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### Jetzt kommt der Volkssturm ### Sachsen-Anhalt: 3000 ältere Hartz-IV-Betroffene sollen als »Ein-Euro-Jobber« Flutschäden beseitigen Von Susan Bonath Die Alten sollen ran: ALG-II-Bezieher werden zum Sandsackschleppen einbestellt Foto: Ole Spata/dpa Als Elbe und Saale in Sachsen-Anhalt über die Ufer traten, schippten Tausende Freiwillige gemeinsam Sandsäcke und sicherten Deiche. Damit ist jetzt Schluß. Das vom Sparwahn ergriffene, weil mit rund 20 Milliarden Euro verschuldete Land greift fürs Aufräumen nach der Flut auf sein Erwerbslosenheer zurück. Ran sollen unter anderem 3000 Ältere, und zwar ohne Lohn. Das hat das SPD-geführte Sozialministerium mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit (BA) vereinbart. Dafür hat die BA eigens ein Maßnahmepaket geschnürt. Im Rahmen des Programms »Aktiv zur Rente« will sie die über 50jährigen »wiedereingliedern« – in was, bleibt ihr Geheimnis. Denn dahinter verbergen sich schlicht Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, im Volksmund »Ein-Euro-Jobs« genannt. Wie hinlänglich bekannt ist, befördern diese höchst selten in feste Arbeitsverhältnisse. Konkret bedeutet das: Die zur Arbeit Herangezogenen bekommen den mickrigen Hartz-IV-Regelsatz weiter, bleiben also unter der »Aufsicht« der Jobcenter und der Knute der strengen Agenda-Gesetze. Obendrauf erhielten sie einen Euro je Arbeitsstunde, maximel 160 Euro pro Monat, erklärte Ministeriumssprecher Holger Paech auf jW-Nachfrage. Den »Obolus«, welchen das Land mit 2,7 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds finanziere, dürfen sie aber keineswegs in ihre karge Haushaltskasse stecken. Der Ministeriumssprecher stellte klar: »Das Geld kann für Arbeitsmaterial, wie Müllsäcke, Spaten oder Schippen aufgewendet werden«. Daneben könnten Maßnahmeträger von den staatlichen Zuschüssen »besondere Schutzkleidung« anschaffen oder ihre neuen Gratiskräfte »anleiten«. Ob die Ein-Euro-Jobber ihre Anfahrtskosten zu den Deichen auch – wie üblich – von ihrer »Zulage« finanzieren müssen, »entscheiden die Träger vor Ort«, wollte sich BA-Sprecher Kristian Veil gegenüber jW nicht festlegen. Immerhin: Denkbar seien, spekulierte er, »zum Beispiel Sammeltransporte«. Was die älteren Ein-Euro-Jobber, die laut Sozialgesetzbuch lediglich »zusätzliche Tätigkeiten« ausüben dürfen, konkret zu tun hätten, regele ebenfalls der Träger, so Veil. Gefährliche Arbeiten – Hochwasser birgt etwa Seuchengefahr – müßten sie nicht verrichten, versicherte er. Wer ein »Arbeitsangebot« der Behörde ablehnt, muß dies gut begründen, zum Beispiel mit »ärztlichen Attests oder psychologischen Gutachten«. Am Ende entschieden jedoch »die Integrationsfachleute der Jobcenter, denen Fähigkeiten und körperliche Leistungsfähigkeit ihrer Kunden bekannt sind«, erklärte Veil. Anders sieht es aus, wenn die rekrutierten Deichhelfer selbst Opfer der Flut sind. Zwar haben BA, Deutscher Städtetag und Landkreistag gemeinsam erklärt, daß »Hilfen, die ausdrücklich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden«. Eine neue »Erstausstattung« der Wohnung finanziere die Behörde jedoch nur, wenn weder eine Versicherung noch ein Nothilfeprogramm dafür aufkäme. Ergo heißt das: Hilfen werden doch angerechnet, und zwar auf die Beträge, die Hartz-IV-Betroffene für neue Möbel beantragen können. Diese sind sehr gering: Nach Angaben des Arbeitsrechtlers Harald Thomé gewähren Kommunen im Westen maximal 2000 Euro, im Osten häufig nur 800 Euro. Dieser Logik nach wären Spenden, die diese Minimöbelhilfe übersteigen, Einkommen. Und das wiederum wird von der Regelleistung abgezogen. Die Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat indes offenbar verpaßt, daß es sich um Ein-Euro-Jobs und nicht um reguläre Arbeitsplätze handelt. Es spreche viel dafür, sie »für immerhin ein halbes Jahr wieder in Lohn und Brot zu bringen«, erklärte die Abgeordnete Sabine Dirlich Ende voriger Woche. »Unverständlich« findet sie es jedoch, daß gerade Ältere für die körperlich anstrengende Arbeit herangezogen würden. Zudem solle das »Prinzip der Freiwilligkeit« gelten. Der Mindestlohn in der Abfallwirtschaft von 8,68 pro Stunde dürfe nicht unterschritten werden, fordert sie. Allerdings sind diese »Arbeitsgelegenheiten« gar keine regulären Arbeitsverhältnisse. Für Betroffene gilt nicht das Arbeits-, sondern weiterhin das Sozialrecht der Agenda.
Posted on: Mon, 17 Jun 2013 17:53:36 +0000

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