In einem Fachgeschäft für Aquaristik gibt es solche und solche - TopicsExpress



          

In einem Fachgeschäft für Aquaristik gibt es solche und solche Tage. Der schönste Tag war aber der, an dem mir meine Kundin ihre intimsten Geheimnisse anvertraut hat. „Schade um die Zeit, die du mit dem Schreiben verbringst. Das wird dir sowieso kein Mensch glauben “, sagte Bruni, nachdem ich Ihr eröffnet habe, auch dieses Erlebniss aus meiner Zeit als Fachhändler nieder zu schreiben. Ich erwartete es zwar nicht, aber ich schreibe es trotzdem. Es gibt Tage im Leben eines jeden Fachhändlers, da steht man kurz vorm Nervenzusammenbruch. Es gibt aber auch Tage, an den man für alle solche Tage auf einen Schlag entschädigt wird. Und genau so ein Tag war es, über den ich hier berichte. Ich hatte noch nicht das Wechselgeld in der Kasse, als die Tür meines Geschäftes aufging, und eine junge Frau vor den Verkaufstresen trat. Es war eine Stammkundin von mir. Nachdem wir uns begrüßten und einige belanglosen Wörter über das Wetter gewechselt haben, teilte sie mir kurz und bündig mit: „Ich glaube, meine Vulva ist zu klein.“ Die peinliche Pause, die dann folgte, kann ich heute nicht mehr beschreiben. Mein Kinn fiel aber einige Zentimeter tiefer, und ich glaube, dass ich nach einer langen Zeit wieder Schamröte im Gesicht hatte. Nach einer Weile tiefen Schweigens, sagte ich: „Eee“, dann sagte ich „Hmmm“, nachfolgend „Tja“ und schließlich „Oooh.“ Mehr als diese Töne brachte ich nicht heraus. Dazu kam noch, dass meine Frau nur einige Schritte von uns entfernt stand, und so alles mitbekam. Mein Herz fingt an zu rasen und mein Blutdruck stieg ins unermessliche. Ich überlegte fieberhaft, wie ich meiner lieben Gattin diese prekäre Situation erklären sollte. Gleichzeitig schätzte ich die Räumlichkeiten ab und überlegte, in welche Richtung ich bei einem eventuellen Angriff der Kundin flüchten sollte, denn ich war überzeugt, dass sie fest damit rechnet, dass ich ihr beim Ausweiten des oben beschriebenen Körperteils behilflich sein werde. Warum sonst, hätte sie mir über ihr Problem berichtet? Doch in dem Augenblick holte meine Kundin tief Luft, um mir alle Details ihres Problems mitzuteilen: „Wissen sie, ich habe jetzt eine kleine Vulva, aber in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass sie für mein Aquarium doch ein bisschen zu schwach ist. Deshalb möchte ich mir die Vulva2 kaufen.“ Wenn meine junge Kundin jetzt nicht vor dem Regal gestanden hätte, in dem ich mein gesamtes Aquarienfilter Sortiment präsentierte und einen „FLUVAL2“-Filter in die Hand genommen hätte, was dann geschähen wäre, das weiß ich heute wirklich nicht. Schließlich landete der Fluval2 auf dem Ladentisch, und mich kostete es große Überwindung halbwegs ernst und seriös zu erscheinen. Meine Frau hat sich inzwischen in den Aufenthaltsraum zurückgezogen und ließ mich mit meinem Leiden ganz allein. Ich versuchte krampfhaft meine Gedanken auf alle verstorbene Verwandten und Bekannten zu lenken, um nicht einen Lachkrampf zu bekommen. Der Kunde, der inzwischen mein Geschäft betrat, konnte noch die letzte Frage meiner Filterkundin ganz deutlich hören: „...und gereinigt muss ich die Vulva genau so wie üblich, nicht wahr?“ Daß viele Menschen dazu neigen, Produktnamen zu verwechseln, verändern oder falsch auszusprechen, ist allgemein bekannt. Deshalb will ich darauf verzichten Produkte mit Fremdsprachlichen oder unaussprechbaren Namen hier aufzulisten. Ich hätte mir aber gewünscht, dass diese Geschichte einige Werbefachleute lesen, und daraus ihre Schlüsse ziehen. Nämlich - neuen Produkten nur solche Namen zu geben, die sich im Gedächtnis einprägen, und die jeder richtig auszusprechen vermag. Als Musterbeispiel dazu dient der Markenname: Tempo, womit ein Einwegtaschentuchgemeint ist, mit dem wir uns die Nase putzen und sonst nichts. Dieses Problem ist aber nichts neues. Damit hatte ich schon als Kind zu kämpfen. Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, wurde ich von meiner Mutter beauftragt, eine Weichkäsespezialität aus der Schweiz zu kaufen und auf dem schnellsten Wege nach Hause zu bringen. So wie überall in dieser Zeit, stand in dem Geschäft eine wartende Menschenschlange, und ich hörte, wie die Menschen, die da vor mir standen forderten: „Ein Scherwö bitte“ oder „Ein Scherwü“ und ich glaube, ein „Scherwaises und „Scherwoese“ waren auch dabei. Ich war verzweifelt und überlegte fieberhaft, wie ich das für mich fremde Wort aussprechen soll. Ein Opa, der direkt vor mir stand hat mich gerettet. „Einen GERWAIS möchte ich bitte schön haben, Fräulein“, lautete sein klarer Order, und so brachte auch ich einen „Gervais“ mit nach Hause. Mit der Zeit wurden die Schlangen in den Geschäften immer kürzer, und wir haben immer noch dieses Milchprodukt aus der Schweiz gegessen. Nur haben wir nicht mehr einen „Gervais“ verlangt, sondern einfachshalber ein Päckchen Schweizer Quark.
Posted on: Mon, 24 Jun 2013 07:00:21 +0000

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