Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, nein auch von - TopicsExpress



          

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, nein auch von Vorfreude! Wilde Wasser, Sündenfalle, sehnsüchtiges tiefes Bangen, Schreie, Laute nah im Wallen, Wellen wogend Stille schlangen… Er war von mittelgroßer Statur, soff wie ein bengalischer Kampfbulle und beschimpfte jeden zweiten Gast der Party mit laut provozierenden "Nazis raus" Rufen. Keiner von uns konnte ihn wirklich gut leiden. Da er jedoch die eher trostlos erscheinenden Abende zu dieser Zeit unser Gastgeber war und er gerade dann seine Spendierfreude ins Unermessliche trieb, wenn sich der versammelte Abschaum einer Kleinstadt verbal von ihm ficken ließ, feierten wir gerne mit. Für eine Flasche lauen Fusel war ich nicht anders wie all die anderen. Ein ausgelutschter Tunichtgut, Hastenichtgesehen, oder Aufschneider und von mir aus auch ein Nazi, einer in roten Socken. Ich machte mir eigentlich nie großartige Gedanken darüber, ob er sich jemals ändern, oder es ihm mal leid tun würde, immer solch extreme Sachen ohne Sinn und Verstand über fremde Menschen zu erzählen, welche er ja höchstens nur eins zwei Mal in seinem benebelten Leben gesehen hatte. Denn spätestens danach suchten sich die Typen mit etwas verbliebenem Restverstand doch lieber eine andere Location, was ich zugegebener Maßen auch gut verstehen konnte. Diese ganze Situation war mir eigentlich egal. Er war mir egal und deshalb nannte ich ihn von Zeit zu Zeit abwechselnd nur noch Adolf, Goebbels oder Eva Braun. Irgendwann würden sie ihn bestimmt mit durchschnittener Kehle in einer versifften Abflussrinne eines drittklassigen Bordells finden, und keinem Einzigen den er jemals gekannt hatte, würde es deshalb schwer in den Augen jucken. Keine Tränen für Schweine und keinen Trauermarsch für die Sau! Die Storys des delischen Testgelände schrieben sich nicht von alleine, deshalb hatte ich mich, wie auf jeder dieser Partys ins Abseits verzogen und dillerte zufrieden auf der Tastatur meines PDA herum. Keiner der jeweilig Anwesenden störte mich freiwillig und taten sie es doch einmal, dann es aus reiner Neugier, weil sie mich noch nicht kannten, oder weil sie verrückt genug waren, sich mit mir auf ein Gespräch einzulassen. Das dauernde Hämmern der Drum & Bass Lines konnte mich ebenso wenig wie das begleitende Gejodel eines rekrutierten Punksängers der örtlichen Szene aus der Fassung bringen. Sie nannten diese Mischung dann einfach New Sounds Exploration. Der Sänger hatte sich gerade ein lyrisches Angola aus der Lippe gezwirbelt, welches mich nicht gerade sonderlich berührte und irgendwie an eine Textmixtur der William S. Burroughs Beat Generation, Timothy Leary und Spongebob Schwammkopf erinnerte. Dann hob er hinter seinem Mikrophon voller Erwartung die Augenbrauen, formte seine Stirnfalten zu einem Waschbrett der dreißiger Jahre und wartete gespannt auf die Anerkennung des ewig zu gedröhnt verwöhnten Publikums. Aus den hinteren Reihen flatterte ein lautes "Nazis raus" über den Dancefloor. Angesteckt vom Ruf der Wildnis erwiderte das Ärsche wackelnde Publikum die Parole mit Pfiffen und lauten Gegenrufen und irgendwie hoffte ich dass die Bude heute Nacht noch abfackelt. Se-kunden später dachte ich voller Sorge an all die obdachlosen Japaner, den atomaren Super-Gau, verseuchte Fische, tot-bringendes Gemüse und irgendein Typ setzte sich neben mich und schwieg gekonnt vor sich hin. Dann sah er zu mir herüber, reichte mir ein Tütchen und ich wusste: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, nein auch von Vorfreude! Ich zog wie begierig zwei dreimal daran, bis sich die Kuppe des Todesengels glutrot färbte und meine Lungen mit einem spürbar kalten Vergessen füllten. Dann schrieb ich weiter...Nasse Gräber, kalte Hände, letzte Augenblicke fangen, als nah und fern der Geisterstrände, Willenskräfte hilflos rangen. © Kifthi Graßner 2012 aus bit.ly/U56Pf5
Posted on: Fri, 19 Jul 2013 09:01:06 +0000

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