Geist des Stückes jedoch nicht entsprechen.
Posted on: Sun, 27 Oct 2013 14:10:14 +0000

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