«Leistungsträger»: ein Kampfbegriff der Neoliberalen Wer das - TopicsExpress



          

«Leistungsträger»: ein Kampfbegriff der Neoliberalen Wer das “Leistungsprinzip” betont, suggeriert, dass die Güter und die Chancen auf einen Arbeitsplatz in unserer Gesellschaft gerecht verteilt sind. Wer in Not geraten ist und ein verhältnismäßig geringes Existenzminimum in Anspruch nimmt, wird als “Schmarotzer” abgekanzelt. Der Geldadel dagegen, der über Zinsen, Mieten, Pacht und Spekulationsgewinne völlig leistungslos ungleich mehr abkassiert, steht in hohem gesellschaftlichem Ansehen – na, zumindest bei sich selbst. Wieder liefert Holdger Platta hier eine brillante, in die Tiefe gehende Wortanalyse. Eine Propagandavokabel der Neoliberalen macht sich in den öffentlichen Debatten breit – und hat sich fast schon durchgesetzt: „Leistungsträger“ nennen sich die Reichen und Superreichen, die Mächtigen und Pfründeninhaber seit einiger Zeit mit besonderer Vorliebe. Eine einzige Unverschämtheit! Dieser Begriff suggeriert – und das soll er ja auch -, dass alle anderen in diesem Lande nur noch Faulpelze oder Nichtskönner sind. Die Wahrheit ist aber: Zum Erfolg eines Unternehmens tragen immer noch alle mit bei: die arbeitenden Menschen „ganz unten“ auf jeden Fall und vielleicht auch hin und wieder die Spitzen „ganz oben“. Gleiches gilt für die gesamte Wirtschaft, gilt für den gesamten Staat. Punkt zwei: Was die Oberen leisten, ist oft nur die Frechheit, dass sie sich vieles leisten: Massenentlassungen, Firmen an die Wand fahren oder ins Ausland verlegen, Steuern hinterziehen oder Schmiergelder zahlen – und eben Unverschämtheiten wie den Begriff „Leistungsträger“, eine anmaßende Selbstbeweihräucherungsvokabel, die vor Eigenlob zum Himmel stinkt. Des weiteren: Was die Oberen leisten, ist oft nur der arrogante Snobismus, sich – dank überfüllter Bankkonten – allzu vieles leisten zu können: von der Luxusjacht über Lustreisen bis zur überflüssigen Vielfliegerei, die unsere Umwelt versaut und von uns Steuerzahlern und Konsumenten auch noch bezahlt wird – allzu bereitwillig oft und kritiklos. Kurz: Wer weiß, was Begriffe „leisten“ können, weiß auch, was dieser Begriff „Leistungsträger“ leisten soll: ideologisierend, beschönigend und verfälschend das Bewusstsein der Öffentlichkeit manipulieren – im Interesse der Herrschenden. Und übrigens: bis weit in die großen Massenmedien hinein. Antonio Gramsci, der große italienische Marxist, sprach in diesem Zusammenhang einmal von der „Hegemonie in den Köpfen“ – von der Vorherrschaft, die man durch solche Sprachtricks auch über das Denken der Menschen erringt. Ausschließlich zu dem Zweck, die eigene – auch ganz reale – Vorherrschaft sicherzustellen. Das bedeutet: Wenn nunmehr ein Begriff wie „Leistungsträger“ zunehmend in der Öffentlichkeit durchgepaukt wird, dann ist das mehr als nur Durchsetzung eines Begriffs. Das ist auch Kampf um die Absicherung weiterer politisch-wirtschaftlicher Vorherrschaft. Und es ist eine Verdummungsstrategie reinster Sorte. Aus Privilegien und Vorherrschaft macht dieses Verblödungswort Leistung und Last. Dem sollten wir unseren Wissensstand und unseren Kampf entgegensetzen. Unter anderem durch Analyse und Aufklärung darüber. Sonst droht, was schon Immanuel Kant, der Königsberger Philosoph der Aufklärung aus dem 18. Jahrhundert, als Folge solcher Nichtaufklärung konstatiert hat: Fortbestand der Unmündigkeit. Diese Unmündigkeit aber darf es nicht geben in einem Land, das sich immer noch „Demokratie“ nennt. Schon Bertolt Brecht stellte vor Jahrzehnten fest: „Demokratie, das ist Herrschaft der Argumente!