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aus: Heimwärts, Karin Afshar ... Einen Plan hat Phil nicht. Das ist eine gute Voraussetzung dafür, dass nichts schiefgehen kann. Dass er eine Adresse hat, zu der er gehen wird, um eine nächste Adresse zu erfragen, ist kein Plan. Er weiß nicht, was ihn erwartet, und er weiß auch nicht, was er mit seinem Auftauchen auslösen wird. Zu sagen, es sei ihm egal, trifft es nicht, und es wäre nicht angebracht. Er wird sich ein Zimmer in einer Pension nehmen und auf eine Gelegenheit, sie in einem Café oder an einem anderen öffentlichen Ort anzusprechen, warten. Aber noch ist es nicht soweit. Noch liegt er hier, wie festgebunden und verspürt wenig Antrieb, überhaupt irgendwohin zu gehen. Es zieht ihn zurück, etwas an seinem Hinterkopf zieht ihn ins Kopfkissen, hinein ins Lattenrost, unters Bett. Er steht vor Tonis offenem Grab. An dessen Grund ein einfacher Kiefernsarg. Um das Grab herum – niemand. Es ist flammend bunter Herbst; das Grab liegt unter einem Ahornbaum, durch dessen vielfarbige Blätter eine satte Oktobersonne blinzelt. Sie malt Schatten auf die Erde und auf den hellen Sarg im Loch. Phil zählt. Er zählt bis sechs. Dann gibt er den Zahlen Namen. Eins ist Rob, zwei ist Ben, drei ist Michelle, vier und fünf sind Rose und William. Und jetzt sechs – Toni. Diese Reihenfolge sagt nichts über ihren Stellenwert aus. Am wenigsten schlimm von allen sind Rose und William. Ben gehört in die Kriegszeit. Der beste Kamerad, den man sich wünschen konnte. Fiel, bevor sie ausgeflogen werden konnten. Mit ihm die anderen, außer ihm, Phil. Toni rangiert weit vor Michelle. Sie war erst nicht da, tauchte auf, durfte nicht bleiben und verschwand. Toni ist der zweitschwerste Einschlag. Aber der, mit dem alles angefangen hat, ist und bleibt der schwerste: Rob! Wir sehen Rob und Phil als Kinder. Sie sind gleich groß, sie sehen einander sehr ähnlich. Rob ist nur drei oder vier Minuten älter als Phil. Sie sind im Oktober geboren, an einem Morgen, der einem Tag wie dem heutigen Begräbnistag vorausging. Diese drei oder vier Minuten machen den Unterschied zwischen ihnen aus: wer von beiden im Licht und wer im Schatten steht. Rose und William lieben beide Jungs abgöttisch. Phil lieben sie, weil sie Rob lieben. Die beiden spielen Jungsspiele, klettern über Zäune und auf Bäume, balgen sich mit anderen Jungen, kommen in die Schule, lernen allerlei über Abe Lincoln und George Washington und bekommen gemeinsam die ersten Pubertätspickel. Ein solches Bild sehen wir in diesem Moment. Es taucht auf der glatten Oberfläche des Sargs auf. Wir sehen Rob, der in die Kamera grinst, er ist linkisch und streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Rose und William sind im Hintergrund zu sehen. Rose ist noch jung, sie haben früh geheiratet, sie und William. Die Jungs kamen bald nach der Hochzeit. Es hätte niemanden gewundert, wenn sie noch einmal schwanger geworden wäre – als Rob und Phil sechzehn waren. Fünf Jahre später, als dann der Unfall passierte, war es allerdings zu spät dafür. Der Unfall kommt nicht unangekündigt. Die Anzeichen hat nur niemand gesehen. Und selbst wenn: niemand hätte sie mit so Ungeheuerlichem wie einer Todesankündigung in Verbindung gebracht. Es ist immer ein Flackern. Es beginnt rechts mit einem Schatten, der in die Mitte des Blickfeldes flattert. Dann verschwindet es, meistens in den Augen einer Person, die gerade hersieht. Es können Jahre zwischen dem Flackern und dem, was es ankündigt, vergehen, oder Stunden. Es ist das Flackern wie wir es sehen, als Phil Claire sagt, dass er sie liebt. Eine Frauenstimme singt. Wir hören leise Trommeln, von weit, Soldaten stehen stramm, salutieren. Das Flackern war auch in Tonis Augen, und in Robs. Rob wird einundzwanzig Jahre alt. Der Unfall, der ihn ereilt, ist so banal wie abstrus. Phil steht neben ihm und kann nichts tun. Das hat William nie verstanden. Die Trommeln werden leiser. Der Zug an Phils Kopf lässt nach und er taucht aus der Matratze auf. Jetzt ruft sein Gesicht nach einem Schwall Wasser, den es auch bekommt. ZWISCHENSCHNITT/CUT AWAY Die Muster, die die Zeit in Familien zeichnet, sind für alle Familien verschieden, und doch kann man sie kategorisieren. In manchen Familien wiederholt sich ein und dasselbe Muster ziemlich offensichtlich und regelmäßig. Bei anderen Familien durchziehen mehrere Muster mehrere Zeitebenen, und die Strukturen sind chaotisch. In sehr vielen Fällen sind es die Frauen der Familien, die die Muster erkennen. Um sie erkennen zu können und erkennbar zu halten, müssen sie sie bezeichnen. Diese Bezeichnungen klingen dann viel pathetischer als das nüchterne „Muster“: Fluch ist eines dieser Wörter, das sie für eines der komplizierteren Muster gefunden haben. Wenn Männer anfangen, über einen Fluch nachzudenken, haben sie sich oft schon sehr weit von sich entfernt und einen langen Weg zurück vor sich.... youtube/watch?v=kehTezsH2fE
Posted on: Sun, 15 Sep 2013 18:51:04 +0000

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