“ Nicht Herrschaft sogenannter „Eliten“, nicht Herrschaft verblödender Ideologien. „Leistungsträger“, dieser Begriff ist nichts anderes als ein Frontalangriff auf unsere Interessen und auf unsere Intelligenz. Wer Demokrat ist, sollte sich also derartigen Verblödungsbegriffen mit Energie und Konsequenz in den Weg stellen: im Namen der Demokratie! Und abschließend aufgespießt: Neuerdings bedienen sich die sogenannten „Leistungsträger“ – die Mächtigen und Superreichen – noch eines zusätzlichen Tricks. Sie gemeinden in ihren Begriff von „Leistungsträgerschaft“ (sofern es ihnen in den Kram passt) durchaus auch noch andere Bevölkerungskreise mit ein – die FDP vor allem die Angehörigen des „Mittelstands“. Der Begriff der „Leistungsträger“ soll dadurch dem Begriff der „Leistungsbezieher“ gegenübergestellt werden. Und dadurch alle arbeitenden Menschen aufgehetzt werden gegen die Arbeitslosen und alle sonstigen angeblich „lästigen“, „überflüssigen“, „parasitären“ „Kostgänger“ des Staates: gegen ALG-II-BezieherInnen also, gegen Niedriglöhner, Aufstocker, Rentner, Kranke und so weiter. Ein Hassverhältnis soll aufgebaut werden gegen alle, die auf Sozialstaat und Hilfe angewiesen sind, Hass im Kern gegen die kärglichen Reste unseres Sozialstaates selbst. Das heißt: So harmlos der Begriff „Leistungsträger“ zunächst daherzukommen scheint – scheinbar ist er schlimmstenfalls ein bisschen eitel -, er richtet sich in letzter Konsequenz gegen unsere Demokratie schlechthin. Kein Wunder daher, dass der Bundesvorsitzende des RCDS allen Ernstes bei Anne Will vorgeschlagen hat, dass „Leistungsbeziehern“ nur noch ein halbes Wahlrecht zustehen solle, den „Leistungsträgern“ aber ein doppeltes! Damit wären wir wo gelandet? Richtig: in den Zeiten vor der Demokratie, im Kaiserreich von Wilhelm zwo. Denn da gab es schon einmal ein derartiges Mehrklassenwahlrecht und ergo derartiges Unrecht. Und wo sind eigentlich unsere Massenmedien gelandet – hier die ARD – wenn sie solchen Figuren der bundesdeutschen Jungchristen sogar noch eine öffentliche Plattform für deren verfassungsfeindlichen Unfug zur Verfügung stellen? Ganz sicher nicht in einer „Leistungsgesellschaft“, sondern in einer Gesellschaft des reaktionär-intellektuellen Niedergangs! Aber, bitteschön, auch damit „leistet“ man (sich) ja auch was: die Abschaffung demokratischen Denkens schlechthin. Freilich ist es eine „Leistung“, die sich ein Demokrat in puncto Debatte über Demokratie miserabler überhaupt nicht vorstellen kann. Sie zielt nämlich direkt auf das Ende des demokratischen Denkens. Und als Langfristfolge daraus: das Ende der Demokratie selbst. Natürlich nur, wenn wir uns nicht wehren! Ich denke, das werden wir tun. Wir tun es bereits, und wir werden nicht alleine bleiben bei diesem Kampf! Denn die wahren Leistungsträger unserer Gesellschaft, die rackerten sich immer schon unten in unserer Gesellschaft ab und die finden sich längst schon in unseren Reihen. Oben hingegen laufen oft nur noch Imitate von „Leistungsträgern“ herum: Hohlköpfe, bei denen die Gehirne leer sind und nur die Bankkonten noch voll.
Posted on: Fri, 05 Jul 2013 18:01:48 +0000

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